Küchenmöbel:Gefährlicher Staub

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Arbeitsplatten aus Quarzkomposit sind widerstandsfähig und in vielen Mustern zu haben. Doch wie gefährlich ist ihre Herstellung? (Foto: Sören Andersson/Imago)

Wie Marmor, aber nicht so teuer: Arbeitsplatten aus Steinkomposit liegen in Zehntausenden deutschen Küchen. Auch in Australien sind sie populär - und demnächst verboten. Was treibt die Behörden zu diesem weltweit einzigartigen Bann?

Von Jan Bielicki, München

Es gibt sie in allen möglichen Farben und Mustern. Als "Starlight Blue", "Blanco Stellar", "Risotto Crema" und vielen anderen dekorativen Namen vermarktet, liegen sie zu Zehntausenden in deutschen Küchen: Arbeitsplatten, die aussehen, als wären sie aus Stein geschnitten, tatsächlich aber aus Steinkomposit, auch Quarzkomposit genannt, bestehen. Der in den Achtzigerjahren entwickelte Werkstoff, in dem natürliche Quarzteilchen mit Farbstoffen und Kunstharz verbunden sind, hat viele Vorteile: Er ist hart und widerstandsfähig, kann so edel aussehen wie echter Marmor oder Granit, ist aber bei Weitem nicht so teuer.

In Australien ist er nun verboten. In der vergangenen Woche beschlossen die Arbeitsminister der australischen Bundesstaaten, die Verwendung von Steinkomposit ausnahmslos zu untersagen. Vom kommenden Juli an dürfen die auch Down Under beliebten Arbeitsplatten weder hergestellt noch bearbeitet werden. Der weltweit bisher einzigartige Schritt folgt einer Empfehlung der nationalen Arbeitsschutzagentur, die das Hantieren mit dem Stoff als zu gefährlich für Steinmetze und andere beteiligte Arbeiter einstufte.

Tatsächlich lesen sich die Befunde vom anderen Ende der Welt alarmierend. Danach erkrankte dort fast jeder vierte Steinarbeiter, der bis 2018 in der Branche beschäftigt war, an einer Silikose oder ähnlichen Lungenleiden, die auf das Einatmen feinster Quarzstaubpartikel zurückgehen. Die auch als Steinhauer- oder Bergmannslunge bekannte Silikose gilt als unheilbar und kann zu Lungenkrebs und Tod führen. Die australische Gewerkschaft AMWU nennt den Quarzstaub darum das "Asbest des 21. Jahrhunderts".

In Australien hat Ikea die Kompositplatten aus dem Sortiment genommen

Das Verbot trifft eine Industrie, die mit Steinkomposit laut Branchenanalysen weltweit mehr als 20 Milliarden Euro umsetzt, Tendenz stark steigend. In Europa jedoch hat die Nachricht aus dem fernen Australien bisher keine Folgen. "Aus deutscher und europäischer Arbeitsschutzsicht sind Verbote nur sehr selten angezeigt", teilte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage mit.

Im Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt man stattdessen auf Schutzmaßnahmen, wie sie die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 559 für den Umgang mit quarzhaltigen Stoffen vorschreibt. Das Einhalten dieser Regel "ermöglicht ein sicheres Arbeiten", heißt es. Tatsächlich zählte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2022 nur 295 neu als Berufskrankheit anerkannte Fälle von Silikose. Im Jahr 2000 hatte es noch 1627 solcher Fälle gegeben. Den vorgeschriebenen Grenzwert von 0,05 Milligramm kristallinem Quarzstaub pro Kubikmeter Raumluft halten australische Arbeitsschutzexperten aber für zu hoch. Doch einen deutlich niedrigeren Wert zu kontrollieren, sei an den Arbeitsplätzen technisch kaum machbar - daher der Komplettbann.

Australiens größte Händler wie der Möbelmulti Ikea und die Baumarktkette Bunnings haben Kompositplatten bereits aus dem Sortiment genommen. In deutschen Ikea-Märkten sollen solche Produkte aber von Januar an wieder zu haben sein. Man arbeite eng mit Lieferanten zusammen, "um sicherzustellen, dass sie die höchsten Sicherheitsstandards für Umwelt- und Arbeitsbedingungen einhalten", erklärte der Konzern auf Anfrage.

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