Anti-Terror-Einsatz in Mali:Kurz vor dem Bruch mit Bamako

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Wache am Kamelmarkt: Soldaten der Bundeswehr in Gao, Mali. (Foto: Alexander Koerner/Getty Images)

Nach der Ausweisung des französischen Botschafters gehen Schuldzuweisungen hin und her. Die EU zeigt sich solidarisch mit Paris, in Berlin wachsen die Sorgen.

Von Daniel Brössler, Berlin, Bernd Dörries, Bamako, und Thomas Kirchner

Am Ende ging es Frankreich nur noch darum, das Gesicht zu wahren, ein wenig zumindest. Nachdem die Militärregierung in Mali am Montagabend den französischen Botschafter Joël Meyer ausgewiesen und ihm 72 Stunden gegeben hatte, das Land zu verlassen, rief das Außenministerium in Paris Meyer zurück. Es sollte klingen wie eine freiwillige Rückkehr nach vielen Jahren in Mali. In Wahrheit war es ein Rauswurf ohne Warnung, die Beziehungen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht und dem Binnenstaat in Westafrika sind auf dem Tiefpunkt. So wie sich das Verhältnis von Malis Junta zu fast allen europäischen Partnern im Wochentakt verschlechtert.

Dem jüngsten Konflikt vorausgegangen war die Anweisung der malischen Regierung, dass etwa 100 dänische Spezialkräfte das Land verlassen sollen, die gerade erst angekommen waren. Man sei von ihrer Ankunft "überrascht" worden, erklärte Malis Regierung. Dänemark teilte hingegen mit, es sei einer Einladung gefolgt. Anschließend hatte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian die Junta als "illegitim" bezeichnet und ihre Entscheidung, die Dänen auszuweisen, als "unverantwortlich" kritisiert. Die Regierung von Mali befand daraufhin spitzfindig, der Botschafter könne nicht bei Behörden akkreditiert sein, die Frankreich nicht anerkenne. Wegen der "feindseligen und empörenden Äußerungen" müsse er das Land verlassen.

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Die von Frankreich geführte Operation "Barkhane" lief im Jahr 2013 an, um Gruppen der Terrormiliz IS und al-Qaida zu bekämpfen, die Tausende Menschen in der Sahelzone getötet haben. Die Beziehungen zwischen Paris und Bamako hatten sich zuletzt jedoch stark verschlechtert, beginnend mit der Ankündigung von Präsident Emmanuel Macron im Juni vergangenen Jahres, die Hälfte der 5000 französischen Soldaten in der Region abziehen zu wollen. Barkhane wird vom multinationalen Einsatz "Takuba" abgelöst, für den auch Deutschland Soldaten stellt im Rahmen der EU-Ausbildungsmission EUTM.

Seither tauschen Mali und Frankreich fast nur noch Drohungen und Beleidigungen aus. Paris stört sich vor allem an der Machtübernahme des Militärs nach dem doppelten Putsch von August 2020 und Mai 2021, in jüngster Zeit aber auch an den bis zu 300 Söldnern der Firma Wagner, die die Junta ins Land holte. Die Truppe, die mit der russischen Regierung in Verbindung steht, soll schon an Kampfeinsätzen beteiligt sein. Die Junta wiederum wirft Frankreich unter anderem vor, hinter den harten Sanktionen zu stecken, die die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas Anfang Januar gegen Mali verhängt hat.

Emotionen gegen Frankreich

Paris hat den Rauswurf des Botschafters zunächst nicht diplomatisch vergolten, wohl um die Spannungen nicht noch zu verstärken. In Frankreich wird aber mit einem baldigen Bruch der Beziehung gerechnet. Es gebe keinen Zweifel mehr, dass die Militär-Machthaber "Frankreich aus Mali vertreiben" wollten, zitierte Le Monde einen Diplomaten. Sie lenkten die Emotionen der Bevölkerung gezielt gegen Frankreich, um sich an der Macht zu halten. Bei vielen Maliern sind die Franzosen und ihre jahrelange Einflussnahme mittlerweile verhasst, die als "antikolonial" wahrgenommene Politik des auch in Deutschland ausgebildeten Putschisten-Präsidenten Assimi Goïta kommt gut an.

Noch sind die Franzosen in Mali aber präsent. Man bespreche mit den Partnerstaaten das weitere Vorgehen, sagte ein Pariser Regierungssprecher am Dienstag. Frankreich werde weiterhin in der Region gegen den Terror kämpfen, sagte Le Drian kürzlich, "aber zweifellos unter anderen Bedingungen". Die EU hat Frankreich ihrer Solidarität versichert. Man bleibe engagiert, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell vor zwei Wochen, wenn auch "nicht zu jedem Preis".

Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag meldete, einigten sich die EU-Staaten darauf, Reiseverbote gegen fünf Mitglieder der malischen Junta zu verhängen und Vermögenswerte von ihnen einzufrieren. Als Grund wird die Entscheidung der Junta genannt, die für Februar angekündigten Wahlen auf 2025 zu verschieben.

Mit wachsender Sorge wird die Entwicklung in Berlin verfolgt. Zum einen, weil sie die Sicherheit eigener Soldaten betrifft. Die Bundeswehr ist mit 328 Soldaten an der EU-Ausbildungsmission EUTM beteiligt und mit 1170 Soldaten an der UN-Mission Minusma. Zum anderen, weil ein Herzstück deutscher Sicherheitspolitik betroffen ist. Der früheren Bundesregierung ging es in Mali nicht zuletzt darum, Unterstützung für Frankreich zu demonstrieren und Vorwürfen entgegenzuwirken, Deutschland tue zu wenig gegen den Vormarsch des Terrors in der europäischen Nachbarschaft. Der drohende Kollaps des französischen Mali-Engagements stellt fast automatisch nun auch die deutsche Beteiligung infrage.

Ohnehin steht im Mai die Verlängerung der beiden Mandate durch den Bundestag an. Wie es weitergehen soll, hat die Ampel-Koalition bisher nicht entschieden. Natürlich habe es da einen Einfluss, dass sich die "ohnehin ernste Lage noch weiter verschärft" hat, sagt die Verteidigungspolitikerin und Vizechefin der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger. Die Ausweisung des französischen Botschafters sei eine "weitere Provokation" von Seiten der Militärherrscher.

Die Ampel steckt nun in einem Dilemma. Nach dem Desaster in Afghanistan soll es nicht einen weiteren kopflosen Abzug geben. Allerdings stellt sich gerade bei der Ausbildungsmission die Frage, ob sie nach zwei Coups des Militärs überhaupt noch zu rechtfertigen ist. Für den Fall, dass sich die Lage noch mal dramatisch verschlechtert, bereitet man sich in Berlin jedenfalls auf alles vor. Auch auf ein schnelles Ende.

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