FDP:Hauptsache, anders

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Auf dem Bundesparteitag der FDP bemühte sich Christian Lindner um Abgrenzung zu den anderen Parteien. (Foto: IMAGO/IMAGO/serienlicht)

Auf dem FDP-Parteitag wendet sich Christian Lindner nicht nur an die Liberalen. Der Vorsitzende sendet Botschaften an SPD und Grüne: In der Haushalts- und Finanzpolitik will er hart bleiben - und damit sich und die Partei profilieren, die ihn mit 88 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Von Paul-Anton Krüger und Henrike Roßbach, Berlin

Für Freitagmittag sieht die Tagesordnung des 74. Ordentlichen Bundesparteitags der FDP den Rechenschaftsbericht des Bundesvorsitzenden vor - was Christian Lindner wörtlich zu nehmen scheint. Knapp neunzig Minuten lang bilanziert er das Wirken der Liberalen in der Ampelkoalition. Er nutzt seine Rede für Ansagen an die Klimakleber, vor allem aber für eine deutliche Abgrenzung von der Union und für Spitzen gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), dem er "Tarnen, Tricksen und Täuschen" vorwirft. Söders Wankelmut sei "kein sympathisches 'Mia san mia', sondern ein 'I werd narrisch'".

Die Ampel - sie ist bei vielen Liberalen auch nach knapp eineinhalb Jahren nur mäßig populär. Kein Wunder. Keine der drei Regierungsparteien musste so viele Wahlniederlagen einstecken wie die FDP, seit in Berlin Rot-Grün-Gelb regiert. Zuletzt sind die Liberalen kratzbürstiger aufgetreten innerhalb der Regierung, vom E-Fuels-Streit bis zur Heizungsdebatte. Auf dem Parteitag aber hat Lindner nicht noch ein Schippchen draufgelegt. Eher im Gegenteil.

Zwar markierte er in seiner Rede klar die Positionen seiner Partei, auch in Abgrenzung zu Grünen und SPD. Trotzdem blieb Lindner letztlich eher staatsmännisch, auf die Inhalte fokussiert. Über die verlorenen Wahlen des vergangenen Jahres sprach er gar nicht, auf die kommenden drei, die ebenfalls heikel werden könnten, kam er erst im letzten Drittel seiner Rede zu sprechen.

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Die wichtigste Botschaft des FDP-Chefs an Sozialdemokraten und Grüne: In der Haushalts- und Finanzpolitik will der Bundesfinanzminister Christian Lindner hart bleiben. Es gebe bereits heute ein "Ungleichgewicht zwischen Vergangenheit und Zukunft" im Budget. 40 Milliarden Euro müsse er im laufenden Haushaltsjahr bereits für Zinsen für Schulden aufwenden, 36 Milliarden mehr als 2021. Jetzt komme der "Bumerang der unsoliden Finanzpolitik der CDU" zurück. Das Festhalten an der Schuldenbremse, so Lindner, sei nicht nur ein Befehl der Verfassung, sondern ein "Gebot der ökonomischen Klugheit".

Was das für die kaum vorhandenen Spielräume der Ampelkoalition bedeutet? Am Beispiel der von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) geplanten Kindergrundsicherung verweist Lindner darauf, dass schon das Bürgergeld eingeführt und die Regelsätze erhöht worden seien, ebenso das Kindergeld und der Kinderzuschlag. Während Paus eine Ausdehnung der Leistungen fordere, empfehle er, über die "Treffsicherheit" der bestehenden Hilfen zu diskutieren und mit digitalisierten und einfachen Verwaltungsverfahren sicherzustellen, dass alle Berechtigten die Leistungen auch bekämen.

Anderswo, etwa bei der Bundeswehr, sieht auch Lindner haushaltstechnisch "unabweisbare Notwendigkeiten". Grundsätzlich aber müsse die Koalition gewärtigen, dass "manches vielleicht wünschenswert ist, aber mindestens gegenwärtig nicht finanzierbar". Es gelte eben, "erst muss Wohlstand erwirtschaftet werden, bevor er verteilt werden kann". Mit dem Geld auszukommen sei auch geboten, um die Inflation einzubremsen, ein "zähes Biest", dessen Bekämpfung laut Lindner Priorität haben muss, sei sie doch ein "Verarmungsprogramm für die breite Mitte der Gesellschaft". Er selbst will lieber über steuerliche Anreize wie etwa bessere Abschreibungen die deutsche Wirtschaft ankurbeln - was bei Grünen und SPD allerdings deutlich weniger begeistert.

Lindner: Klimaaktivisten sollen eine Partei gründen

Zahm bleibt Lindner mit Blick auf den Streit um das Gebäudeenergiegesetz, in dem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck Regeln zum Austausch von Heizungsanlagen verankern will. Er sagt lediglich, der vom Kabinett verabschiedete Entwurf sei "noch nicht das, was am Ende vom Bundestag beschlossen werden sollte". Auch in der Aussprache nach Lindners Rede bleiben die Reaktionen zahm, nur wenige Delegierte äußern Kritik an dem Gesetz als Ganzem.

Die Richtung für seine Partei ist aus Lindners Sicht durch den Streit über das Aus für den Verbrennungsmotor vorgezeichnet. Die FDP hatte mit dem Argument der Technologieoffenheit durchgesetzt, dass auch nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit klimaneutral erzeugten synthetischen Kraftstoffen betrieben werden.

Am meisten Beifall bekommt Lindner dann auch für seine Feststellung, das Leben mit Verbrennungsmotor im Thüringer Wald sei nicht besser oder schlechter als das mit Lastenfahrrad in Prenzlauer Berg. Das seien schlicht freie Lebensentscheidungen. Wer Klimaneutralität wolle, könne das nur mit Zustimmung der Bevölkerung erreichen. Die Klimaaktivisten rief er dazu auf, eine Partei zu gründen und Mehrheiten für ihre Positionen zu suchen. Straßenblockaden dagegen seien "physische Gewalt".

Die Delegierten scheinen jedenfalls zufrieden zu sein - sie applaudieren dreieinhalb Minuten stehend und bestätigen Lindner mit 88 Prozent Ja-Stimmen im Amt; vor zwei Jahren hatte er 93 Prozent erhalten. Das dürfte Lindner die Regierungsbeteiligung wert sein. Wolfgang Kubicki, Erster Stellvertreter des Parteichefs und bei den Liberalen für seine klaren Wort an der Basis von vielen geschätzt, muss sich dagegen mit 72 Prozent Zustimmung zufrieden geben; er hatte bei der vorigen Wahl noch 88 Prozent erhalten.

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