Brexit-Folgen:London gibt beim Disput um Nordirland nach - ein wenig

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Ein Pro-Brexit-Slogan an einer Wand in Belfast. (Foto: Peter Morrison/dpa)

Die britische Regierung und die EU streiten über Zollregeln und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Hier geht es nicht voran. Daher will London nun erst einmal praktische Probleme lösen.

Von Björn Finke, Brüssel

Der Streit um Zollregeln für Nordirland hat sich am Freitag entspannt. Zum einen präsentierte die EU-Kommission Gesetzentwürfe, welche die Versorgung Nordirlands mit Arzneimitteln aus dem Rest des Vereinigten Königreichs sicherstellen sollen. Zum anderen signalisierte die britische Regierung, dass sie die heikle Frage nach der Rolle des Europäischen Gerichtshofs in Nordirland hintenanstellen will; die Verhandlungen mit Brüssel will London zunächst auf praktische Probleme konzentrieren.

Der Disput dreht sich um das sogenannte Nordirland-Protokoll. Das ist Teil des 2019 vereinbarten Austrittsvertrags und soll verhindern, dass zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland Zöllner Lastwagen kontrollieren müssen. Daher schreibt das Protokoll vor, dass sich die einstige Unruheprovinz trotz Brexit weiter an EU-Produktregeln und Zollvorschriften hält. Logische Folge ist allerdings, dass Warenlieferungen von England, Wales oder Schottland nach Nordirland kontrolliert werden müssen. Denn haben Lastwagen erst einmal die nordirischen Häfen verlassen, können sie ohne weitere Kontrollen in den Süden der Insel fahren, also in die EU, und von da per Fähre in die anderen Mitgliedstaaten.

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Die britische Regierung hält die neue Zollbürokratie für schikanös und hat eigenmächtig Übergangsfristen verlängert, die Firmen die Einfuhren erleichtern. Der zuständige Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič machte im Oktober Vorschläge, wie die Bürokratie beim Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs verringert werden könnte. Da kündigte er auch schon die Initiative zu den Medikamenten an. Doch seinem Gegenüber in London, Lord David Frost, reicht das nicht; er besteht auf einer tiefgreifenden Reform des Protokolls. Unter anderem missfällt Frost und seinem Premier Boris Johnson, dass bei Streitfällen der bei Brexit-Fans verhasste Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig ist. Das müsse sich ändern, meint das Duo. Doch für die EU ist diese Vorgabe nicht verhandelbar.

Frost hat nun eingesehen, dass er mit dieser Forderung nicht weiterkommt. Nach einem Gespräch mit Šefčovič am Freitag gab er eine Stellungnahme heraus, der zufolge seine Regierung zwar "eine umfassende Lösung, die sich allen Fragen annimmt," vorziehen würde. Aber weil dies nicht realistisch ist und die Schwierigkeiten in Nordirland groß sind, will London nun auch eine "Übergangslösung für die drängendsten Probleme als ersten Schritt" akzeptieren. Soll heißen: Erst einmal soll Firmen und Bürgern das Leben erleichtert werden, pünktlich vor den Parlamentswahlen, die in Nordirland im Mai anstehen. Das Thema EuGH kann warten. Bei diesem ideologisch aufgeladenen Thema sei London ebenfalls zu mehr Flexibilität bereit, wie aus der britischen Regierung zu hören ist.

Die am Freitag vorgestellten Änderungen für die Pharmaregulierung besagen, dass in Nordirland auch Arzneimittel verkauft werden dürfen, die bloß eine britische Zulassung haben, aber keine der EU. Die EU muss dafür ihre Gesetze ändern; EU-Parlament und Ministerrat müssen also noch zustimmen.

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