Europawahl:Die Sozialdemokraten machen sich Mut

Lesezeit: 3 Min.

Spitzenkandidat Nicolas Schmit (li.) jubelt in Rom neben der Vorsitzenden des italienischen PD, Elly Schlein, Kanzler Olaf Scholz und dem Chef der europäischen Sozialdemokraten, Stefan Löfven. (Foto: Andreas Solaro/AFP)

Europas zweitgrößte Parteienfamilie formiert sich für die Wahlen zum EU-Parlament und stellt ihren Spitzenkandidaten auf. Mit dabei ist auch Olaf Scholz, der aber zwischendurch einen wichtigeren Termin hat.

Von Marc Beise, Rom

Sie sei nicht mit nostalgischen Gefühlen nach Rom gekommen, rief eine Rednerin des Wahlparteitages der europäischen Sozialdemokraten in den Saal des Roma Convention Center im Süden der italienischen Hauptstadt. Aber die Choreografie des Kongresses sprach eine andere Sprache. Zwar ging es um die Zukunft Europas, um eine soziale und nachhaltige Politik, für die die Sozialdemokraten beanspruchen, die besseren Rezepte zu haben, und es ging um eine harte Abgrenzung gegen rechts. Aber auf der Bühne wurde verdächtig oft die große Vergangenheit zitiert, Willy Brandt, Olof Palme, Bruno Kreisky. Ein Einspieler erinnerte an die Toten des vergangenen Jahres, darunter der große Europäer Jacques Delors, auch er ein Sozialdemokrat.

Und verdächtig oft wurde Sardinien bejubelt, wo die vereinigte Linke gerade der Rechtskoalition von Giorgia Meloni eine Niederlage zugefügt hat. Eine Regionalwahl nur, eine von 20 in Italien, und denkbar knapp, aber immerhin: Die italienische Linke kann wieder siegen, das sollte die Botschaft auch für die Wahl zum Europäischen Parlament im Juni sein. In Rom kürten die Sozialdemokraten am Samstag ihren Spitzenkandidaten: den 70-jährigen Nicolas Schmit, hauptberuflich EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. Schmit kommt aus dem kleinen EU-Land Luxemburg, auch dort war er bereits Arbeitsminister, in der Öffentlichkeit ist er kaum bekannt.

Realistische Chancen, von der Leyen zu besiegen, hat Schmit sicher nicht

Schmit schlug in Rom viel Sympathie entgegen, er wurde als Sozialdemokrat aus reinem Holz geschildert und als besonders kompetent auf dem Feld, mit dem die Partei punkten will: den Menschen und ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Der Unterschied zu anderen Parteien ist augenfällig, die für die Spitzenkandidatur bewusst prominente oder charismatische Personen auswählen. So wird die größte Gruppierung, die Europäische Volkspartei (EVP), Mitte dieser Woche in Bukarest Schmits Chefin, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, auf den Schild heben. Sie hat Chancen, erneut die Kommission anzuführen, Schmit hat das sicher nicht.

Andere Redner, häufig Frauen, gewannen den Saal durch begeisternde Auftritte für sich, Schmit blieb im Vergleich farblos. Seine Rede war sachlich und kenntnisreich, nur gelegentlich kämpferisch. Jubel brandete allerdings immer nur dann auf, wenn er auf Italien rekurrierte und den Kampf der Genossen hier gegen die Ultrarechten in der Regierung.

Die Rednerabfolge ergab, dass nach Schmit Bundeskanzler Olaf Scholz ans Mikrofon durfte, der wie andere Regierungschefs auch nach Rom gekommen war. Bei Scholz nun wurde es noch ruhiger im Saal. Neben programmatischen Ansagen zu einem sozial gerechten Europa widmete sich der Kanzler ausführlich der Außenpolitik. Er sprach sich erneut dagegen aus, Soldaten in die Ukraine zu entsenden. "Wir wollen den Krieg zwischen Russland und der Nato nicht, und wir werden alles tun, um ihn zu verhindern", sagte er.

Beim Papst hat Kanzler Scholz auch einiges zu besprechen

Scholz war fotowirksam zur Eröffnung des Kongresses am Morgen und zum Abschluss am Nachmittag im Raum, dazwischen fuhr er ans andere Ende der Stadt, um erstmals Papst Franziskus seine Aufwartung zu machen. Ob der aus der Kirche ausgetretene Protestant mit dem Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken über Grundsatzfragen des Glaubens gesprochen hat, ist nicht bekannt, das 35-minütige Gespräch in Privataudienz blieb wie immer streng vertraulich. Scholz fühlt sich nach eigener Aussage durch christliche Werte in seinem politischen Handeln geleitet, die Bibel habe er komplett gelesen, Altes wie Neues Testament.

Treffen sich das Oberhaupt der Katholiken und ein aus der Kirche ausgetretener Protestant: Olaf Scholz bringt Papst Franziskus den offiziellen Ball der Fußball-EM in Deutschland mit. (Foto: --/dpa)

Gesprächsstoff hatten die beiden beim Thema Krieg und Frieden. Franziskus hat immer wieder betont, wie sehr ihn das Sterben in der Ukraine und vor allem im Gazastreifen schockiere, nach Ansicht der ukrainischen Regierung lässt er dabei an Entschiedenheit gegenüber Russland vermissen, nach Ansicht der israelischen Regierung nimmt er einseitig Partei für die Palästinenser - was der Vatikan bestreitet.

In Scholz' Diktion war über das Gespräch, leicht gekürzt, Folgendes zu sagen: "Wir haben uns wegen der Zeiten, in denen wir leben, natürlich auch über die großen Herausforderungen und ernsten Probleme verständigt, die uns alle umtreiben, und miteinander darüber diskutiert." Er habe mit dem Papst über den "furchtbaren Angriffskrieg" Russlands gegen die Ukraine gesprochen, "über die vielen Toten, die er bereits gekostet hat, und über die bedrohte Unabhängigkeit und Freiheit der Ukraine". Ebenso habe man sich über den Krieg im Nahen Osten unterhalten "und darüber diskutiert, wie wir Frieden und Sicherheit in unserer Welt besser gewährleisten können". Auch über andere "große Fragen", Migration etwa oder Gerechtigkeit, habe man gesprochen.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Wie üblich wurden Gastgeschenke ausgetauscht: Der fußballbegeisterte Franziskus bekam unter anderen den offiziellen Ball der Fußball-Europameisterschaft, die im Sommer in Deutschland ausgetragen wird. Der Papst revanchierte sich beim Sozialdemokraten mit einem Bronzewerk "Soziale Liebe", eine Kindesfigur, die einem anderen Kind beim Aufstehen hilft.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Ursula von der Leyen solle in Budapest von der Europäischen Volkspartei (EVP) zur Spitzenkandidatin gewählt werden. Tatsächlich findet der EVP-Parteitag in Bukarest statt. Wir haben den Fehler korrigiert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNahostkonflikt
:Lass uns reden, Freund

Navid Kermani und Natan Sznaider sind in Sachen Nahost absolut nicht einer Meinung - aber es eint sie eine Überzeugung. Wie man gut streitet.

Gastbeitrag von Navid Kermani und Natan Sznaider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: