Verteidigungsministerin:Seht her, die Frau macht ihren Job

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Hatte vorher wenig Berührungspunkte mit der Bundeswehr: Christine Lambrecht im Februar beim Besuch eines Truppenübungsplatzes in Munster. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Warum Christine Lambrecht bei der Haushaltsdebatte vom Bundeskanzler ein Lob bekommt.

Von Mike Szymanski, Berlin

Endlich, ein paar anerkennende Worte. Es ist Parteikollege und Kanzler Olaf Scholz, der in der Generaldebatte zum Haushalt Lob für die Ministerin findet, die gerade wie kaum ein anderes Mitglied der Ampel unter Druck steht. Scholz kommt auf das Sondervermögen für die Bundeswehr zu sprechen, jene 100 Milliarden Euro, mit der die Regierung die marode Bundeswehr wieder flottmachen will. Er sagt, die "Ausplanung" sei schon fortgeschritten und dafür bedankt er sich an dieser Stelle, vor dem Plenum, bei seiner Verteidigungsministerin, bei Christine Lambrecht (SPD).

Es gibt in der Politik das Machtwort und es gibt das Machtlob. Das hier ist ein Machtlob: Seht her, Leute, die Frau macht ihren Job, deswegen sagt der Kanzler: danke.

Es war nämlich zuletzt auch anderes zu lesen über die Ministerin. Lambrecht, 56 Jahre alt, begleitet nach gerade einmal etwa 100 Tagen im Amt schon eine Debatte darüber, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen sei. "Kann diese Ministerin Krieg?", fragte unlängst die Bild-Zeitung. In dem Bericht empörte sich der Oppositionspolitiker Christoph Ploß (CDU), Lambrecht "blamiere" Deutschland "in der ganzen Welt"; ihre bisherige Leistung sei "desaströs".

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Kommentar von Robert Roßmann

Kommunikativ gab es in den vergangenen Wochen einige Pannen

Da war gerade bekannt geworden, dass die Bundeswehr der Ukraine nur 500 Strela-Flugabwehrraketen geliefert hat, obwohl sie aus alten NVA-Beständen noch 2700 hat. Aber die Waffen sind alt, längst nicht mehr alle sind funktionstüchtig. Ihr Ministerium wollte prüfen, was geht. Aber da war schon die Nachricht in der Welt, es gehe um 2700 Raketen für die Ukraine.

Den Erwartungen nicht nachzukommen, das Problem begleitet Lambrecht seit Wochen. Als die Ukraine vor dem Kriegsausbruch nach Schutzhelmen verlangte, sagte sie rasch 5000 Stück zu und sah darin ein "ganz deutliches Signal: Wir stehen an eurer Seite!" Aber die ukrainische Seite wollte damals schon Waffen haben.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Kanzler Scholz eine sicherheitspolitische Wende vollzogen. Und Lambrecht kommt nun die Aufgabe zu, 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Bundeswehr zu investieren. Das ist so viel Geld extra wie der Bundeswehr sonst in zwei Jahren zur Verfügung steht. 100 Milliarden Euro - das ist auch eine historische Chance.

Es ist kurz vor 15 Uhr, als Lambrecht im Plenarsaal ans Rednerpult tritt. Es ist ihre Bühne, um zu erklären, was sie mit dem Geld anfangen möchte. Sie sagt, sie habe das Ziel klar vor Augen, sie wolle eine Bundeswehr, die in der Lage sei, "die klassische Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung ohne Einschränkungen wahrzunehmen". Die Truppe solle die "volle Einsatzbereitschaft" zurückerhalten.

Neue Kampfjets will sie in den USA einkaufen, das hat sie schon festgelegt. Mit dem Generalinspekteur und Kanzler Scholz ist sie im Gespräch über die anderen großen Beschaffungsvorhaben, die nun finanziell möglich sind: Es geht um Transporthubschrauber, bewaffnete Drohnen, eine mobile Flugabwehr und ein Sofortprogramm für die persönliche Ausstattung der Soldaten. Lambrechts große Bewährungsprobe steht erst noch bevor. Sie wird daran gemessen werden, ob sich die Lage in der Bundeswehr mit dem vielen Geld nun schnell ändert.

Lambrecht kam aus dem Justizressort. Die Juristin gehört in der SPD dem linken Flügel an. Sie hatte zuvor kaum Berührungspunkte zur Bundeswehr. Das ist ihr größter Schwachpunkt in der aktuellen Lage. Die Bundeswehr steht vor einer Zäsur. Und an ihrer Spitze steht eine Politikerin, die noch dabei ist, sich eine ihr fremde, große Welt zu erschließen.

Als Scholz Lambrecht zur Chefin des Wehrressorts machte, ging es ihm darum, jemanden mit Ministeriumserfahrung an die Spitze des Ressorts zu setzen. Außerdem suchte er nach einer Frau, damit das Kabinett paritätisch besetzt ist. Lambrecht führte das Justizressort straff und ohne große Pannen. Würde sie das an der Spitze des Verteidigungsressorts wiederholen, Scholz wäre wohl schon zufrieden gewesen. Aber das war vor dem Krieg in Europa.

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