Italien:Rom will runter von der Seidenstraße - aber wie?

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Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und Chinas Staatschef Xi Jinping beim G-20-Gipfel im November 2022 in Indonesien. (Foto: IMAGO/Sean Kilpatrick/IMAGO/ZUMA Press)

Regierungschefin Giorgia Meloni sucht nach einem verträglichen Weg, das Abkommen mit China zu verlassen. Aber geht das, ohne Peking zu sehr zu verärgern?

Von Marc Beise, Rom

Wie beendet man eine Beziehung, ohne den Partner, auf den man weiterhin angewiesen ist, nachhaltig zu verärgern? An diesem Kunststück versucht sich gerade die italienische Regierung von Giorgia Meloni. Die früher durch radikale Töne auch in außenpolitischen Fragen aufgefallene Politikerin erweist sich als Ministerpräsidentin bisher als stabile und zuverlässige Partnerin im westlichen Gefüge. Dort ist es mittlerweile allgemeine Meinung, dass man aus übergeordneten politischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, sich nicht so abhängig von China machen darf wie bisher.

Überall stehen die Zeichen auf Abgrenzung, sehr zum Ärger vieler Unternehmensvertreter, die Angst um das lukrative Geschäft mit der Wirtschaftsgroßmacht in Asien haben. "Wir können es uns nicht leisten, uns aus China zurückzuziehen", das ist fast einhellige Meinung auch in der italienischen Wirtschaft.

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Zunehmend umstritten

Die Regierung Meloni hat von einer ihrer Vorgängerinnen, der eigenartigen links-rechtspopulistischen Koalition unter Ministerpräsident Giuseppe Conte, ein politisches Problem geerbt, das zu entschärfen große Kunstfertigkeit erfordert. Conte hat seinerzeit zum allgemeinen weltweiten Erstaunen ein Abkommen mit der Volksrepublik China geschlossen, das bei einem symbolträchtigen Besuch des Staatspräsidenten Xi Jinping in Rom besiegelt wurde. Italien wurde als einziges EU-Land offizielles Mitglied der sogenannten Neuen-Seidenstraßen-Initiative, "Belt and Road Initiative", mit der China seit 2013 Hunderte Milliarden Dollar in Investitionsprojekte auf den Routen nach Westen investiert.

Die Kooperation ist zunehmend umstritten, weil sich herausgestellt hat, dass sie vor allem dazu dient, die chinesische Macht auszubauen und Abhängigkeiten zu schaffen. Italien nun hat das Problem, dass sich das Projekt nach einer Probezeit automatisch verfestigt, wenn es nicht aktiv gekündigt wird. Die von drei sehr rechten Parteien getragene Regierung Meloni, die schon von ihrem Selbstverständnis eher nationalistisch eingestellt ist, zeigt mittlerweile Entschlossenheit, aus diesem Programm auszusteigen, was auch von weiten Teilen der italienischen Politik und Öffentlichkeit für richtig erachtet wird. Vor allem gibt es massiven Druck vonseiten der USA und auch der EU, dass das wirtschaftsstarke Italien, Mitglied der G 7, bloß nicht diese privilegierte Partnerschaft fortsetzen möge.

Überraschendes Wohlwollen in Washington

Meloni hat sich nach allem Anschein in diesem Sinne bereits entschieden, sie hat es aber noch nicht offiziell bestätigt. So hat sie sich im Zusammenhang mit ihrem ersten Besuch als Regierungschefin in Washington vor einigen Wochen standhaft geweigert, dort den Ausstieg zu verkünden, weil das in Peking als klare Provokation aufgefasst worden wäre. Sie soll aber dem US-Präsidenten Joe Biden einen entsprechenden Beschluss versprochen haben, was zu der überraschend wohlwollenden Aufnahme der rechten Regierungschefin selbst im Lager der Demokraten beigetragen hat.

Die römische Regierung tastet sich weiterhin vorsichtig voran. Gerade erst war Außenminister Antonio Tajani, der die Partei des verstorbenen ehemaligen Premiers Silvio Berlusconi führt, in Peking, weitere Ministerinnen und Minister haben sich angekündigt. Auch Staatspräsident Sergio Mattarella will nach China reisen, und als Schlusspunkt wird um die Jahreswende Meloni selbst erwartet. Sie hat zuletzt beim G-20-Treffen in der vergangenen Woche in Indien intensiv mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang geredet. Dabei wurde die Seidenstraßenkooperation offen angesprochen, auch die Einschätzung Italiens, dass die Zusammenarbeit für Italien wirtschaftlich weniger gebracht habe als erwartet. Peking widerspricht, verweist auf wachsende Handelszahlen.

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Man kann annehmen, dass Peking weiß und sich damit abfindet, dass Italien aussteigen will. Gleichwohl wäre es ein empfindlicher Prestigeschaden, ist Italien doch ein wichtiger Teil der westlichen Staatengemeinschaft. Rom hat aber offenbar versprochen, dafür andere Kontakte zu pflegen. So soll es die Aktivierung eines alten bilateralen Kooperationsabkommens ins Spiel gebracht haben, das Ministerpräsident Berlusconi 2004 abgeschlossen hat. Auch hat Meloni wohl in Washington und Brüssel sondiert, ob mögliche Nachteile für die italienische Wirtschaft von den westlichen Partnern abgefangen werden würden.

Ob das alles reicht, um ohne größeren Schaden aus der Liaison zu kommen, die Conte einst eingefädelt hat, ist noch offen. Dabei spielt vermutlich auch eine Rolle, ob sich die römische Regierung in Zukunft offener bei chinesischen Investitionen in sensible Branchen zeigt. Zuletzt hatte Rom - auch hier im Einklang mit westlichen Partnern - Härte gezeigt und beispielsweise die weitgehende Übernahme der Macht beim Reifenhersteller Pirelli verhindert, die wegen der engen datenmäßigen Verknüpfung mit der Autoproduktion als heikel galt.

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