Friedensbewegung:Ostermärsche in vielen deutschen Städten

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Menschen nehmen an einem Ostermarsch in Berlin teil (Archivbild). (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die diesjährigen Ostermärsche stehen ganz im Zeichen der Kriege in Nahost und der Ukraine. Während einige mit mehr Teilnehmern als im Vorjahr rechnen, warnt Bundeskanzler Scholz vor einer Sehnsucht nach Frieden um jeden Preis.

Auch in diesem Jahr wollen die Teilnehmer der traditionellen Ostermärsche ein Zeichen für Frieden und gegen Krieg setzen. Hauptaktionstag ist der Karsamstag. Motto der diesjährigen Märsche ist "Jetzt erst recht - gemeinsam für den Frieden". Bei vielen Veranstaltungen werde daher lautstark eine Beendigung der Kampfhandlungen und Friedensverhandlungen im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie im Gaza-Krieg gefordert werden, heißt es auf der Webseite der Organisatoren.

Bundesweit finden an diesem Samstag rund 70 Demonstrationen, Kundgebungen, Fahrradtouren und sonstige Ostermarsch-Aktionen statt. Seit 11 Uhr treffen sich die Teilnehmer in Leipzig unter dem Motto "Leipzig will Frieden". Auch in Ulm begannt um 11 Uhr eine Demonstration durch die Innenstadt. In Weimar startete ebenfalls um 11 Uhr eine Veranstaltung unter dem Motto "Zeigen, wie sich leben lässt".

In München begannt um 11.15 Uhr ein Ostermarsch durch die Innenstadt mit Auftakt- und Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz. Seit 12 Uhr bewegt sich der Ostermarsch in Berlin vom Neptunbrunnen bis zum Kanzleramt unter dem Motto "Jetzt erst recht - Frieden muss verteidigt werden". Die größte Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen findet am Kölner Dom statt. Unter dem Versammlungsmotto "Für eine zivile Zeitenwende - Kriege beenden, Aufrüstung stoppen!" werden vom Veranstalter rund tausend Menschen erwartet. Auch in Heidelberg, Mannheim, Bonn, Stuttgart, Münster, Jena und Potsdam finden Ostermärsche statt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat indes vor einer Sehnsucht nach Frieden um jeden Preis gewarnt. In einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft sagte er: "Wir alle sehnen uns nach einer friedlicheren Welt." Aber Frieden ohne Freiheit heiße Unterdrückung, Frieden ohne Gerechtigkeit gebe es nicht. "Deshalb unterstützen wir die Ukraine in ihrem Kampf für einen gerechten Frieden - solange, wie das nötig ist. Wir tun das auch für uns, für unsere Sicherheit."

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erkannte den Wunsch nach Frieden, erteilte der Hoffnung darauf aber einen Dämpfer. Bereits am Freitagabend veröffentlichte Habeck ein Video zu Ostern auf der Plattform X. Darin sagte er: "Wir sehnen uns nach Frieden. Ja. Aber die ehrliche, die bittere Antwort ist: Es wird vermutlich kein rasches, gutes Ende geben, auch wenn wir uns anderes wünschen." Angesichts der russischen Aggression betonte er: "Wir müssen uns auf die Bedrohungslage einstellen. Alles andere wäre naiv." Deshalb sei Deutschland gut beraten, mehr in die eigene Sicherheit zu investieren. "Wir, Deutschland, die Europäische Union, wir müssen uns schützen rundum, auch vor militärischen Angriffen."

Plattform X

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In Deutschland sei in den letzten Wochen über die Art und den Umfang der Unterstützung für die Ukraine gestritten worden, "teils erbittert und teils auch verletzend", sagte Habeck. "Ich habe mich früh für die Waffenlieferung an die Ukraine ausgesprochen, und ich trete auch jetzt dafür ein, dass wir sie weiter mit mehr und mit weiterem militärischem Material unterstützen." Er habe aber Respekt vor einer Position, die aus prinzipiellen moralischen Gründen oder religiösen Überzeugungen beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine zu einem anderen Schluss komme als er. "Ich verstehe auch nur zu gut, dass Menschen Angst vor einer Eskalation des Krieges haben. Auch ich bin in Sorge."

Außenministerin Annalena Baerbock warnt unterdessen angesichts der traditionellen Ostermärsche vor einseitiger Parteinahme mit Blick auf den Gaza-Krieg. "Menschen in Israel dürfen nicht gegen Menschen in Palästina ausgespielt werden", sagte sie der Funke-Mediengruppe. Menschlichkeit sei unteilbar. "Alles andere ist brandgefährlich". Die Grünen-Politikerin sagte weiter: "Und wir dürfen unseren Wunsch nach Frieden nicht gegen den Frieden in der Ukraine ausspielen. Auch hier gilt: Das ist kein 'Aber', sondern ein 'Und'."

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schrieb am Freitag in einer Mail an seine Anhänger, die Friedenssehnsucht vieler Menschen im Land dürfte in diesem Jahr besonders ausgeprägt sein. Für den Frieden zu demonstrieren, sei alles andere als verwerflich. Aber über die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden müsse man schon noch sprechen. "Und da ist Friedfertigkeit allein keine ausreichende Antwort." Es wäre laut Merz sehr zu wünschen, wenn sich die Ostermarschierer in diesem Jahr vor allem an Putin richteten und ihn aufforderten, den Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort zu beenden.

Ostermärsche sind Friedensappell an die Politik

Mit mehr Teilnehmern als im vergangenen Jahr rechnet der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan. "Der Wunsch nach Frieden wird nun an Ostern stärker mobilisieren als noch vor einem Jahr", sagte er der Düsseldorfer Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger. Es gebe in der Gesellschaft eine große Unsicherheit: "Die Menschen haben Angst vor der Zukunft. Krieg macht mürbe." Er wünsche sich, dass möglichst viele Menschen auf die Straße gehen und ein kraftvolles Zeichen für Frieden und gegen Krieg setzen: "Wir brauchen eine Politik in Deutschland und Europa, die dafür sorgt, dass in der Ukraine wieder Frieden herrscht und nicht das Recht des Stärkeren."

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, nannte die Ostermärsche einen klaren Friedensappell an die Politik. Angesichts der verstärkten russischen Angriffe in der Ukraine sei es "noch viel dringender zu schauen, wie kommt man aus diesen Kampfhandlungen raus, damit es nicht zum Desaster kommt", sagte Kramer am Donnerstag im Radiosender Bayern2. Er wies den Vorwurf zurück, die Friedensbewegung sei naiv, und fragte: "Wie naiv ist es, auf Waffengewalt als Beendigung eines solchen Krieges zu setzen?" Sein Appell laute: "Wir müssen friedenstüchtig werden!"

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