Regierungsklausur in Meseberg:"Wir haben die Situation gut gemeistert"

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Wirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Statement vor Schloss Meseburg. (Foto: REUTERS)

Die Bundesregierung steht wegen der Energiekrise unter Erfolgsdruck. Bei einer Klausur in Brandenburg will sie ein Entlastungspaket beschließen, doch noch sind die drei Partner uneins.

Von Tobias Bug und Oliver Klasen

Zwei Tage beraten Olaf Scholz und die Ministerinnen und Minister auf Schloss Meseberg, jenem 1739 vollendeten brandenburgischen Barockschloss, das der Regierung als Gästehaus dient. Die Ampel geht in Klausur, das zweite Mal seit ihrem Amtsantritt bereits, und, so viel steht fest, der optische Hintergrund der Pressestatements wird pittoresker erscheinen als sonst im grauen Berliner Alltag.

Ein Wohlfühltreffen ist es aber keineswegs. Die Regierung steht stark unter Druck, endlich zu liefern. Besonders dringend gebraucht wird ein Durchbruch, was die Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen angeht, die besonders unter den exorbitant steigenden Energiepreisen leiden.

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Scholz hat am Dienstag vor Beginn der Beratungen versprochen, dass es in Meseberg dazu schnell eine Entscheidung geben werde. Es gehe darum, ein "möglichst maßgeschneidertes, möglichst effizientes, möglichst zielgenaues Entlastungspaket" auf den Weg zu bringen. Allein: Ähnliches sagt er schon länger - und bisher ist die Regierung vor allem zerstritten. Vorschläge, die aus den Reihen von SPD und Grünen kommen, lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) ab - und umgekehrt. Die Partner hacken per Interview-Äußerungen aufeinander ein. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht wegen der in seinem Ministerium unter großer Eile und nach Meinung vieler Kritiker mit handwerklichen Fehlern gestalteten Gasumlage besonders unter Druck. Zwar hat Habeck schon Nachbesserungen zugesagt, doch das lässt die Kritik bisher nicht verstummen.

Habeck sagte in seinem Statement nach dem ersten Tag der Klausur: "Wir haben Situationen antizipiert und uns darauf konsequent vorbereitet. Und deswegen stehen wir jetzt in einer schwierigen Situation so da, dass wir sagen können, wir haben die Situation gut gemeistert." Dann zählte der Minister die getroffenen Maßnahmen auf. Die Bundesregierung habe schon im Dezember und Januar, also vor Kriegsbeginn, Schiffe und Terminals für LNG-Gas bestellt. Die Gasspeicher seien zu 83 Prozent gefüllt, der Anteil an russischem Gas sei durch neue Lieferverträge deutlich zurückgegangen. Auch sei über den Sommer schon deutlich Energie eingespart worden, hauptsächlich in der Industrie. "Das alles gibt uns keine Garantie, dass wir in dieser Situation heile und unbeschadet als Volkswirtschaft über den Winter kommen", aber man sehe, welche Maßnahmen schon getroffen worden seien, um die Situation beherrschbar zu machen. Dazu gehörten Maßnahmen, so Habeck, die sich Regierungen in den vergangenen Jahren nicht getraut hätten.

Zuvor aber hatte am frühen Nachmittag zunächst der Kanzler seinen Auftritt mit einem ausländischen Gast, dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez. Der ist - neben Industriepräsident Siegfried Russwurm und Andrea Nahles, der Chefin der Bundesagentur für Arbeit (und früheren Arbeitsministerin und SPD-Chefin) nach Meseberg eingeladen worden, um mit den Regierungsmitgliedern zu diskutieren. Auch in den Gesprächen mit Russwurm, Nahles und Sanchez überlagerte das eine große Thema - der russische Angriffskrieg und seine Folgen - alles andere.

"Wir haben miteinander über unsere nationale Sicherheitsstrategie diskutiert", sagt Scholz. Putin habe den Krieg nach Europa zurückgebracht. Der Kanzler schlägt den Bogen zu der europapolitischen Grundsatzrede, die er am Montag an der Karls-Universität in Prag gehalten hat. Scholz fordert in der EU eine deutlich engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik. Darüber habe er auch mit Sanchez gesprochen.

Zur Sicherheitsstrategie äußern sich später im Garten des Schlosses auch die Ministerinnen Annalena Baerbock (Grüne) sowie Nancy Faeser und Christine Lambrecht (beide SPD). Aus den Ausführungen der drei Politikerinnen wird deutlich, dass die Bundesregierung angesichts des Krieges in der Ukraine Sicherheit viel breiter definiert als das früher üblich war. Positive Signale an die Bevölkerung, die die Ampel aus ihrer derzeitigen Krise führen, ergeben sich daraus aber logischerweise nicht.

Ein Schwerpunkt der Beratungen in Meseberg ist die Frage, wie man Russlands Machthaber Putin entgegentreten kann, insbesondere bei dessen Versuch, die EU mit Hilfe der Energiepolitik zu spalten. "Europa hat mit großer Einigkeit geantwortet", sagt Spaniens Regierungschef Sanchez. Diesen Weg werde man weitergehen.

Beraten haben der deutsche Bundeskanzler und der spanische Regierungschef, beides Sozialdemokraten übrigens, auch über die Möglichkeiten, eine Pipeline zwischen Spanien und Frankreich zu bauen, um Zentraleuropa besser mit Gas aus dem Süden versorgen zu können. Von der spanischen Regierung hieß es kürzlich, eine solche Pipeline ließe sich in zehn bis zwölf Monaten errichten. Das Projekt war vor Jahren verworfen worden, auch deshalb, weil Deutschland auf billiges Gas aus Russland setzte. Scholz betont die Wichtigkeit, Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze in Europa auszubauen, um unabhängig von Russland zu werden. Sanchez erklärt, Spanien könne 30 Prozent des Flüssiggas-Bedarfs der EU decken, wenn sein Land und Portugal an das europäische Gasnetz angebunden würden. Wenn dies nicht über Frankreich möglich sei, müsse man den Weg einer Pipelineanbindung über Italien wählen, so der spanische Regierungschef.

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