Erdoğan in den Vereinigten Arabischen Emiraten:Besser als keine Freunde

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (links) mit Mohammed bin Zayed, Kronprinz Abu Dhabis. (Foto: Jon Gambrell/AP)

Über ein Jahrzehnt waren die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate verfeindet. Nun ist Erdoğan zu Besuch in Abu Dhabi. Beide Länder brauchen dringend neue Allianzen.

Von Tomas Avenarius und Dunja Ramadan

Das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, sei wie ein nationales schwarzes Brett, sagt der Golfexperte Mar Owen Jones. Es zeigt den Leuten, wen sie mögen dürfen. Am Sonntagabend leuchtete es in rot-weiß, die türkische Nationalhymne schallte herab auf die Menschen, die gerade aus der Dubai Mall strömen. Zu lesen war: Hoş geldiniz - herzlich willkommen und natürlich noch ein Hashtag, um dieses Spektakel auch viral gehen zu lassen: #UAE_Türkiye_Strategic_Relations.

Am Montag landete der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zum ersten Mal nach fast zehn Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Noch vor wenigen Monaten wäre ein solcher Besuch undenkbar gewesen. Seit Beginn des Arabischen Frühlings 2010/2011 liegen die Türkei und die VAE im Dauerkonflikt. Die beiden Länder haben unterschiedliche Vorstellungen, wie es nach dem Fall der arabischen Diktatoren weitergehen soll: Erdoğan und seine Regierungspartei AKP fühlen sich den Muslimbrüdern politisch-ideologisch verbunden, Abu Dhabi sieht seine autoritäre Staatsform durch die Revolutionen in Gefahr und stützt die Militärregime in Ägypten, Libyen und dem Sudan.

Erdoğan handelt klar erkennbar aus der Not heraus

Erdoğans Visite vorausgegangen war ein Besuch des Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, kurz MbZ, vergangenen November in Ankara. Es liegt nahe, dass der türkische Präsident angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise auf emiratische Investitionen schielt. Doch was will MbZ? "Der schwarze Prinz", wie ihn die Türken nennen, ist De-facto-Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate; er reagiert mit der Annäherung an Ankara auf die neue Sicherheitsarchitektur in der Region. Unter US-Präsident Donald Trump war man sich einig: Iran war der Feind, es galt das Atomabkommen zu verhindern. Doch mit der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden, die das Atomabkommen mit Iran wiederbeleben will, haben sich die Beziehungen abgekühlt. Die Emirate suchen die Annäherung an Teheran und könnten daher auch ein Interesse an Erdoğans Kontakten dorthin haben.

Auch die politischen und militärischen Konflikte um Katar und in Libyen, in denen sich Ankara und Abu Dhabi unversöhnlich gegenüberstanden, haben sich inzwischen weitgehend erledigt. Es ist also auch im Sinne von MbZ sich mit einem regionalen Akteur wie der Türkei zu arrangieren, selbst wenn alte ideologische Gräben weiterhin bestehen.

Erdoğan wiederum handelt klar erkennbar aus der Not heraus. Seine selbstbewusste und oft aggressive Außenpolitik der vergangenen Jahre, mit der er die Türkei zu einer regionalen Vormacht machen wollte, ist inzwischen weitgehend gescheitert. Die Türkei hatte sich durch die unverhohlene Unterstützung der Muslimbrüder nicht nur mit den VAE, sondern auch mit anderen arabischen Schwergewichten wie Saudi-Arabien und Ägypten ohne Rücksicht auf Verluste angelegt. Ankara hatte den VAE zeitweise sogar vorgeworfen, die in der Türkei als Terrororganisation geführte Bewegung des Predigers Fetullah Gülen finanziert und so den gescheiterten Staatsstreich von 2016 mitgetragen zu haben.

Nun versucht Ankara, die eigene Isolation in der muslimischen Welt zu überwinden

Auch die früher guten türkischen Beziehungen zu Israel haben in den letzten Jahren schwer gelitten. Die Annäherung Jerusalems an die Golfstaaten hatte Ankaras De-facto-Selbstausgrenzung daher noch weiter verschärft. Nun versucht Ankara, die eigene Isolation in der muslimischen Welt - und auch gegenüber Israel - zu überwinden. Um so wichtiger sind dabei die VAE, die der größte Handelspartner der Türkei unter den Staaten des Golf-Kooperationsrates sind. In einem Beitrag für die Zeitung Khaleej Times hatte der türkische Staatspräsident vor seinem Besuch geschrieben: "Die wachsende Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern ist ein Gewinn für die gesamte Region."

Außerdem braucht Erdoğan dringend Geld: Vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage samt der sehr hohen Inflation und der anhaltenden Währungskrise verliert der Präsident politisch an Rückhalt. Bei seinem Türkei-Besuch im November hatte MbZ bereits einen Fonds für Türkei-Investitionen in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar zugesagt. Auch wenn diese zugesagten Gelder nicht direkt und sofort fließen, schlagen sie sich doch positiv in den türkischen Bilanzen nieder.

Für die VAE wiederum stellt die Schwäche der türkischen Wirtschaft eine Investitionschance dar. Es wird erwartet, dass zwölf Abkommen zwischen der Türkei und den VAE unterzeichnet werden, unter anderem in den Bereichen Investitionen, Handel, Verteidigung, Verkehr, Landwirtschaft und Gesundheit.

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