Flucht und Migration:"Die EU schlafwandelt in eine neue Migrationskrise"

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Migranten gehen im sizilianischen Hafen von Catania von Bord eines Schiffes. (Foto: Salvatore Cavalli/dpa)

Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei, fordert Verhandlungen zwischen der EU und Tunesien über einen weiteren Flüchtlingspakt. Italien hat vor kurzem angesichts der steigenden Zahlen von Geflüchteten den Notstand ausgerufen.

Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), hat mit Blick auf die weiter steigenden Geflüchtetenzahlen Verhandlungen zwischen der EU und Tunesien über einen zweiten Flüchtlingspakt gefordert. Wie die Bild berichtet, will die EVP zum Wochenbeginn deswegen eine Debatte zu diesem Thema im Europäischen Parlament beantragen. "Die EU schlafwandelt in eine neue Migrationskrise, obwohl der rasant steigende Migrationsdruck offensichtlich ist", sagte Weber der Bild in einem Interview. "In Italien sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 300 Prozent mehr Migranten als im vergangenen Jahr angekommen", sagte Weber weiter und betonte, man dürfe Italien nicht alleinlassen. "Italien hat bereits den Notstand ausgerufen - und die anderen EU-Staaten schauen weg."

Hintergrund der Debatte ist ein Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex an die EU-Kommission. Demnach könnte der Anstieg der Flüchtlingszahlen dazu führen, dass die Vorjahreszahl der Migranten (330 000) dieses Jahr bereits im Sommer erreicht sein wird. Dem Bericht zufolge hat Tunesien mittlerweile Libyen als Haupt-Transferland abgelöst. 57 Prozent der in Italien ankommenden Migranten bestiegen dort die Schlepperboote.

In Italien werden 600 Migranten von einem Fischerboot gerettet

Gerade an diesem Wochenende berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa von einer Rettungsaktion im Mittelmeer: Die italienische Küstenwache rettete rund 600 Migranten von einem in Seenot geratenen Fischerboot. Der Einsatz lief südöstlich von Sizilien in der maltesischen Such- und Rettungszone und unter schwierigen Wetterbedingungen, berichtete Ansa. Mehr als 100 Gerettete seien bereits von einem Schiff der EU-Grenzschutzagentur Frontex im sizilianischen Catania an Land gebracht worden.

Am Montagmorgen sollen dort 200 weitere eintreffen. Die übrigen 300 Menschen befanden sich dem Bericht zufolge an Bord eines Schiffs der Marine auf dem Weg in die sizilianische Stadt Augusta.

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Die Hilfsorganisation Sea-Watch entdeckte nach eigenen Angaben im Laufe des Wochenendes mehrere Boote im Mittelmeer. Eines davon habe 221 Menschen an Bord gehabt, die ebenfalls von der italienischen Küstenwache gerettet worden seien, schrieb Sea-Watch auf Twitter. Offizielle Angaben gab es dazu nicht.

Dem italienischen Innenministerium zufolge kamen dieses Jahr bereits mehr als 32 700 Migranten über den Seeweg nach Italien. Viele wagen die Überfahrt von Nordafrika nach Europa auf seeuntauglichen Booten, weshalb es immer wieder Unglücke mit vielen Toten gibt. Wegen der Vielzahl an Migranten, die zuletzt Italien erreichten, rief die Regierung in Rom vor wenigen Tagen den Notstand aus, um besonders betroffenen Regionen im Süden Geld etwa für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen.

Europa-Politiker Weber will daher, dass die EU mit Tunesien über einen Migrationspakt verhandelt. Ähnlich wie beim Türkei-Abkommen müsse Schlepperbanden gemeinsam das Handwerk gelegt werden, sagte Weber im Gespräch mit der Bild. Der Grenzschutz und die Kontrollen sowie das Zurückweisen von Migranten müssen endlich funktionieren, so Weber.

© SZ/dpa/Reuters/tpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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