Deutsch-polnisches Verhältnis:An einem Strang

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Donald Tusk auf dem Weg zur Parlamentssitzung am Dienstag. (Foto: Omar Marques/Getty Images)

EU-Erweiterung, Hilfe für die Ukraine, Grenzkontrollen: Mit einem Ministerpräsidenten Tusk kann Berlin auf eine deutlich bessere Zusammenarbeit mit Warschau hoffen. Allerdings ist die neue Regierung innenpolitischen Zwängen unterworfen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Der diplomatische Kalender dieser Tage hat im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen einen großen Vorteil: Bundeskanzler Olaf Scholz wird den neuen Premier Donald Tusk noch in dieser Woche treffen, unabhängig davon, ob sich ein Antrittsbesuch vor Weihnachten einrichten lässt. In Brüssel kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu ihrem letzten Gipfeltreffen in diesem Jahr zusammen - auch ein bilaterales Gespräch wäre möglich.

Offiziell wollte sich die Bundesregierung vor der Bestätigung Tusks im Parlament nicht äußern, allerdings ist es kein Geheimnis, dass man sich in Berlin eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen in vielen Bereichen erhofft. Tusk hat bereits eine gute Zusammenarbeit seines Landes mit der EU angekündigt und eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit - der Mann war EU-Ratspräsident, und an seiner proeuropäischen Gesinnung hegt niemand in Berlin Zweifel.

Dagegen waren die Beziehungen zur Vorgängerregierung unter der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jarosław Kaczyński angespannt, auch wenn die Bundesregierung bemüht war, das Verhältnis zu dem nach Frankreich wichtigsten Nachbarn ungeachtet aller Attacken aus Warschau zu pflegen. So hatte Berlin etwa Patriot-Flugabwehrbatterien der Bundeswehr in Polen stationiert, nachdem eine fehlgegangene Rakete aus der Ukraine Sorgen über eine Ausweitung des Krieges befeuert hatte.

Allerdings macht sich in Berlin niemand Illusionen: Auch Tusk ist innenpolitischen Zwängen unterworfen. Das Verfassungsgericht, längst von PiS-treuen Richtern dominiert, entschied gerade erst, dass Teile des EU-Vertrags und des Statuts des Europäischen Gerichtshofs nicht mit Polens Verfassung vereinbar seien. Bei der Migration wird man auch weiter nicht einer Meinung sein. Beide Seiten aber wollen Themen identifizieren, bei denen man am selben Strang zieht, etwa die EU-Erweiterung, die maßgeblich von der Bundesregierung vorangetrieben wird, ebenso wie die Unterstützung der Ukraine. Seit Deutschland hier nach den USA eine führende Rolle einnimmt, ist ein wichtiger Grund für Kritik aus Warschau hinfällig.

Es gibt viel Raum für Verbesserungen

Das lange Zeit sehr enge Verhältnis Deutschlands zu Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin hatte nicht zuletzt der designierte Außenminister Radosław Sikorski scharf kritisiert. Ein Telefonat mit seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock, die derzeit in Dubai auf der Klimakonferenz verhandelt, ist für diesen Mittwoch geplant. Beide stehen für ein enges transatlantisches Verhältnis und vehemente Unterstützung von Kiews Abwehrkampf gegen die russische Aggression.

Baerbock ist das Verhältnis zu Polen wichtig, sie ließ stoisch die Belehrungen ihres Kollegen Zbigniew Rau über sich ergehen, reiste vor einem Jahr am 3. Oktober nach Warschau, auch wenn Polen tags zuvor eine Verbalnote mit der Berechnung von Reparationsforderungen übergeben hatte. Auch bilateral gibt es viel Raum für Verbesserung, von den Grenzkontrollen auf deutscher Seite über die Zusammenarbeit beim Schutz der Oder bis zum Austausch der Zivilgesellschaften, etwa durch ein neues Goethe-Institut.

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