Gesundheitspolitik:Kritik am Ende der Krankschreibung per Telefon

Lesezeit: 1 min

Per Videosprechstunde kann man sich weiterhin krankmelden, ohne eine Arztpraxis aufzusuchen. (Foto: Ute Grabowsky/photothek.net via/imago images/photothek)

Von April an kann man sich bei leichten Erkältungsbeschwerden nicht mehr ohne Arztbesuch krankschreiben lassen. Ampelpolitiker und Hausärzte wollen die Regel beibehalten und warnen vor einer Überlastung der Arztpraxen.

Nach den Erfahrungen der Corona-Krise werden Rufe nach dauerhaft möglichen Krankschreibungen per Telefon ohne Praxisbesuch lauter. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, sagte am Freitag, dies sei eine wichtige Entlastung für Patienten und Ärzte, die sich bewährt habe. "Wir sollten die Regelung nicht nur fortsetzen, sondern auch jenseits von Atemwegserkrankungen auf weitere akute Beschwerden ausweiten."

An diesem Freitag endete die telefonische Krankschreibung in Deutschland. Seit Ende März 2020 war das wegen der Corona-Pandemie fast durchgehend möglich. Angesichts der aktuellen Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) laufe sie nun aus. Das RKI stufte die Risikobewertung für Deutschland Anfang Februar von hoch auf moderat herab.

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen, Josef Hecken, sagte der dpa, die Krankschreibung per Telefon habe ihre Funktion erfüllt - als "einfach umsetzbare Möglichkeit, leichte und schwere Krankheitsfälle voneinander abzugrenzen und volle Wartezimmer zu vermeiden". Bei Bedarf könne man die Regel sehr schnell wieder aktivieren, machte Hecken deutlich.

Grünen-Abgeordneter Dahmen sagte: "Eltern, die schon kranke Kinder zu Hause haben, sollten die telefonische Krankschreibung standardmäßig nutzen können. Auch auf zusätzliche akute Erkrankungen wie beispielsweise einen Magen-Darm-Infekt oder Endometriose-Patientinnen sollte die Regelung ausgeweitet werden." Die Ampel-Koalition sollte daher eine schnelle und pragmatische Fortsetzung beschließen. "Haus- und Kinderärzte kennen ihre Patienten", erläuterte der Gesundheitsexperte. Sie könnten telefonisch über eine Krankschreibung entscheiden.

Auch der Deutsche Hausarztverband übte Kritik. "Um es klar zu sagen: Ohne die telefonische Krankschreibung geht es nicht mehr", sagte die Vizechefin Nicola Buhlinger-Göpfarth, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wer der telefonischen Krankschreibung jetzt den Stecker zieht, gefährdet die Versorgung und nimmt in Kauf, dass die Hausarztpraxen immer weiter unter Druck geraten."

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte eine Beibehaltung der Regelung. Politik und Fachleute seien sich einig gewesen, aus der Corona-Pandemie lernen zu müssen und Bewährtes zu bewahren, sagte der Gesundheitsexperte des Verbandes, Thomas Moormann, dem RND. "Bei der telefonischen Krankschreibung, die sehr erfolgreich praktiziert wurde und die man durchaus als Innovation bezeichnen könnte, zeigt sich das nun leider nicht", beklagte er und forderte die Ampelkoalition auf, die Beibehaltung gesetzlich zu regeln.

© SZ/dpa/zaa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGesundheitsschutz
:Sind wir für die nächste Pandemie gewappnet?

Auf das Coronavirus war Deutschland schlecht vorbereitet. Hat die Politik aus den Versäumnissen gelernt? Neun Herausforderungen - und was sich verändert hat.

Von Christina Berndt, Christoph von Eichhorn und Sören Müller-Hansen, Illustrationen: Jessy Asmus

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: