Wohnungsmarkt:Wohnungsbranche fordert Milliardenhilfe

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Die Ampelregierung wollte erreichen, dass jährlich 400 000 neue Wohnungen fertiggestellt werden - diese Zielmarke blieb bisher unerreicht. (Foto: Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa)

2023 dürfte die Zahl fertiggestellter Wohnungen erneut deutlich unter dem Ziel der Ampel gelegen haben. Die Verbände wollen mehr Subventionen, profitieren sollen vor allem Mieter mit geringem Einkommen.

Von Angelika Slavik, Berlin

In vielen deutschen Städten ist der Wohnraum knapp. Um das zu ändern, will Deutschland den Neubau ankurbeln - bislang allerdings mit mäßigem Erfolg. Die Bauindustrie verlangt deshalb nun von der Politik neue Förderungen in Milliardenhöhe: Jährlich sollten zusätzliche Subventionen in Höhe von 15 Milliarden Euro für Sozialwohnungen und weitere acht Milliarden Euro für den Neubau bezahlbarer Wohnungen aufgewendet werden, hieß es am Donnerstag beim Verbändebündnis Wohnungsbau. Zudem brauche man ein neues Zinsverbilligungsprogramm.

Mit diesen Förderungen könnten jährlich 100 000 neue Sozialwohnungen sowie 60 000 Wohnungen mit günstigen Mieten entstehen, argumentieren die Branchenvertreter. Im Verbändebündnis sind unter anderem die Gewerkschaft IG Bau, der Mieterbund und der Bauverband ZDB organisiert. Es sei zudem wichtig, Vorgaben etwa zur Energieeffizienz nicht noch weiter zu verschärfen. "Wir haben einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig viel zu hohen Baukosten", sagte Dirk Salewski, Präsident des Immobilienverbands BFW, bei einer Branchenveranstaltung in Berlin. Dies liege auch an "viel zu hohen Baustandards".

Tatsächlich bleibt der Wohnungsneubau seit Jahren unter den Erwartungen. Die Ampelregierung hatte zum Amtsantritt verkündet, jährlich 400 000 neue Wohnungen fertigstellen zu wollen - diese Zielmarke blieb unerreicht: 2022 wurden weniger als 295 300 Wohnungen gebaut. Die Daten für 2023 liegen erst in einigen Wochen vor, vieles deutet aber auf einen weiteren Rückgang hin. Der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) schätzt die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auf 240 000. Zudem gehen die Baugenehmigungen stark zurück, in manchen Monaten um bis zu 30 Prozent.

Einer der Gründe für diese Entwicklung sind die hohen Kosten, eine Folge zwischenzeitlich stark steigender Preise für Baumaterial wie auch strengerer Energiestandards. Auch die höheren Zinsen wirken sich ungünstig aus. Das macht Bauen für Privatleute schwerer leistbar und für Investoren finanziell unattraktiv.

Die Ministerin hofft auf "einen neuen Schwung im Wohnungsbau"

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) ging auf die Forderungen der Branche nach neuen Subventionen am Donnerstag zunächst nicht konkret ein, sagte aber: "Mit einer Dauersubvention in allen Bereichen wird es nicht gehen." Man müsse stattdessen nach Lösungen für den frei finanzierten Wohnungsbau suchen, etwa durch den Abbau von Vorschriften. Viele Regeln seien "nicht notwendig, um ein gutes, sicheres Haus zu bauen".

Geywitz sieht trotz der unbestritten misslichen Lage Anzeichen der Besserung: So habe man die Förderung des sozialen Wohnungsbaus deutlich gesteigert, zudem sei mit einer verbesserten Möglichkeit zur steuerlichen Abschreibung (der sogenannten degressiven AfA) ein "erheblicher zusätzlicher Anreiz für den Neubau" geschaffen worden. "Nun gehen wir dem Ende der Talsohle entgegen", sagte Geywitz der Süddeutschen Zeitung. Bodenpreise und Inflationsraten seien gesunken, die Kosten für Baumaterial würden sich stabilisieren. "Die Maßnahmen, mit denen wir der Bau- und Wohnungswirtschaft unter die Arme greifen, zeigen Wirkung." All dies spreche "für einen neuen Schwung im Wohnungsbau".

In der Branche ist man damit nicht zufrieden. Um ihre Position zu untermauern, legten die Verbände am Donnerstag unter anderem eine Analyse des Kieler Bauforschungsinstituts ARGE vor. Die kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland derzeit 800 000 Wohnungen fehlten. Das Frühjahrsgutachten der sogenannten Immobilienweisen ging dagegen von 600 000 Wohnungen aus.

Etwa 9,3 Millionen Menschen in Deutschland leben laut der ARGE-Analyse in überbelegten Wohnungen. Zudem sei jeder dritte Mieterhaushalt - also mehr als sieben Millionen Haushalte - von den Wohnkosten finanziell überlastet. Seit 2020 hätten sich die Baukosten um 42 Prozent verteuert. Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssten die Baustandards gesenkt werden.

Nicht nur um den Neubau gibt es Diskussionen, sondern auch um die Regulierung des Mietmarkts. Am Mittwoch wurde bekannt, dass sich die Ampelparteien nach fast zweijähriger Debatte auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse verständigt haben. Somit soll es den Bundesländern auch über 2025 hinaus möglich sein, in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten den Preisanstieg bei Neuvermietungen zu begrenzen. Dagegen will der Eigentümerverband Haus und Grund nun eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Die Eigentümervertreter sehen in der zweiten Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 einen Verfassungsbruch. Die Karlsruher Richter hatten 2019 geurteilt, dass die Mietpreisbremse, die erstmals 2015 in Kraft getreten war, in bestimmten Wohngegenden verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Sie verstoße weder gegen die Vertragsfreiheit noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.

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