CSU:Ramsauers empörende Worte

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Spitzname "Ramses": Peter Ramsauer war einst als Chef der CSU-Landesgruppe und später als Bundesverkehrsminister einer der einflussreichsten Politiker seiner Partei. (Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA)

Der frühere Verkehrsminister vergleicht Flüchtlinge mit "Ungeziefer" und erntet heftige Kritik. In der Union könnte aber vor allem seine Abrechnung mit Angela Merkel neue Unruhe auslösen.

Von Peter Fahrenholz, München

Als Helmut Schmidt schon längst nicht mehr Bundeskanzler war, hat er von sich gelegentlich als "Has Been" gesprochen, einem Mann der Vergangenheit. Das war natürlich ziemlich kokett, denn Schmidt war bis an sein Lebensende eine öffentliche Figur. Man muss aber nicht erst abgetreten sein, um zum "Has Been" zu werden. Manchmal reicht es schon, wenn die eigenen Glanzzeiten schon lange zurückliegen.

So wie bei Peter Ramsauer. Der 69-jährige gelernte Müllermeister und studierte Diplom-Kaufmann war mal eine große Nummer in der CSU. Von 1998 bis 2005 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, danach bis 2009 CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, während der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 Bundesverkehrsminister. Und von 2008 bis 2015 war Ramsauer einer von vier stellvertretenden CSU-Vorsitzenden.

Lange war es still um ihn geworden. Das ist vorbei

Alles ziemlich lange her, anders als andere Altvordere, die sich gelegentlich zu Wort melden, war es um Ramsauer still geworden. Damit ist es jetzt fürs Erste vorbei. Mit seinem Interview für das Magazin Mittelstand Digital des nordrhein-westfälischen Bundes der Selbständigen hat Ramsauer einerseits helle Empörung ausgelöst, andererseits hat er damit innerhalb der Union auf ungewöhnlich rüde Weise eine Diskussion angezettelt, die bisher sorgsam unter der Decke gehalten wurde: eine kritische Bewertung der Ära Merkel nach all den Schalmeienklängen während ihrer Kanzlerinnenjahre.

Was die Empörung anlangt, ist Ramsauer schnell zurückgerudert. Dass sie über ihn hereingebrochen ist, darf ihn allerdings nicht wundern. In der ersten Version seines Interviews hatte Ramsauer ein Zitat des früheren chinesischen Machthabers Deng Xiaoping ("Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein") mit der Einwanderungspolitik verknüpft und davor gewarnt, neben Fachkräften auch "x-beliebige Wirtschaftsflüchtlinge" mit ins Land zu holen.

Flüchtlinge mit Ungeziefer zu assoziieren, wäre selbst im AfD-Kosmos eine Entgleisung der schlimmeren Sorte. Ramsauer versuchte umgehend, sich zu berichtigen: Das Deng-Xiaoping-Zitat sei während des Interviews im Zusammenhang mit den Mängeln des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gefallen und nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen. Das Zitat wurde dann sehr schnell aus dem Interview entfernt.

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Die AfD müsse "Merkel ein Denkmal setzen", sagt der CSU-Mann

In vollem Umfang stehen geblieben ist dagegen Ramsauers schonungslose Abrechnung mit Angela Merkel, die in dieser Form noch kein prominenter Unionspolitiker gewagt hat. Ohne das Ungeziefer-Zitat würde Ramsauers Merkel-Bashing vermutlich die Schlagzeilen beherrschen. Für Ramsauer gehört sowohl der Atomausstieg wie auch die Flüchtlingspolitik "zu den katastrophalsten politischen Fehlern der damaligen Bundeskanzlerin". Er sage den AfD-Abgeordneten immer, dass sie "Merkel ein Denkmal setzen müssten, weil die AfD ihre parlamentarische Existenz ausschließlich der Politik von Angela Merkel zu verdanken hat", so Ramsauer in dem Interview.

Wie andere Unionspolitiker auch forderte Ramsauer, die Zuwanderung bereits an den Außengrenzen stark zu beschränken. Die Gemeinden in Deutschland seien mit der Aufnahme von Flüchtlingen längst überfordert. Ramsauer machte dafür Merkel ganz persönlich verantwortlich. "Diese unselige Entwicklung in Deutschland haben wir ausschließlich Angela Merkel zu verdanken", sagte er.

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Ramsauer, den der ehemalige CSU-Chef Horst Seehofer - nicht gerade sein innigster Freund - mal als den "schönsten Politiker Deutschlands" bezeichnet hatte, hat es auch in seinen aktiven Zeiten gerne mal krachen lassen. Etwa, als er die von der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen eingeführten Elternmonate für Väter als "Wickelvolontariat" bezeichnete. Dafür hat ihm die eigene Ehefrau gehörig der Kopf gewaschen, wie er später freimütig bekannte.

Abgesehen von seiner politischen Raubauzigkeit war "Ramses", wie er in der CSU genannt wurde, aber zugleich ein Freund gepflegter Umgangsformen. Ramsauer kann ausgezeichnet Klavier spielen und hat vor Jahren mal eine CD mit klassischer Musik vorgestellt - mit sich selbst am Klavier. Beim Abschiedsbesuch von Edmund Stoiber in Russland 2007 hat Ramsauer, der zu Stoibers Reisedelegation gehörte, die mitgereisten Journalisten durch eine geschmeidige Tanzeinlage mit Stoibers Ehefrau Karin beeindruckt.

Was ihn jetzt zu der heftigen Attacke auf Merkel motiviert hat, könnte er nur selbst beantworten. Aber er will nicht. Das Interview sei vier Wochen alt und jetzt plötzlich hochgepoppt, teilt er per SMS mit.

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