Reaktionen auf Bund-Länder-Einigung:"Das ist alles zu weich"

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"Wir brauchen einen Systemwechsel": CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zur Migrationspolitik. (Foto: Bernd Elmenthaler/Imago)

Unionspolitiker wie CDU-Generalsekretär Linnemann kritisieren, was der Kanzler und die Bundesländer in der Migrationspolitik ausgehandelt haben. Lob kommt vom Städte- und Gemeindetag - und von der FDP.

Es ist schon 2.45 Uhr in der Nacht, als Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die beiden Ministerpräsidenten Stephan Weil aus Niedersachsen für die SPD-regierten Länder und Boris Rhein aus Hessen für die CDU-regierten Länder vor die Presse treten und verkünden, worauf sie sich geeinigt haben. In Stichworten schnell zusammengefasst: Eine Pro-Kopf-Pauschale von 7500 Euro pro Geflüchtetem, die der Bund Ländern und Kommunen zahlt, gekürzte Leistungen für Asylsuchende, eine Bezahlkarte für Leistungsempfänger, das Ausloten von Asylverfahren außerhalb der EU, mehr Grenzkontrollen in Deutschland, schnellere Asylverfahren, bessere Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive. Zusätzlich noch: eine Beschleunigung für Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte und kleine Schritte zur Finanzierung des Deutschlandtickets.

Scholz nennt den Kompromiss "historisch". Das sehen aber längst nicht alle Beteiligten so. Ein Überblick über die Reaktionen:

Stimmen aus der Union

CDU-Chef Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz mit Vertretern der NRW-CDU: "Die Einordnung als historisch teile ich ausdrücklich nicht. Das ist ein Schritt nach vorne gewesen. Ob er auch zu Ergebnissen führt, die man dann historisch nennen könnte, werden wir erst im nächsten Jahr beurteilen können. Das Entscheidende ist, die Zahlen müssen runter, und ob die wirklich runtergehen mit diesen Maßnahmen, da mache ich ein großes Fragezeichen."

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im ARD-Morgenmagazin: "Dieses Papier reicht natürlich bei Weitem nicht aus, um die illegale Migration in Deutschland einzudämmen. Wir brauchen einen Systemwechsel, dass nur noch die Menschen kommen, die bereits einen positiven Asylbescheid haben." Wie andere Unionspolitiker fordert Linnemann Asylverfahren in Drittstaaten. Solche Verfahren nur zu prüfen, wie es Bund und Länder entschieden haben, reiche nicht aus, "das ist alles zu weich".

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Stimmen aus den Ländern

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): "Dass es gelungen ist, unter diesen Bedingungen ziemlich genau auf der Mitte zueinanderzukommen, das ist zu früher Morgenstunde wirklich ein Ausrufezeichen wert."

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU): "Klar ist auch, dass ein Weg aus sehr vielen Schritten besteht und natürlich noch weitere Schritte folgen müssen." Die irreguläre Migration müsse gestoppt werden und er finde, "dass die Beschlüsse, die wir gefasst haben, genau bei diesem Unterfangen durchaus hilfreich sein werden", wenngleich es aus Sicht eines Unionsministerpräsidenten mehr sein könnten.

Hendrik Wüst (CDU), nordrhein-westfälischer Ministerpräsident: "Es ist ein erster Schritt, aber es ist nicht der große Wurf. Wenn man die MPKs anschaut, die wir zu dem Thema schon gehabt haben, hat man das Gefühl: Das, was vor Ort drückt, das kommt hier immer zeitverzögert an in Berlin. Man hat den Eindruck, die Debatte hier ist ein Jahr hinter der Lage."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb kurz nach der Einigung in der Nacht auf X, früher Twitter: "Positiv: Es bewegt sich was! Negativ: Das reicht noch nicht". Am Morgen ergänzt Söder, ebenfalls auf X, einen umfangreichen Forderungskatalog, den Bayern und Sachsen an die Bundesregierung stellen. Darin heißt es zum Beispiel: "Ziel muss es sein, dass an der deutschen Grenze jene wirksam zurückgewiesen werden können, die keinen Anspruch auf Schutz haben. (...) Zuzugsanreize und soziale Pull-Faktoren nach Deutschland müssen reduziert werden, indem die nationalen Sozialleistungen für Flüchtlinge auf das europäische Maß abgesenkt werden."

Stimmen aus der Ampelkoalition

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner schreibt auf X: "Die Einschränkung bei den Leistungen für Asylbewerber können zu Einsparungen in Höhe von 1 Milliarde Euro führen. Dadurch werden nicht nur Länder und Kommunen entlastet. Durch diese Maßnahme wird auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert."

FDP-Fraktionschef Christian Dürr: "Dass die Länder sich nun bundeseinheitlich auf Bezahlkarten geeinigt haben, ist ein Meilenstein in der deutschen Migrationspolitik. Als Freie Demokraten haben wir lange auf diesen Punkt gedrängt, gut, dass dieser Vorschlag nun umgesetzt wird."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt: "Der Deutschland-Pakt Migration legt wichtige Grundlagen, um angesichts der großen Herausforderungen handeln und konkrete Probleme lösen zu können. Es ist wichtig, dass hier alle demokratischen Parteien zusammenarbeiten. Das ist keine Selbstverständlichkeit und hart erarbeitet."

Katharina Stolla, Co-Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend: "Die vorgesehenen Asylrechtsverschärfungen sind eine Katastrophe und reihen sich in den migrationspolitischen Rechtsruck ein. Insbesondere die Leistungskürzungen und die Auslagerung von Asylverfahren sind unmenschlich, unnötig und möglicherweise rechtswidrig."

Reaktionen von Städten und Kommunen

Burkhard Jung (SPD), Vizepräsident des Deutschen Städtetages: "Dieses Gezerre ist fürchterlich zwischen Bund und Ländern. Ich weiß, die Länder vertreten uns, aber am Ende sind wir in den Städten und Kommunen in der Verantwortung. Wir gehören an den Tisch. Ich werde nicht müde, das zu fordern."

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Wir warnen davor, den jetzt notwendigen Umsetzungsprozess zu verzögern und die richtigen Ziele wieder kleinzureden." Er lobte insbesondere die verabredete Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte, die Beschleunigung der Asylverfahren und die Ausweitung der Zeitspanne, bis Asylbewerber Bürgergeld beziehen können. Die Bereitschaft des Bundes, 7500 Euro pro Jahr und Asylbewerber zu bezahlen, wertet Landsberg als "deutliche Entlastung" für die Kommunen. Allerdings dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, dass jetzt kurzfristig ein deutlicher Rückgang der Zuzugszahlen zu erwarten sei.

Stimmen von Linken und AfD

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es ist insbesondere für die Kommunen, für Bürgermeister und Landräte ein rabenschwarzer Tag. Deutschland ist zweifellos am Limit. Daher brauchen die Kommunen maximale Unterstützung. Die Kosten sollten nicht länger vom normalen Steuerzahler getragen werden. Höhere Steuern für Milliardäre und Multimillionäre sind nicht zuletzt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise notwendig. Das wäre auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden."

Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion: Die "fast panikhaften Versuche" von Union und SPD, sich bei der Migration auf öffentlicher Bühne zu einigen, seien den Wahlerfolgen der AfD geschuldet. "Wir sind das, die sie zwingen, endlich etwas zu versuchen, wenigstens."

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