Abstimmungen in der Schweiz:Frauen müssen länger arbeiten

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Bislang durften Frauen in der Schweiz mit 64 in Rente gehen, das soll sich jetzt ändern. (Foto: Manuel Geisser/imago)

Nur 0,57 Prozent Vorsprung: Äußerst knapp nimmt die Schweizer Bevölkerung eine umstrittene Rentenreform an. Nein sagt sie dagegen zu einer Initiative, die in der Landwirtschaft flächendeckend Bio-Standards einführen wollte.

Von Isabel Pfaff, Bern

Vier Mal im Jahr geben Schweizerinnen und Schweizer ihre Stimme ab zu politischen Fragen auf kommunaler, kantonaler und Bundesebene. Am Sonntag war Abstimmungstag Nummer drei - und er endete mit einer Zitterpartie.

Zur Abstimmung standen auf Bundesebene insgesamt vier Vorlagen. Erstens die Massentierhaltungsinitiative, die Bio-Standards für die gesamte Schweizer Landwirtschaft einführen wollte. Diese von Tierschützern eingebrachte Volksinitiative, für die es in Umfragen im August gar nicht einmal schlecht aussah, scheiterte am Sonntag überraschend deutlich: 62,86 Prozent der Bevölkerung lehnt es ab, die Würde von Nutztieren in der Verfassung zu verankern und entsprechend den Tierschutz zu verschärfen. Damit ist ein weiterer Versuch gescheitert, die hoch subventionierte Schweizer Landwirtschaft ökologischer zu gestalten. Schon im vergangenen Sommer sagte das Volk nein zu zwei Initiativen, die den Pestizideinsatz im Land verbieten beziehungsweise reduzieren wollten.

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Das zweite Referendum drehte sich um die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer. Das Parlament hatte diese Steuerreform bereits abgesegnet, die Schluss machen sollte mit der relativ hohen Steuer auf Zinsen von neuen Schweizer Obligationen. Doch linke Kreise erzwangen dazu eine Volksabstimmung. Am Sonntag zeigte sich, dass die holprige Kampagne der Befürworter eine knappe Mehrheit der Bevölkerung nicht überzeugen konnte: 52,01 Prozent sprachen sich gegen die Reform aus und stoppten damit den Plan des Finanzministers und der Bürgerlichen im Parlament. Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Bevölkerung Steuersenkungsplänen eine Abfuhr erteilt: Im Februar lehnte eine Mehrheit bereits die Abschaffung der Emissionsabgabe ab.

Das zusätzliche Arbeitsjahr soll die Rentenkasse bis 2030 stabilisieren

Die letzten beiden Vorlagen betrafen die Rentenreform namens "AHV 21", auf die sich Regierung und Parlament nach jahrelangem Ringen geeinigt hatten. Die Reform versucht die Finanzierungsprobleme der staatlichen Altersvorsorge zu lösen, die in der Schweiz "Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung" (AHV) heißt. Das Reformprojekt besteht aus zwei Elementen: der Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV und der Vereinheitlichung des Rentenalters beider Geschlechter. Bislang durften Frauen in der Schweiz mit 64, Männer erst mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen. Das zusätzliche Arbeitsjahr für Frauen soll schrittweise eingeführt werden und zusammen mit der erhöhten Mehrwertsteuer die staatliche Rentenkasse bis 2030 stabilisieren. Die Bevölkerung stimmte getrennt über die beiden Elemente ab, aber die Vorlagen waren verknüpft: Wäre nur eine angenommen worden, wären beide durchgefallen.

Was die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft, zeigte sich am Sonntag rasch ein klares Bild, 55,07 Prozent der Bevölkerung stimmten dafür. Historisch knapp dagegen fiel das Votum zum Frauenrentenalter aus: Mit 50,57 Prozent der Stimmen siegten letztlich die Befürworter der Vereinheitlichung und machten damit den Weg für die gesamte Reform frei - die erste geglückte seit 1997.

Die Tatsache, dass die AHV-Probleme vorrangig auf Kosten der Frauen behoben werden sollen, hatte die Schweizer Politik schon im Vorfeld tief gespalten. Insbesondere linke Kreise wie die Sozialdemokraten (SP), die Grünen und viele Gewerkschaften hatten diesen Reformschritt heftig bekämpft und angesichts des sonstigen Gleichstellungsrückstands als unfair kritisiert. Anstelle von Rentenalterserhöhungen schlagen sie vor, die Einnahmen der Schweizer Nationalbank aus den Negativzinsen in die AHV zu stecken.

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