Militärhilfe:Zusätzliche Milliarden für die Ukraine

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Ukrainische Soldaten lernen bei einer Schulung in Sachsen-Anhalt, wie man mit einem "Leopard-1"-Kampfpanzer umgeht. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Die Bundesregierung will die Militärhilfe verdoppeln. Aber noch ist unsicher, ob der Haushaltsausschuss des Bundestags zustimmt - und wo das Geld eigentlich herkommen soll.

Von Georg Ismar und Paul-Anton Krüger, Berlin

Die Ampelkoalition beabsichtigt, im Zuge der Haushaltsberatungen in dieser Woche deutlich mehr Geld als bislang geplant für Militärhilfe an die Ukraine bereitzustellen. Wie die Bild am Sonntag berichtet, soll die Summe von bislang vier Milliarden Euro im Jahr 2024 auf Betreiben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verdoppelt werden. Drei hochrangige Regierungsbeamte bestätigten der Süddeutschen Zeitung entsprechende Überlegungen, verwiesen zugleich aber darauf, dass die Entscheidung dem Haushaltsausschuss des Bundestags obliege. Am Donnerstag kommen dessen Mitglieder zur sogenannten Bereinigungssitzung zusammen, bei der die endgültigen Ausgaben für das kommende Jahr festgelegt werden.

Aus Koalitionskreisen hieß es, dass es bei der FDP und den Grünen erhebliche Verärgerung gebe, vor allem weil das Vorhaben vorab bekannt geworden ist. Die Bild am Sonntag berief sich in ihrem Bericht auf Informationen aus dem Verteidigungsministerium. Minister Boris Pistorius bestätigte das Vorhaben am Sonntagabend indirekt im ARD-Fernsehen, ohne auf Details einzugehen. "Das ist auch ein starkes Signal an die Ukraine, dass wir sie nicht im Stich lassen", sagte der SPD-Politiker. Die Erhöhung sei auch eine Reaktion darauf, dass die Finanzmittel in diesem Jahr sehr schnell ausgeschöpft gewesen seien.

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Eine Möglichkeit wäre es, Zahlungen an einen EU-Friedensfonds zu reduzieren

Eingestellt werden sollen die zusätzlichen Ausgaben dem Vernehmen nach nicht im Budget des Verteidigungsministeriums, sondern im sogenannten Einzelplan 60. Er umfasst Einnahmen und Ausgaben, die nicht einem einzelnen Ressort zugeordnet werden können und gilt als Verschiebebahnhof bei den Haushaltsverhandlungen. Das Bundesverteidigungsministerium hat den Bedarf dem Vernehmen nach damit begründet, dass ohne zusätzliches Geld im Haushalt im kommenden Jahr nur noch 120 Millionen Euro verfügbar wären, um neue Anfragen der Ukraine abdecken zu können.

Unterschiedliche Angaben gab es dazu, wie die zusätzlichen vier Milliarden aufgebracht werden könnten. Eine Möglichkeit ist dem Vernehmen nach, die Zahlungen an die sogenannte Europäische Friedensfazilität (EPF) zu reduzieren. Aus diesem Fonds erstattet die Europäische Union unter anderem Mitgliedstaaten die Kosten, wenn sie Rüstungsgüter oder Munition an die Ukraine abgeben. In der Bundesregierung steht etwa Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) diesem Mechanismus kritisch gegenüber. Sollte Deutschland seine Zahlungen an die EPF tatsächlich reduzieren, dürfte dies allerdings bei anderen Mitgliedstaaten Unmut auslösen.

Zudem ist von Haushaltspolitikern der Ampelkoalition zu hören, dass im laufenden Jahr die Kreditaufnahme voll ausgeschöpft und Geld aus der sogenannten Flüchtlingsrücklage in das kommende Jahr übertragen werden soll. Außerdem erlaube die Konjunkturentwicklung, voraussichtlich nochmals etwas höhere Schulden aufzunehmen. In Rede steht ein Betrag von sieben Milliarden Euro.

Der Finanzminister beharrt auf der Schuldenbremse

Allerdings fallen im Bundeshaushalt auch in anderen Bereichen höhere Ausgaben an, etwa bei den Kosten für das Bürgergeld und die Kindergrundsicherung. Bei diesen gesetzlichen Leistungen sind teilweise die Sätze angehoben worden oder der Kreis der Bezieher wächst. Insgesamt steht der Haushalt unter dem Vorbehalt, dass er die Schuldenbremse einhalten muss, die eine Neuverschuldung von maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung zulässt. Darauf beharrt Finanzminister Christian Lindner (FDP) und hat trotz anderslautender Forderungen aus der SPD-Bundestagsfraktion und von den Grünen dafür die Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Probleme könnten sich für die Koalition noch aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, das für diesen Mittwoch erwartet wird. Die Karlsruher Richter müssen darüber entscheiden, ob es rechtmäßig war, 60 Milliarden Euro an Krediten für den Energie- und Klimafonds des Bundes umzuwidmen. Die Kredite waren ursprünglich im normalen Haushalt zur Bewältigung der Corona-Krise bewilligt worden, wurden aber nicht benötigt.

Sollte Deutschlands höchstes Gericht das Vorgehen der Regierung beanstanden, könnte es zu einer Zerreißprobe zwischen SPD, Grünen und FDP kommen. Denn der Schritt war einer der wichtigsten Beschlüsse der Ampel-Koalitionsverhandlungen 2021 und schuf die Grundlage für viele Investitionen, die vor allem für die Grünen wichtig sind, aber aus einem Fonds, der nicht unter die Schuldenbremse fällt. Experten räumen der Klage der Union durchaus Chancen ein. Finanzminister Lindner hatte zuletzt betont, dass das Manöver vom früheren Finanzminister und jetzigen Kanzler Scholz maßgeblich vorbereitet worden sei.

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