Atomausstieg:"Wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch"

Lesezeit: 2 min

Er weist die Vorwürfe gegen sich und sein Ministerium zurück: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach der Ausschusssitzung am Freitag. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Wollte Robert Habeck den Atomausstieg nach Beginn des Kriegs in der Ukraine gegen den Rat seines eigenen Hauses durchziehen? Eine Anhörung im Bundestag liefert dafür zunächst keine Belege - die FDP rudert zurück.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Teil eins der Machtprobe ist bestanden - das attestierte dem Bundeswirtschaftsminister am Freitag auch der zuvor kritische Koalitionspartner FDP. Nachdem es noch am Vortag aus den Reihen der Liberalen geheißen hatte, Robert Habeck habe die Bürger in der Atomdebatte des Jahres 2022 hinters Licht geführt und die Interessen der Grünen womöglich über die des Landes gestellt, war 24 Stunden später davon keine Rede mehr: "So wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat", sagte der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, nach einer Sondersitzung des Bundestagsenergieausschusses, in der Habeck sich den Fragen der Abgeordneten gestellt hatte. Daher mache es keinen Sinn, "über irgendwelche Rücktritte zu philosophieren", so in der Beek mit Blick auf die Union.

Der Streit kreist um einen internen Vermerk, den Habecks Beamte am 3. März 2022 und damit wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine angefertigt hatten. Darin beschäftigen sich die Fachleute mit der Frage, welche Folgen der Kriegsausbruch für die Energiesicherheit hierzulande haben könnte und ob es gegebenenfalls sinnvoll wäre, die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke statt am 31. Dezember erst zum Ende des Winters 2022/23 abzuschalten. Das Fazit der Experten: "Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bis zum 31.3. kann helfen, diese Situation zu entschärfen."

Die Atomkonzerne wollten zunächst selbst keine Laufzeitverlängerung

Im fertigen, mit dem ebenfalls grün geführten Umweltministerium abgestimmten Vermerk jedoch war davon nur wenige Tage später keine Rede mehr. Vielmehr hieß es in der Empfehlung nun, ein Streckbetrieb bis März 2023 sei zwar möglich, allerdings überwögen die Risiken. Eine Laufzeitverlängerung sei deshalb "nicht zu empfehlen". Der Verdacht der Opposition, der auf einem Bericht des Magazins Cicero beruht: "Grüne Ideologen" im Ministerium um den damaligen Staatssekretär Patrick Graichen hätten die Expertise der eigenen Untergebenen unterdrückt, weil ihnen das Ergebnis der Prüfung nicht gefallen habe. Habeck wiederum, so CSU-Generalsekretär Martin Huber, habe entweder von Graichens angeblichem Täuschungsmanöver gewusst und die Öffentlichkeit belogen oder aber sein Ministerium nicht im Griff gehabt. In beiden Fällen sei der Minister nicht mehr tragbar.

Habeck selbst wies die Vorwürfe am Freitag zurück. Sein Haus habe schon vor Kriegsbeginn mit den großen Energieunternehmen des Landes über die Frage diskutiert, wie die Strom- und Gasversorgung sichergestellt werden könne, sagte er in der Ausschusssitzung. Dabei sei auch die Möglichkeit längerer AKW-Laufzeiten diskutiert worden. Die Konzerne hätten in den Gesprächen jedoch selbst deutlich gemacht, dass die vorhandenen Brennelemente am Ende ihrer Leistungsfähigkeit seien und nicht über den 31. Dezember hinaus verwendet werden könnten.

Es erhärte sich der Verdacht, dass "getrickst und getäuscht" worden sei, sagt die CSU

Im Sommer 2022 habe sich die Situation dann verändert - weil der russische Präsident Wladimir Putin die Gaszufuhr nach Deutschland schrittweise gestoppt habe, französische Atomkraftwerke aufgrund von Sicherheitsmängeln hätten abgeschaltet werden müssen und die Versorgung deutscher Kohlekraftwerke wegen des Niedrigwassers im Rhein in Gefahr geraten sei, erklärte der Minister weiter. Zudem hätten die AKW-Betreiber plötzlich erklärt, sie könnten ihre Meiler sehr wohl länger laufen lassen. Am Ende habe sich die Regierung dann für einen Weiterbetrieb bis zum 31. März 2023 entschieden.

Auch die ebenfalls in der Kritik stehende Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) verwahrte sich gegen alle Anschuldigungen. Ihre Beamten hätten intensiv geprüft, unter welchen Bedingungen ein längerer Betrieb der Atommeiler möglich sei, sagte sie vor Beginn einer Sondersitzung des Ausschusses für Umwelt und nukleare Sicherheit. Es sei darum gegangen, dass man die nukleare Sicherheit im Land jederzeit gewährleisten müsse.

Die Unionsfraktion forderte auch nach der Anhörung der beiden Kabinettsmitglieder weitere Aufklärung. "Es erhärtet sich der Verdacht, dass die Entscheidung über den Kernkraftausstieg nicht offen erfolgte, sondern von vornherein feststand. Dass getrickst und getäuscht wurde", sagte der energiepolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Andreas Lenz.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDie Grünen
:Er hat keine Chance, also nutzt er sie

Kaum ein deutscher Politiker polarisiert so sehr wie Robert Habeck. Für die einen ist er ein Hoffnungsträger, für die anderen ein Feindbild. Bei den Grünen scheinen sie sich aber auf eine Sache einigen zu können: Wenn einer als Kanzlerkandidat antritt, dann er.

Von Markus Balser, Claus Hulverscheidt und Vivien Timmler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: