Rudolf Dreßler über Donald Trump:"Wer im Nahen Osten glaubt, spielen zu können, reitet auf einer Rasierklinge"

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Ex-Botschafter Rudolf Dreßler (Archiv von 2014): (Foto: imago/Müller-Stauffenberg)

Rudolf Dreßler, Deutschlands Ex-Botschafter in Israel, hält Trumps Entscheidung, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, für brandgefährlich. Für den SPD-Mann gibt es keinen verlässlichen Partner mehr in Washington.

Interview von Lars Langenau

Rudolf Dreßler, 77, saß für die SPD von 1980 bis 2000 im Bundestag, war 19 Jahre für die Israelpolitik der Partei verantwortlich - und von 2000 bis 2005 deutscher Botschafter in Israel. Bis heute hält er Kontakt zu vielen Menschen dort und fragt sich noch immer, ob die Bemühungen um Frieden im Nahen Osten eine "Never Ending Story" bleibt.

SZ: US-Präsident Donald Trump will die Botschaft seines Landes von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Was bezweckt er damit?

Rudolf Dreßler: Trump ist ein Spieler. Aber wer im Nahen Osten glaubt, spielen zu können, reitet auf einer Rasierklinge. Der US-Präsident scheint aus seinem sehr eingeengten Blickwinkel wirklich zu glauben, mit diesem Schritt das Spielfeld erweitern zu können. Gerade das macht diese Entscheidung so dramatisch.

Welchen Schritt hat Trump eigentlich genau gesetzt?

Er verfolgt einen Beschluss nicht weiter, der seit Jahrzehnten Usus ist: Er blockiert ein amerikanisches Gesetz, das Jerusalem als Hauptstadt anerkennt, nicht länger, wie es seine Vorgänger alle sechs Monate gemacht haben. Dadurch ist es nun erstmals wirksam geworden.

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Dadurch würde auch die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Wann wird das passieren?

Dieses Gesetz hat keine Zeitvorgaben und ist damit weiteren Spielereien Trumps unterworfen. So ein Umzug ist ja auch mehr als die Verlegung eines Würstchenstandes von einer in die andere Stadt - und kann Jahre dauern. Doch die aktuelle Entscheidung bedeutet Sprengstoff.

Israels Regierungen haben Jerusalem doch schon immer als ungeteilte Hauptstadt bezeichnet. Auch die Knesset hat dort ihren Sitz. Was also ist neu?

Dass ihre wichtigste Schutzmacht, die Amerikaner, bislang immer berücksichtigt haben, dass auch die Palästinenser einen Anspruch erheben - nämlich auf Ost-Jerusalem als künftige Hauptstadt eines noch zu bildenden Palästinenserstaates. Die israelischen Regierungen haben diesen Anspruch schon durch den Bau von Häusern und Siedlungen ignoriert, um ihre eigene Position zu festigen. Weder die Europäische Union noch die Russen, die Chinesen und bislang auch die Amerikaner haben das anerkannt.

Warum nicht?

Weil man die Klärung des künftigen Status von Jerusalem immer einem künftigen Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern überlassen wollte.

Der aber nicht in Sicht ist.

Nicht einmal Gespräche zwischen beiden Seiten erscheinen momentan realistisch. Trotzdem ist die Provokation, die dieser Schritt bedeutet, ein entscheidender politischer Angriff auf alle arabischen Staaten.

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Wie werden die direkten Nachbarn Jordanien oder Ägypten reagieren?

Trotz aller Gewalt, die sich zwischen Israel und diesen Ländern in der Geschichte abgespielt hat, waren diese Länder in jüngster Vergangenheit daran interessiert, es nicht zu einer weiteren Eskalation kommen zu lassen. Diese amerikanische Entscheidung wird aber eine solch starke Signalwirkung der Konfrontation mit der muslimischen Welt haben, dass sich sogar Saudi-Arabien gegen die Vereinigten Staaten solidarisieren wird. Die USA haben sich damit, wie es Außenminister Sigmar Gabriel schon formuliert hat, von der Position als weltweiter Garant der westlichen Werte zurückgezogen. Um es noch klarer zu sagen: Wir haben nicht nur keinen Partner mehr in Washington, wir haben dort nun sogar einen Gegner. Weltpolitisch kann sich das zu einer Katastrophe entwickeln. Ich glaube übrigens auch, dass wer immer Gabriel im Amt nachfolgt, sich keiner Politik unter Trump anbiedern wird.

Welche Länder werden den USA auf diesem Weg folgen?

Ich glaube aus meiner Erfahrung als Botschafter, dass das niemand machen wird. Weder die EU, noch die Russen und Chinesen. Selbst die Briten nicht, die sind zu sehr mit dem Brexit beschäftigt.

Was ist mit der Türkei?

Die türkische Regierung hat auch schon gesagt, dass damit eine rote Linie überschritten ist. Trump schert sich einen Scheißdreck um die internationale Lage und spielt sein Spiel. Es interessiert ihn einfach nicht - und genau das macht diesen Mann so gefährlich. Die jüngsten Äußerungen von Außenminister Gabriel befürworte ich, aber sie sind völlig neu in der Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA. Sie bedeuten: Es gibt keinen verlässlichen Partner mehr in Washington.

Könnte man die Entscheidung von Trump nicht auch positiv sehen? In dem Sinne, dass vielleicht endlich Bewegung in den völlig festgefahrenen Friedensprozess kommt?

Sicher kommt da Bewegung rein, aber in eine brandgefährliche Richtung. Es gibt ja in der palästinensischen Autonomiebehörde ganz klar Kräfte, die an der Inszenierung einer dritten Intifada interessiert sind. Aus deren Sicht gibt es gar keine Alternative zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einer nicht vorhersehbaren Anzahl von Toten auf beiden Seiten. Betroffen sein werden nicht nur Soldaten, sondern vor allem Zivilisten.

Die Verhältnisse sind für Palästinenser in Israel jetzt schon schlimm. In Jerusalem trennt eine massive Mauer den Westen vom Osten.

Ein Deutscher, der diese Mauer sieht, hat natürlich Assoziationen mit der Mauer zwischen Ost- und Westberlin. Obwohl die Sperre in Jerusalem nur zu zehn Prozent eine Mauer ist und der Rest aus Stacheldraht besteht, läuft es einem dabei kalt den Rücken runter. Die Israelis haben aber auch immer gesagt, dass sie die Sperren wieder abbauen, wenn ein Friedensvertrag die Gewalt beendet.

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Allerdings haben die Sperreinrichtungen Gewalt durch palästinensische Extremisten tatsächlich verhindert.

Das ist auch die israelische Rechtfertigung dafür und das ist auch unwiderlegbar: Terror und Morde verringerten sich nach dem Bau um bis zu 90 Prozent.

Was glauben Sie, was Trump durch seinen Schritt gewinnen kann?

Nichts. Weder ökonomisch noch machtpolitisch. Er will den Weg gehen, den er in seinem Wirtschaftsimperium auch gegangen ist: Er bestimmt und alle marschieren. Trump denkt, so funktioniere auch Politik. Vielleicht mag das im amerikanischen Senat noch so lange der Fall sein, bis die Wahl der Senatoren alle zwei Jahre neue Niederlagen provoziert. Dann wird auch die Gegnerschaft innerhalb der Republikaner stärker - und ihn möglichweise überrollen. Aber bis dahin wird er so weitermachen, und damit die USA außenpolitisch isolieren. Schon allein durch diese eine Entscheidung wird er in der gesamten arabischen Welt Gewalt provozieren. Der gesunde Menschenverstand sagt eigentlich schon, dass dieser Mann zum Arzt gehört, aber nicht ins Weiße Haus.

Noch mal: Warum tut er das dann?

Ich vermute, um die Beziehung zu Benjamin Netanjahu aufzumöbeln. Dieser Schritt der Verlegung der Botschaft kommt dem israelischen Ministerpräsident sehr entgegen.

Ich bin jetzt 48 Jahre alt. Werden Sie und ich noch einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern erleben?

Ich sowieso nicht mehr, aber Ihnen kann ich auch keine große Hoffnungen machen.

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