Gleichberechtigung:Es führt kein Weg zurück

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Angela Merkel hat in einem stillen Doppelstreich zwei Vertrauten zu Schlüsselpositionen verholfen: Annegret Kramp-Karrenbauer (links) und Ursula von der Leyen (Mitte). (Foto: imago)

Bundeskanzlerin Merkel hat großen Anteil daran, dass Frauen in Deutschland nun ganz nach vorne kommen. So soll es weitergehen.

Kommentar von Constanze von Bullion, Berlin

Das Unbehagen wird dezent kaschiert, aber es ist nicht zu überhören. Können die das? Wuppen die das? Warum hat die Bundeskanzlerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Verteidigungsministerin gemacht? Und stemmt Ursula von der Leyen die Riesenaufgabe Europa? Am Tag nachdem drei Frauen im Schloss Bellevue saßen und zwei von ihnen eine Ehrenformation der Bundeswehr abschritten, ist in Zeitungen mal von "Abenteuer" die Rede. Mal erklären männliche Weltendeuter, die "Damen" müssten jetzt halt Vertrauen schaffen. Überheblichkeit? Zum Davonlaufen? Klar. Aber Deutschlands Männern schwimmen halt die Felle davon.

Angela Merkel hat in einem stillen Doppelstreich zwei Vertrauten zu Schlüsselpositionen verholfen. Annegret Kramp-Karrenbauer, bislang eher glücklose CDU-Chefin, bekommt die militärische Befehls- und Kommandogewalt in Deutschland. Ursula von der Leyen wird Europachefin. Ein Zufall ist es sicher nicht, dass die ehemalige DDR-Bürgerin Merkel in großer Selbstverständlichkeit zwei Frauen ermutigt hat, besonders schwierige Posten zu besetzen. Denn nur dort, in "harten" Ressorts, können Frauen sich die Anerkennung erwerben, die ihnen in Deutschland so hartnäckig versagt wird. Das gilt für die Politik wie für den Journalismus und alle Ecken der Gesellschaft.

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Hinter dem öffentlichen Erstaunen über Merkels "Coup" in Sachen Verteidigung aber steckt weniger die Überraschung darüber, dass Kramp-Karrenbauer bislang gar nicht Ministerin werden wollte und nun ihre Meinung geändert hat. Das ist Nebensache. Es geht im Kern auch nicht darum, dass der CDU-Vorsitz mit einem wichtigen Ministerposten unvereinbar sei. Das ist Unfug. Horst Seehofer, Hans-Dietrich Genscher, Willy Brandt - alle waren sie Minister und Parteichefs, keine Seele hat das gestört. Der kleine Unterschied: das Geschlecht.

Die kaum verhohlene Skepsis, die nun insbesondere Kramp-Karrenbauer entgegenschlägt, sie speist sich aus einer anderen Quelle. Frauen wie sie verlassen - endlich - das Refugium, in das sie sich über Jahrhunderte von Kirchen, Ehemännern, eigenen Konventionen haben einschließen lassen. Sie fügen sich nicht mehr ins westdeutsche Sittenbild, wonach Mutterschaft, eheliche Fürsorge, Caritas unvereinbar sein sollen mit tonnenschwerer Verantwortung für Krieg und Frieden. Und ja, nach den ersten Familien-, Bildungs- und Umweltministerinnen in Deutschland ist es höchste Zeit auch für eine Bundesinnen- und eine Außenministerin.

Es ist Angela Merkel zu verdanken, dieser erklärten Nicht-Feministin, dass Frauen nun in politische Positionen hineinwachsen, die ihrem Format entsprechen. Das wird Schule machen. Aber auch anderswo muss Schluss mit falscher Selbstbeschränkung sein. Frauenquoten von 30 Prozent in Aufsichtsräten von Unternehmen? Lächerlich. Jeder zweite Spitzenposten hat an Frauen zu gehen, ob es EU-Kommissarinnen, Bankerinnen oder Bundesministerinnen sind.

Für viele Männer bedeutet das, sich hinten anstellen zu müssen. Ein Selbstgewissler wie Jens Spahn wird noch ein Weilchen Gesundheitsminister bleiben müssen. In Unternehmen werden männliche Kollegen künftig auch mal Umwege gehen müssen. Das mag wehtun. Häme ist da fehl am Platz. Zurück nach Hause aber lassen Deutschlands Frauen sich nicht mehr schicken. Dazu ist der Weg zu weit gewesen.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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