Westbalkan:Die EU verliert einen enttäuschten Verehrer

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Es wäre "politisch unverantwortlich, wenn ich jetzt weiter die Regierung auf ihrem euro-atlantischen Pfad führte": Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev gibt sein Amt auf. (Foto: AP)

Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev tritt zurück. Zum Verhängnis wurde ihm nicht zuletzt sein strikt proeuropäischer Kurs.

Von Tobias Zick, München

Diese Woche, so ließe sich mit nur leichter Zuspitzung sagen, ist der Balkan wieder ein kleines Stück weg von Europa gerückt. Zoran Zaev, der Premierminister des gut zwei Millionen Einwohner starken Nordmazedonien, hat am Mittwochabend seinen Rücktritt eingereicht - so, wie er es Ende Oktober bereits angekündigt hatte, nachdem seine sozialdemokratische Regierungspartei SDSM bei Kommunalwahlen massiv an Stimmen verlor. Zu der Niederlage hatten viele selbstgemachte Probleme beigetragen: verschleppte Reformen, schleppende Corona-Bekämpfung, dazu eine wenig überzeugende Wahlkampagne. In dem Wahlergebnis spiegelte sich aber auch die Enttäuschung vieler Bürger über die gescheiterte EU-Annäherungspolitik ihrer Regierung.

Es wäre "politisch unverantwortlich, wenn ich jetzt weiter die Regierung auf ihrem euro-atlantischen Pfad führte", erklärte Zaev am Mittwoch. Wie kein anderer Politiker des westlichen Balkans hatte er seine Laufbahn mit der Perspektive eines EU-Beitritts verknüpft. Im Mai 2017 löste er den Autokraten Nikola Gruevski ab, der später wegen Amtsmissbrauchs und Korruption verurteilt wurde und daraufhin nach Ungarn flüchtete, wo er in Rekordzeit Asyl gewährt bekam. Der Sozialdemokrat Zaev machte sich daran, den unter Gruevski aufgeblasenen, korrupten Staatsapparat aufzuräumen und zu reformieren (was ihm nur spärlich gelang) - und sein Land entschlossen in Richtung EU zu führen.

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In langen Verhandlungen mit seinem griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras räumte Zaev zunächst das scheinbar größte äußere Hindernis aus dem Weg: Athen hatte sich von Anfang an dagegen gesperrt, dass die ehemalige jugoslawische Teilrepublik seit 1991 als eigenständiger Staat unter dem Namen Mazedonien firmierte - Griechenland hat nämlich eine Region gleichen Namens und erhebt seinerseits Anspruch auf das historische Erbe des wohl wirkmächtigsten Mazedoniers aller Zeiten, Alexander des Großen. Die nationalistische Regierung von Zaevs Vorgänger Nikola Gruevski wiederum hatte den Konflikt noch angefacht, indem sie die Autobahn Richtung Griechenland sowie den Flughafen der Hauptstadt Skopje nach Alexander dem Großen benannte.

Der Premier ließ sogar das ganze Land umbenennen, um Griechenland günstig zu stimmen

Zaev ließ Autobahn und Flughafen wieder umbenennen - und schließlich sogar das ganze Land, das seither "Republik Nordmazedonien" heißt. Tsipras gab im Gegenzug den griechischen Widerstand gegen Beitrittsverhandlungen der EU mit dem kleinen nördlichen Nachbarland auf. Doch im Oktober 2019 stoppte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron per Veto die Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien. Zoran Zaev machte den Weg für Neuwahlen frei - die er mit hauchdünner Mehrheit wieder gewann.

Später erklärte sich die EU dann auch bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen - doch dann trat das große östliche Nachbarland Bulgarien, EU-Mitglied seit 2007, auf den Plan und verkündete, die Aufnahme formaler Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien zu blockieren, solange die dortige Regierung nicht offiziell anerkenne, dass ihre Landessprache eigentlich nur ein Dialekt des Bulgarischen sei. Zaev bemühte sich auch in diesem Konflikt um eine gesichtswahrende Lösung und ließ etwa Gedenktafeln abmontieren, die an die "bulgarische faschistische Besatzung" während des Zweiten Weltkriegs gemahnten.

Zaev dürfte wohl auf längere Sicht der letzte Regierungschef der Region gewesen sein, der bereit war, sich für eine EU-Perspektive seines Landes politisch aufzureiben. Als Nachfolger hat seine Partei jetzt den bisherigen Vize-Finanzminister Dimitar Kovacevski aufgestellt. Er muss vom Parlament bestätigt werden, wo die Sozialdemokraten nur eine knappe Mehrheit haben.

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