Migration:FDP und Grüne streiten um sichere Herkunftsländer

Lesezeit: 2 min

Er halte es für richtig, "auch über die Maghreb-Staaten zu beraten", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr am Wochenende. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Liberalen sprechen sich dafür aus, nach Georgien und Moldau auch den Maghreb-Staaten den Status zu geben. Stoff für eine neue Kontroverse in der Koalition?

Von Constanze von Bullion, Berlin

Eben erst hat die Bundesregierung sich darauf verständigt, Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Asylbewerber aus diesen Ländern sollen schneller abgeschoben werden können. Die Einigung, die die Grünen vor ihrer Regierungszeit noch strikt abgelehnt hätten, hielt allerdings nur wenige Tage. Schon hat die nächste Auseinandersetzung begonnen.

Nach der Union fordert jetzt auch die FDP, zusätzlich zu Georgien und Moldau noch die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien auf die Liste sicherer Herkunftsstaaten zu setzen. Führende Grüne hatten das erst kürzlich zurückgewiesen. Die Verärgerung in der Partei ist unüberhörbar.

Die FDP wolle nur von Lindners Haushaltspolitik ablenken

"Eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Maghreb-Staaten wird nicht den erhofften Effekt haben", sagte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, der Süddeutschen Zeitung. Deutschlands Kommunen, die seit Monaten vom Bund mehr finanzielle Unterstützung bei der Unterbringung von Asylbewerbern forderten, bräuchten andere Maßnahmen. "Die FDP probiert damit, davon abzulenken, dass Christian Lindners Haushaltspolitik dazu führt, dass die Handlungsspielräume der Kommunen durch Haushaltskürzungen und Steuerentlastungen für Besserverdienende massiv eingeschränkt werden", sagte Andresen.

Beim Thema sichere Herkunftsstaaten allerdings könnte es bald einsam werden um die Grünen. Außenministerin Annalena Baerbock hatte es vor wenigen Tagen abgelehnt, nach Georgien und Moldau auch die Maghreb-Staaten für sicher zu erklären. Sie verwies dabei auch auf die Verhaftung tunesischer Oppositioneller und die Aushöhlung von Grundrechten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hielt das nicht davon ab, eine neue Koalitionskontroverse anzustoßen.

Wenn demnächst im Bundestag der Gesetzentwurf beraten werde, der Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten erklären soll, dann halte er es "für richtig, dabei auch über die Maghreb-Staaten zu beraten", sagte Dürr der Funke-Mediengruppe am Wochenende. "Darüber werden wir innerhalb der Koalition sprechen müssen."

Und die SPD? Weicht aus

Wie sich die Sozialdemokraten zu diesem Vorstoß verhalten, ist noch unklar. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beantwortete Fragen nach der Beurteilung der Maghreb-Staaten in den letzten Tagen hörbar ausweichend. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Spiegel, es müsse geprüft werden, "aus welchen anderen Ländern Asylanträge geringe Erfolgsaussichten haben", also nicht nur aus Georgien und Moldau.

Für "sicher" erklärt werden kann ein Herkunftsland, wenn angenommen wird, dass dort keine flächendeckende staatliche Verfolgung droht und Minderheiten oder Oppositionelle vor Grundrechtsverletzungen geschützt werden können. Menschen aus diesen Ländern können in Deutschland zwar weiter einen Asylantrag stellen, in der Regel wird er aber als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt.

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Begründet wird die Einstufung eines Herkunftslandes als "sicher" auch, wenn die Anerkennungsquote für Asylbewerber in Deutschland sehr niedrig ist. Im Fall von Georgien und Moldau liegt sie bei weniger als 0,1 Prozent. Für abgelehnte Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten gilt eine verkürzte Abschiebungsfrist. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung mehr.

Innenministerin Faeser wies am Wochenende Kritik zurück, Deutschland schiebe Migranten nicht entschlossen genug ab. "Die Zahlen sind in diesem Jahr um rund 27 Prozent gestiegen", sagte sie Bild am Sonntag. Um Schleuser konsequenter zu verfolgen, plane sie eine Operative-Analyse-Zentrale bei der Bundespolizei und härtere Strafen für die Schleusung von Kindern und Jugendlichen. "Bisher sind Schleusungen von Minderjährigen nicht strafbar, weil diese nicht unerlaubt einreisen. Das versteht niemand", sagte Faeser.

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