SZ.de-Umfragen:Viele Wähler vermissen bei den Parteien ihre Werte

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Auffällig viele Menschen sehen in den konservativen Parteien ihre eigenen Werte am stärksten verteten - das gilt allerdings besonders für ältere Menschen, die inzwischen eine sehr große Gruppe darstellen. (Foto: Priscilla du Preez/Unsplash.com; Bearbeitung SZ)
  • Viele Menschen sehen in Deutschland ihre Wertevorstellungen von keiner Partei wirklich vertreten. Das gilt am stärksten für AfD-Wähler.
  • Mit 27 Prozent sehen die meisten Umfrageteilnehmer ihre Werte am ehesten durch die Unionsparteien vertreten.
  • Ältere Menschen und Unionsanhänger sind sich bezüglich ihrer Wahlabsicht besonders sicher.
  • Viele Menschen wählen offenbar strategisch nicht die Partei, die ihre Werte vertritt.

Von Markus C. Schulte von Drach

Weit mehr als 5000 Menschen haben inzwischen an der repräsentativen Umfrage von SZ.de zur Bundestagswahl 2017 teilgenommen - Zeit für einen Zwischenstand. Im Gegensatz zur der häufig gestellten Frage nach der Wahlabsicht - der sogenannten Sonntagsfrage - interessiert uns ein Faktor, der selten zur Sprache kommt: die Werte, für die Parteien stehen.

So wollen wir herausfinden, ob die Wahlberechtigten überhaupt Parteien finden, die ihre Werte vertreten, und welche Bedeutung das für die Wahl haben kann.

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Parteien wollen zwar für bestimmte Werte stehen - das belegen ihre Grundsatzprogramme. Wie die Daten zeigen, die das Meinungsforschungsinstitut Civey für SZ.de erhebt, finden viele Deutsche ihre eigenen Wertvorstellungen bei den Volksvertretern jedoch nicht wieder. Nur etwa 44 Prozent sagen, dass ihre Werte durch eine Partei "sehr stark" (zehn Prozent) oder "eher stark" (34 Prozent) vertreten werden. Mit 42 Prozent geben fast genauso viele Umfrageteilnehmer an, dass sie ihre Werte "eher schwach" (29 Prozent) oder "gar nicht" (13 Prozent) vertreten sehen.

Das bedeutet: Vier von zehn Deutschen sind nicht überzeugt, dass ihre Werte von den Parteien überhaupt gut vertreten werden - oder sie vertrauen den Politikern diesbezüglich nicht. Auch wenn wir nicht wissen, welche Werte vermisst werden, geben die Zahlen zu denken.

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Die Überzeugung, dass überhaupt eine Partei ihre Werte stark vertritt, ist mit einem Anteil von 67 Prozent mit Abstand am häufigsten bei jenen zu finden, die der CDU oder CSU ihre Stimme geben wollen. Bei den Anhängern der SPD waren das immerhin noch 57 Prozent, bei den Grünen 52 Prozent. Unter jenen, die derzeit planen, Linke, AfD oder FDP zu wählen, liegen die Werte nur noch bei etwa 40 Prozent.

Die größte Skepsis gegenüber den Parteien zeigen selbsterklärte AfD-Wähler: Zwölf Prozent geben an, ihre Wertvorstellungen seien "gar nicht" durch eine Partei vertreten.

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Betrachtet man die unterschiedlichen Altersgruppen, stechen die jüngsten und ältesten Umfrageteilnehmer ein wenig heraus. Die 18- bis 29-Jährigen und die Altersgruppe "65 und älter" geben etwas häufiger als alle anderen an, ihre Wertvorstellungen würden durch eine Partei "sehr stark" oder "eher stark" vertreten - wobei die Werte zusammen hier auch nur bei etwa 40 Prozent liegen.

Bei den Geschlechtern zeigt sich ein kleiner Unterschied: Immerhin mehr als 46 Prozent der Frauen sehen ihre Werte gut vertreten, bei den Männern sind es nur 42 Prozent.

Auffällig ist der Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschen. Mit fast 39 Prozent finden im Osten deutlich weniger Menschen ihre Wertvorstellungen bei einer Partei wieder als im Westen (etwa 45 Prozent). Und "gar nicht" fündig werden im Osten 17 Prozent, im Westen nur zwölf Prozent.

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Die Frage "Welche Partei vertritt am ehesten Ihre Wertvorstellungen?" darf nicht verwechselt werden mit der Frage nach der Wahlabsicht, denn manche Wählerinnen und Wähler entscheiden sich für eine andere Partei als die, die ihre Wertvorstellungen am ehesten vertritt. Deshalb wurde die Wahlabsicht zusätzlich erfragt.

Etwa 27 Prozent der Befragten geben an, ihre Wertvorstellungen würden am ehesten durch die CDU/CSU vertreten. In den "Sonntagsfragen" liegt der Anteil der Unions-Wähler aber bei etwa 39 Prozent. Bei der SPD sehen etwa 19 Prozent ihre Werte am stärksten vertreten, in den Sonntagsfragen liegt ihre Zustimmung bei etwa 24 Prozent.

Es wählen also offenbar auch viele Menschen die großen Parteien, obwohl diese ihre Wertvorstellungen nicht am ehesten vertreten.

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Der Verdacht liegt nahe, dass sie mehr Hoffnung auf die großen Parteien setzen, in Deutschland wenigstens etwas in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Deshalb geben sie lieber dieser Partei ihre Stimme als einer kleineren, die ihre Werte zwar stärker vertritt, aber nach der Wahl womöglich nur wenig oder keinen Einfluss haben wird.

Das scheinen die Ergebnisse für die kleinen Parteien zu bestätigen. Fast 13 Prozent etwa sehen ihre Werte am stärksten durch die AfD vertreten, etwa zwölf Prozent durch die Linken, neun durch die Grünen und 8,5 Prozent durch die FDP. In den Sonntagsfragen finden diese Parteien jedoch alle etwas weniger Zustimmung in der Bevölkerung. Auch manche Wähler, deren Herz für diese Parteien schlägt, wählen also eine der Volksparteien - vermutlich aus strategischen Erwägungen.

Wer nun welche Partei wählt, obwohl diese bezüglich der Werte eigentlich nicht die erste Wahl wäre, zeigt die zusätzliche Information über die Wahlabsichten.

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CDU/CSU

82 Prozent derjenigen, die die CDU/CSU wählen wollen, sehen durch diese Parteien auch ihre Wertvorstellungen am stärksten vertreten. Das heißt umgekehrt, 18 Prozent derjenigen, die den Unionsparteien ihre Stimme geben wollen, tun dies, obwohl andere Parteien ihre Werte eigentlich stärker vertreten. Bei fünf Prozent der selbsterklärten Unionswähler ist das die FDP, bei je drei Prozent sind es SPD oder Grüne, bei einigen wenigen die AfD und sogar die Linke.

SPD

Unter denen, die beabsichtigen, die Sozialdemokraten zu wählen, sind die Abweichungen noch größer. Nur für 78 Prozent unter ihnen ist die SPD auch die Partei ihrer Werte. Neun Prozent wählen die SPD dagegen, obwohl sie meinen, eigentlich würde die Linke ihre Werte am stärksten vertreten. Und sieben Prozent kommen von Menschen, die eigentlich Anhänger der Grünen sind.

FDP

Unter den Stimmen für die FDP kommen noch weniger von echten FDP Anhängern: 74 Prozent. Besonders groß ist hier der Anteil derjenigen, die ihre Werte eigentlich durch die Union vertreten sehen (zwölf Prozent). Drei Prozent wählen die FDP, obwohl sie die SPD als besten Vertreter ihrer Werte sehen. Und für vier Prozent wäre bezüglich der Werte sogar die AfD der beste Vertreter.

Die Linke

Am wenigsten wird die Linke von Menschen gewählt, die ihre Werte durch andere Parteien stärker vertreten sehen. 87 Prozent der selbsterklärten Wähler sehen die Partei auch als stärkste Vertretung ihrer Werte. Das heißt, 13 Prozent wählen sie trotz anderer Wertepräferenzen. Mit je drei Prozent haben am ehesten Anhänger der SPD und der Grünen vor, die Linke zu wählen.

Bündnis90/Die Grünen

Die Grünen bekommen mit sieben Prozent viel Zustimmung durch Menschen, die eigentlich die Linke als ihre Wertepartei betrachten, drei Prozent sind Anhänger der SPD. Der Anteil an den Grünwählern, die ihre Werte am stärksten von dieser Partei selbst vertreten sehen, liegt bei 81 Prozent.

AfD

Unter denjenigen, die die AfD wählen wollen, sind mit fünf Prozent relativ viele, die eigentlich die FDP als beste Vertreterin ihrer Werte betrachten. Der Anteil der angehenden AfD-Wähler, die durch diese Partei auch ihre Werte am stärksten vertreten sehen, liegt immerhin bei 83 Prozent.

Die Daten zeigen: Unter den Anhängern aller Parteien finden sich Menschen, die irgend eine andere Partei wählen wollen. Es gibt nur drei Ausnahmen: Unter den SPD-Wählern gibt es niemanden, der seine Werte am stärksten durch die AfD vertreten sieht; unter den AfD-Wähler findet sich niemand, der eigentlich die Grünen präferiert und unter den Linken-Wählern ist niemand, dessen Herz eigentlich für die Union schlägt. Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, dass die Kluft zwischen diesen Parteien jeweils besonders groß ist.

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Wie die Umfrage zeigt, sehen in allen Altersgruppen bis auf die 18- bis 29-Jährigen die meisten Menschen mit Abstand ihre Werte am stärksten durch die CDU/CSU vertreten. Unter jenen im Alter von 65 und mehr Jahren war das jeder Dritte. Von diesen gab dagegen nur jeder fünfte die SPD an.

Dass die Unionsparteien hier vor allem für ältere Menschen interessant sind, zeigt sich auch darin, dass die Zustimmung mit zunehmendem Alter anwächst - ausgehend von 18 Prozent bei den 18- bis 29-Jährigen. In dieser Gruppe sehen mit 23 Prozent die meisten die SPD als ihre Wertepartei, gefolgt von den Grünen mit 17 Prozent. Bei letzteren nimmt der Anteil derjenigen, die ihre Werte stark vertreten sehen, mit zunehmendem Alter ab. Nur noch fünf Prozent der Senioren sahen das so.

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Dass die Grünen die Partei der jungen Menschen wäre, lässt sich aber trotzdem nicht sagen - schließlich sehen sogar mehr Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren die CDU/CSU als Partei ihrer Werte.

Ost und West

Interessant ist noch, dass mit nur 14 Prozent in Ostdeutschland deutlich weniger Menschen als im Westen angeben, die SPD würde am stärksten ihre Werte vertreten (20 Prozent). Dafür liegt im Osten mit 15 Prozent der Anteil derjenigen höher, die hier die AfD nennen (Westdeutschland: zwölf Prozent).

Bevölkerungsdichte

Speziell bei den Grünen fällt auf, dass die Zustimmung mit der Bevölkerungsdichte zunimmt von nur etwa sechs Prozent in wenig besiedelten Räumen auf 14 Prozent in Großstädten und Ballungsräumen. Das hängt vermutlich unter anderem damit zusammen, dass etwa in Universitätsstädten Studierende und Akademiker zahlreich sind, die besonders häufig grün wählen.

Der Wert jeder Umfrage zu den Wahlabsichten steht und fällt mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen tatsächlich so wählen werden, wie sie es vor der Wahl behaupten.

Wir haben deshalb auch gefragt, wie sicher sich die Umfrageteilnehmer in ihren Wahlabsichten sind.

Es zeigt sich, dass doch relativ viele Menschen noch nicht genau wissen, was sie wählen werden. Sehr sicher zeigten sich nur 41 Prozent, eher sicher 21 Prozent.

Fast ein Viertel der Befragten war hier eher oder sehr unsicher, und zehn Prozent gab an, gar nicht wählen zu gehen.

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Besonders interessant ist die Frage, wie sicher die Menschen sich sind, eine bestimmte Partei zu wählen. Es sieht so aus, als könnten sich vor allem die Unionsparteien und die AfD darauf verlassen, dass ihre Anhänger ihnen bis zur Wahl auch treu bleiben werden. Immerhin 62 Prozent derjenigen, die CDU oder CSU wählen wollen, sind sich darin sicher, bei der AfD waren es immer noch 60 Prozent.

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Die Anhänger der anderen Parteien sind sich ihrer Sache derzeit weniger sicher. 50 Prozent derjenigen, die jetzt die SPD wählen wollen, je etwa 40 Prozent der selbsterklärten Wähler der Linken und der FDP und nur 28 Prozent derjenigen, die die Grünen bevorzugen, sind sich derzeit sicher in ihrer Wahlentscheidung. Offenbar müssen diese Parteien noch einige Überzeugungsarbeit leisten.

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"Sehr sicher" in ihrer Wahlabsicht sind sich die Umfrageteilnehmer mit zunehmendem Alter. Während das nur für ein Drittel der 18- bis 29-Jährigen gilt, steigt der Anteil stetig auf 48 Prozent unter denjenigen im Alter von 65 und mehr Jahren. "Sehr unsicher" sind unter den jungen Wählern immerhin noch zehn Prozent, bei den älteren Teilnehmern schrumpft der Anteil, bis er unter den Senioren nur noch bei vier Prozent liegt.

Zwischenfazit:

  • Ein bedeutender Anteil der Deutschen sieht die eigenen Wertevorstellungen von keiner Partei stark vertreten.
  • Am ehesten finden Anhänger der CDU/CSU ihre Wertvorstellungen bei einer Partei wieder.
  • Von diesen sehen immerhin 82 Prozent ihre Werte tatsächlich durch die Unionsparteien am stärksten vertreten. Demnach geben relativ wenige Menschen der Union ihre Stimme entgegen der Stimme ihres Herzens. CDU/CSU-Wähler sind also überwiegend überzeugte Unionswähler. Unter den SPD-Wählern gibt es im Vergleich dazu etwas mehr Menschen, die von der Partei ihre Werte gar nicht am stärksten vertreten sehen.
  • Die Menschen, die beabsichtigen, CDU/CSU zu wählen, geben am häufigsten an, sich in ihrer Wahlabsicht sicher zu sein.
  • Menschen von 65 Jahren und älter betrachten vor allem die CDU/CSU als die Parteien, die ihre Werte am stärksten vertreten.
  • Besonders diese älteren Menschen sind sich in ihrer Wahlabsicht sicher.

Da die Älteren bekanntlich einen deutlich größeren Anteil an den Wahlberechtigten stellen als junge Menschen, erscheint es naheliegend, folgenden Schluss zu ziehen:

Die Zustimmung für die Unionsparteien ist vermutlich unter anderem deshalb relativ hoch, weil ältere Menschen - und das ist eine große Gruppe - hier eher ihre Werte vertreten sehen als bei den anderen Parteien. (Welche Werte auch immer das sind). Zugleich zeigen sich sowohl Unionswähler als auch die Älteren (65 Jahre und älter) in Bezug auf ihre Wahlabsicht sicher. Trifft das zu, dürfte die derzeitige Zustimmung für CDU/CSU sich halten.

Wenn die anderen Parteien hier etwas ändern wollen, gibt es für sie im Zusammenhang mit den Wertvorstellungen mehrere Möglichkeiten.

  • Sie können versuchen, die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass die Werte der Konservativen nicht wichtiger sind als die Werte der anderen Parteien.
  • Sie können im Werte-Revier der Union wildern.
  • Sie können ihre Wahlversprechen stärker auf die Wertvorstellungen älterer Menschen zuschneiden.

Letzteres dürfte allerdings nicht im Interesse der jüngeren Menschen liegen, deren langfristige Zukunft es ist, über die bei der Bundestagswahl letztlich entschieden wird.

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