Neue Gewalt:Wie Hass und Hetze Politiker verändern

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Teilnehmer der rechtspopulistischen Demonstration "Tag der Nation" ziehen mit einer Deutschlandfahne durch Berlin. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ehrverletzende Briefe, verbale Aggressionen, sexistische Gewaltandrohungen, all das ist Teil des Alltags von Politikern geworden. Wie verändert das einen? Die SZ hat mit sieben Betroffenen gesprochen - über Hass, Angst und Mut.

Von Stefan Braun, Michael Bauchmüller, Constanze von Bullion, Robert Roßmann und Jens Schneider, Berlin

Die jüngste Drohung hat Claudia Roth Mitte Januar getroffen. Dieses Mal kamen ihre Gegner in den Wahlkreis und waren besonders perfide. Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung hatten vor Roths Augsburger Büro eine Art Tatort errichtet. Sie hatten alles so drapiert, dass es wie die Vorbereitung eines Angriffs mit Hilfe von Molotowcocktails aussah. So real wie möglich sollte alles wirken. Inklusive der Flasche, die wie ein Molotowcocktail aussah. Als die Polizei kam, fand sie in der Flasche kein Benzin, sondern Wasser. Und stellte trocken fest, dass die Sache strafrechtlich nicht relevant sei und also auch nicht verfolgbar.

Eine Aktion hier, eine Provokation dort, dazu verbale Schmähungen auf allen Kanälen. Zum Alltag von Politikern wie Claudia Roth gehören nicht mehr nur Vorträge, Talkshows und Wahlkampfauftritte, sondern auch verbale Attacken und reale Ängste. Roth hat dabei nur einen Trost: Sie hat sich inzwischen gegen diese Art der Bedrohung eine dickere Haut zulegen können, weil sie schon seit Jahren mit alldem konfrontiert ist.

Aber auch für viele andere Politiker sind ehrverletzende Briefe, verbale Aggressionen, sexistische Gewaltandrohungen plötzlich Teil des Alltags geworden. Abgeordnete, die neu im Bundestag sind, treffen die Anwürfe härter, weil sie diesen Teil der politischen Auseinandersetzung bisher schlicht nicht kannten. Und Frauen trifft es dabei wegen der vielen sexistischen Beleidigungen besonders.

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Immer häufiger prüfen Sicherheitsbehörden, ob polizeilicher Schutz angeraten sein könnte. Die zuständigen Behörden geben darüber kaum Auskunft, eines ist trotzdem gewiss: Die Zahl der Bedrohungen und der Einsätze haben zugenommen.

Glaubt man den Eindrücken, die Roth und andere schildern, dann verändert diese Verrohung mittlerweile die Arbeit der Betroffenen. Sie wollen - noch - nicht von Selbstzensur sprechen. Aber viele bestätigen, dass sie Worte stärker wägen, weil sie sich nicht gleich die nächste Welle an Hass und Hetze einhandeln möchten.

Andere erzählen von den Veränderungen in ihrem Leben, wollen aber auf keinen Fall davon lesen. Es sind Geschichten von Morddrohungen, von Polizeiautos vor dem Haus, von Gesprächen mit der Schulleitung: aus Sorge um die Sicherheit der Kinder. Die Bedroher bleiben anonym. Die Bedrohten aber sind Personen des öffentlichen Lebens. Und es sind längst nicht nur Mandatsträger.

Oft kommt die Gewalt im Netz von rechts. Doch auch die AfD wird von der neuen Aggression nicht verschont; zuletzt musste das der Bremer Landeschef Frank Magnitz erleben. Nach dem Angriff auf den Landespolitiker beklagte Parteichef Alexander Gauland prompt ein verändertes gesellschaftliches Klima, in dem so etwas gedeihen könne. Ohne freilich daran zu erinnern, welche Aggressivität innerhalb und außerhalb des Parlaments gerade von seinen eigenen Reihen ausgeht. Manch einer hält die AfD gar für eine Wurzel der Verrohung - jedenfalls jener im politischen Raum.

Die SZ hat mit Politikerinnen und Politikern gesprochen, bekannten und weniger bekannten. Sie stammen aus verschiedenen Parteien, sie vertreten keineswegs immer die gleiche Meinung. Eines aber ist allen gemein: dass sie digital wie analog deutlich mehr Hass und Hetze erleben.

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