Krieg in Nahost:Netanjahu weist Ratschläge zurück

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Außenministerin Annalena Baerbock bemühte sich bei Israels Premierminister Benjamin Netanjahu um Deeskalation. (Foto: Ilia Yefimovich/dpa)

Außenministerin Annalena Baerbock bittet nach den Angriffen Irans um "kluge Zurückhaltung". Sie findet aber bei Israels Premier wenig Gehör. Das Land werde seine Entscheidung selbst treffen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Angesichts der wachsenden Kriegsgefahr in Nahost hat sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch bei einer Reise nach Israel um Entspannung bemüht. Nach dem iranischen Angriff mit Drohnen und Raketen müssten "nun alle besonnen und verantwortungsvoll handeln", sagte sie in Tel Aviv. Israel solle "nicht klein beigeben, aber kluge Zurückhaltung" üben. Gekontert wurde das von Premierminister Benjamin Netanjahu, mit dem sie kurz zuvor zusammengekommen war. "Ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden", erklärte er mit Verweis auf "alle möglichen Vorschläge und Ratschläge" von Verbündeten. "Der Staat Israel wird alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen."

Das darf als wenig verklausulierte Abfuhr an die diplomatischen Bemühungen verstanden werden, an denen sich parallel zu Baerbock am Mittwoch auch der britische Außenminister David Cameron in Israel versuchte. Baerbock beschrieb die Situation folglich im Feuerwehr-Jargon. Sie sprach von einer "brandgefährlichen Lage", einem "drohenden Flächenbrand" und forderte speziell Iran und dessen Verbündete auf, "kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen".

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Baerbocks Blitzbesuch passt sich ein in die von großem Zeitdruck getriebenen Anstrengungen der westlichen Verbündeten, Israel von einem militärischen Gegenschlag abzubringen, der die gesamte Region in einen großen Krieg stürzen könnte. US-Präsident Joe Biden hatte damit in einem Telefonat mit Netanjahu bereits in der Nacht zum Sonntag begonnen, als die Lichtblitze der Raketenabwehr gerade erst verblasst waren. Amerikanern und Europäern geht es um die Abwendung eines sicherheitspolitischen Schreckensszenarios, aber auch um die Weltwirtschaft. Eine nahöstliche Großkonfrontation würde die Ölpreise steigen lassen, Handelsrouten und Lieferketten wären bedroht.

Die Aufforderung an Israel, nun maßvoll zu reagieren, verbinden die westlichen Verbündeten gern mit dem Hinweis, dass die erfolgreiche Abwehr des iranischen Angriffs durch die überlegene Luftverteidigung auch als Chance genutzt werden könne. Damit habe Israel seine "Stärke schon bewiesen", argumentierte Baerbock in Tel Aviv. "Jetzt gilt es, diesen Defensiv-Sieg diplomatisch abzusichern."

Es ist unklar, wann ein militärischer Gegenschlag erfolgen könnte

Israel aber lässt keinen Zweifel daran, dass auf den iranischen Angriff schon allein aus Gründen der Abschreckung offensiv geantwortet werden müsse. "Wir können nach dieser Art der Aggression nicht still bleiben", erklärte Armeesprecher Daniel Hagari. "Iran wird nicht ungestraft davonkommen." Bewusst offengelassen wird dabei, wie massiv und wann die Antwort erfolgt.

Es gibt Anzeichen, dass sich Israel mit einer militärischen Antwort noch etwas Zeit lassen könnte. Über den Gegenschlag werde "klug" und "nicht aus dem Bauch heraus entschieden", meinte Netanjahu. Mit Blick auf die Iraner sagte er: "Sie müssen nervös sein, so wie sie uns nervös gemacht haben." Armeechef Herzi Halevi deutete an, dass noch das hohe jüdische Pessach-Fest abgewartet werden könnte, das Anfang nächster Woche beginnt. Die Bürger sollten diese Zeit "fast wie normal" genießen können. Aber dies kann auch nur eine Finte sein, um den Erzfeind in falscher Sicherheit zu wiegen.

Jenseits der militärischen Drohung fordert Israel auch eine, wie es Außenminister Katz nennt, "diplomatische Attacke" auf Iran. Von den Verbündeten forderte er dabei zweierlei: die Listung der Revolutionsgarde als Terrororganisation plus Sanktionen gegen das Teheraner Regime. Der dringende Wunsch, den politischen und wirtschaftlichen Druck zu erhöhen, richtet sich gewiss nicht zuletzt auch an Deutschland, das aus israelischer Sicht in der Vergangenheit oft zu nachsichtig mit dem Regime und zu großzügig bei den Handelsbeziehungen war.

Baerbock konnte bei ihrem Besuch in Israel auf eine Absichtserklärung der EU verweisen, die Sanktionen gegen Iran zu verschärfen. Bei einer Videokonferenz am Dienstagabend hatten sich die 27-EU-Außenminister grundsätzlich darauf verständigt, Handelsbeschränkungen auszuweiten und dabei vor allem auch darauf zu achten, Iran den Bau von Raketen zu erschweren. In Israel versprach die Außenministerin, dass der iranische Angriff "nicht ohne weitere Konsequenzen bleiben werde" und zu "massiven Sanktionen" führen werde.

Auf der Agenda steht dieses Thema auch beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs von Mittwochabend an sowie beim Treffen der G-7-Außenminister auf der italienischen Insel Capri. Dorthin flog Baerbock am Mittwochnachmittag direkt von Tel Aviv aus. Anzeichen für eine Entspannung in Nahost wird sie von ihrer Israel-Reise nicht mitbringen.

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