Taxonomie:Umweltverbände: Scholz muss Nein zur Atomkraft sagen

Lesezeit: 1 min

Das - zum Jahresende 2021 abgeschaltete - Atomkraftwerk im niedersächsischen Grohnde. Deutsche Umweltverbände fordern von Kanzler Scholz eine klare Position gegen die Pläne der EU-Kommission, die Atomkraft als "grün" zu etikettieren. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Deutschland soll sich wie Österreich und Luxemburg mit aller Macht gegen die Taxonomie-Pläne der EU stellen, verlangen Umweltschützer in einem gemeinsamen Appell - und fordern klare Kante auch beim Erdgas.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Im Streit um die sogenannte "grüne Taxonomie" der EU erhöhen Umweltgruppen den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Bundesregierung müsse nun "klar und öffentlich vernehmbar Stellung beziehen", heißt es in einem Brief von 13 Umweltverbänden, der diesen Dienstag ans Kanzleramt gehen soll. "Stimmen Sie bei der Abstimmung im Rat der Europäischen Union gegen den delegierten Rechtsakt, und gewinnen Sie andere Mitgliedstaaten dafür, dasselbe zu tun."

Hintergrund sind die Pläne der EU-Kommission, auch Atom- und Gaskraftwerke unter Bedingungen als "nachhaltig" zu deklarieren. Den Entwurf eines entsprechenden "delegierten Rechtsaktes" hatte die Kommission in der Silvesternacht publik gemacht. Da sie die Entscheidung in die Hände der Kommission gelegt hatten, können die Mitgliedstaaten den Rechtsakt nur mit einer "verstärkten qualifizierten Mehrheit" zurückweisen: 20 Mitgliedstaaten müssten ihn ablehnen, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinigen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass so eine Mehrheit zustande kommt.

MeinungKlimaneutralität
:Ohne Erdgas keine Energiewende

Die EU-Kommission möchte Gaskraftwerke gerne als "grüne" Technologie etikettieren. Natürlich ist das Augenwischerei. Und trotzdem: Ohne den fossilen Energieträger geht erst einmal nichts.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Die Umweltverbände, darunter BUND, Nabu, WWF und die Deutsche Umwelthilfe, fordern die Bundesregierung deshalb auch zur Klage auf. Wie Österreich und Luxemburg müsse Deutschland vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um den Rechtsakt noch zu stoppen. "Es geht um nichts Geringeres als die Legitimität und Wirksamkeit dieses grundlegenden Instruments und die Frage, wie glaubwürdig und relevant es im finanzwirtschaftlichen Kontext überhaupt werden kann", schreiben sie. Ein Standard, der noch vor Inkrafttreten hinter anderen etablierten Standards zurückbleibe, sei "ein Rückschritt und nicht der Fortschritt, mit dem Ihre Koalition angetreten ist".

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte schon "ein klares Nein" zur Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie angekündigt. Den Umweltverbänden geht das aber noch nicht weit genug. So solle Deutschland auch gegen die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie klagen. Dieses sei "keinesfalls ein nachhaltiger Energieträger". Bei Förderung, Transport und Nutzung würden große Mengen klimaschädlicher Treibhausgase freigesetzt. Nötig sei "eine ebenso konsequente Ablehnung von Erdgas in der Taxonomie".

Die Koalition hält sich in Sachen Erdgas bisher bedeckt. Schließlich hatte sie es für einen Übergangszeitraum für unverzichtbar erklärt, um den Ausstieg aus Kohle und Atom bewerkstelligen zu können. Die Bundesregierung müsse deshalb auch strenge Kriterien für den Bau von Gaskraftwerken erarbeiten, verlangen die Verbände. "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir zählen auf Sie", schließt ihr Brief. "Stoppen Sie das Greenwashing schmutziger und gefährlicher Technologien, die der Vergangenheit angehören."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungAtomkraft
:Was soll daran grün sein?

Brüssel will die Atomkraft als klima- und umweltfreundlich adeln. Doch ein solches Ökosiegel ist irreführend. Zentrale Fragen sind weiter ungeklärt. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geld.

Kommentar von Roland Preuß

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: