Armut:Wie Lindner und Paus über die Kindergrundsicherung streiten

Lesezeit: 2 Min.

Die Kindergrundsicherung soll vor allem bisherige Leistungen wie Kindergeld, die Bürgergeldzahlungen für Kinder und den Kinderzuschlag für ärmere Familien bündeln (Symbolbild). (Foto: Ute Grabowsky/imago images/photothek)

Während der Finanzminister darauf beharrt, er habe die entscheidenden Hilfen bereits um sieben Milliarden Euro erhöht, machen die Unterstützer der Familienministerin eine andere Rechnung auf.

Von Roland Preuß

Reichen sieben Milliarden Euro mehr, damit deutlich weniger Kinder in Deutschland arm sind? Diese Summe nennt Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer wieder, wenn es um die Finanzierung der umstrittenen Kindergrundsicherung geht. Um diesen Betrag habe die Koalition die jährlichen Hilfen schon erhöht "für die Bekämpfung von Kinderarmut", wie er auf Twitter schrieb. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) dagegen will mindestens zwölf Milliarden einsetzen. Sonst werde man die Kinderarmut nicht zurückdrängen, so ihre Botschaft.

Der Streit schwelt weiter, jede Seite macht nun ihre Rechnungen auf, obwohl noch nicht klar ist, wie genau die neue Unterstützung für Kinder aussehen und damit auch, was sie kosten soll. Die Kindergrundsicherung soll vor allem bisherige Leistungen wie Kindergeld, die Bürgergeldzahlungen für Kinder und den Kinderzuschlag für ärmere Familien bündeln.

Lindners Botschaft ist: Mit den sieben Milliarden hat man die entscheidenden Hilfen bereits erhöht, jetzt geht es darum, die oft komplizierten Antragsverfahren zu vereinfachen und damit das Geld leichter zu den bedürftigen Familien zu bringen. Lindners Ministerium verweist darauf, dass durch Beschlüsse unter der Ampelregierung die Leistungen für Kinder bereits um rund sieben Milliarden Euro gestiegen sind.

Die Anhebung des Kinderzuschlages um 21 Euro auf bis zu 250 Euro und die Ausweitung der Anspruchsberechtigten bedeuten demnach eine Entlastung von etwa 400 Millionen Euro. Der Sofortzuschlag von 20 Euro für Kinder im Bürgergeld sowie die Erhöhung der Regelsätze im Bürgergeld machten zusammen rund 1,26 Milliarden Euro aus. Der dickste Posten aber ist die Anhebung des Kindergeldes auf 250 Euro und des Kinderfreibetrages bei der Steuer, der 5,3 Milliarden Euro ausmacht.

Paus fordert zwölf Milliarden vom Bund

Bei diesem Punkt setzen die Rechnungen von denen an, die so wie Paus zusätzliche Milliarden fordern: Denn die 5,3 Milliarden Euro für das Kindergeld und den höheren Kinderfreibetrag trägt nicht der Bund alleine, gut ein Viertel, etwa 1,4 Milliarden, übernehmen die Bundesländer. Paus' geforderte zwölf Milliarden aber beziehen sich nur auf den Bund. Hinzu kommt der Effekt der hohen Preissteigerungen. Das Kindergeld stieg zu Jahresbeginn zwar um 14 Prozent, der höchste Zuwachs seit 1996. Doch die Inflation lag bereits im vergangenen Jahr bei fast acht Prozent, für dieses Jahr erwarten Fachleute etwa sechs Prozent. Damit seien die 14 Prozent mehr Kindergeld bereits Anfang 2024 aufgebraucht - also bevor die Kindergrundsicherung 2025 überhaupt erst starten soll.

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In Kreisen des Finanzministeriums verweist man darauf, dass die Höhe des Kindergelds nicht preisindexiert ist. Es gibt keine Recht darauf, dass die Inflation ausgeglichen wird durch höhere Hilfen. Politisch ist die Gemengelage allerdings auch nicht einfach darzustellen: Wie will man Kinderarmut wirksam bekämpfen, wenn betroffene Familien real weniger Geld in der Tasche haben?

Hinzu kommt, dass das Kindergeld regelmäßig zusammen mit der Anhebung des Kinderfreibetrages steigt. So hatte es der Bundestag schon in den 1990er Jahren festgelegt. Der Kinderfreibetrag stellt das Existenzminimum von Kindern steuerfrei, demnach hätte das Kindergeld dieses Jahr ohnehin wachsen müssen auf 234 Euro und 2024 auf 243 Euro. Der Bund hätte demnach sowieso mehr Milliarden ausgeben müssen für das Kindergeld. 2024 hätte der Unterschied zur jetzigen Höhe nur noch sieben Euro ausgemacht pro Kind.

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