Kniefall Brandts und andere Gesten:Mehr als tausend Worte

Zahlreiche Politiker haben symbolische Zeichen gesetzt und die deutsche Geschichte beeinflusst. Historische Momente im Überblick.

1 / 12
(Foto: DPA)

Brandts Kniefall ist die bekannteste politische Geste in Deutschlands Nachkriegsgeschichte, jedoch nicht die einzige. Zahlreiche Politiker haben Zeichen gesetzt und dadurch den Gang der Geschichte beeinflusst - durch berühmte Sätze, einen Händedruck im richtigen Moment oder die Art ihres Auftritts. Ein Überblick. Eine symbolische Geste an einem symbolischen Ort: Im Élysée-Palast von Versailles umarmen sich Konrad Adenauer und der französische Präsident Charles de Gaulle nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags am 22. Januar 1963. Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag wird die besondere Verbindung beider Länder begründen. Der Élysée-Palast ist der Ort, wo zuvor die Erbfeindschaft beider Völker ihren Ausdruck gefunden hatte: Im Spiegelsaal wurde dort nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 das Deutsche Reich proklamiert. Nach dem Ersten Weltkrieg revanchierten sich die Franzosen für diese Demütigung, indem sie die besiegten Deutschen für die Unterzeichnung des Friedensvertrags ebenfalls in den Spiegelsaal bestellten. Vielleicht liegt es an dieser Vergangenheit, dass die Umarmung der beiden Staatsoberhäupter etwas unbeholfen ausfällt. Anstatt sich zu umarmen, ergreifen sie einander an den Unterarmen. Sie scheinen beide etwas verlegen zu sein, schauen in unterschiedliche Richtungen. Das tut der Freundschaft aber keinen Abbruch: Mit dem Vertrag sind die besonderen deutsch-französischen Beziehungen besiegelt.

2 / 12
(Foto: AP)

"Ich bin ein Berliner", diese Worte sind untrennbar mit John F. Kennedy verbunden. Am 26. Juni 1963 hielt er eine Rede über die Freiheit vor dem Berliner Rathaus Schöneberg. Anlass war der 15. Jahrestag der Berliner Luftbrücke, es war der erste Besuch eines US-amerikanischen Präsidenten nach dem Mauerbau 1961. Mit seiner Rede wollte Kennedy seine Solidarität mit der Bevölkerung Westberlins ausdrücken.

3 / 12
(Foto: dapd)

Der Kniefall Willy Brandts am 7. Dezember 1970 vor dem Denkmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto war die vielleicht wichtigste Geste der Nachkriegsgeschichte. Die Demutsbekundung kam überraschend und wurde international als Bitte um Vergebung gewertet. Sie ebnete den Weg für Willy Brandts Ostpolitik - und damit für die Wiedervereinigung Deutschlands. Genau vierzig Jahre später legte Bundespräsident Christian Wulff an selber Stelle einen Kranz nieder. Wulff gedachte gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Bronislaw Komorowski und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel Brandts Kniefall. Wulff würdigte die Geste als eine, "die uns in ihrer Demut noch fesselt. Eine Geste, die um Versöhnung bat".

4 / 12
(Foto: DPA)

Mit einem symbolischen Händedruck bekräftigen Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand die Freundschaft beider Länder. Sie treffen sich am 22. September 1984 auf dem Soldatenfriedhof Douaumont in Verdun, um der Gefallenen beider Kriege zu gedenken. Während ein Trompeter in der Gedenkzeremonie die Totenklage spielt, reichen sich Kohl und Mitterand unvermittelt die Hände - und verharren vor einem mit Fahnen beider Länder geschmückten Sarg vor dem Gebeinhaus.

5 / 12
(Foto: AP)

Es sollte eine Geste der Freundschaft werden. Als sich Ronald Reagan und Helmut Kohl am 5. Mai 1985 auf dem Soldatenfriedhof "Kolmeshöhe" am Rande Bitburgs vor den Weltmedien die Hände reichen, sind sie sich der Symbolik bewusst. Ein pikantes Detail sorgt allerdings im Nachhinein für Aufregung: Auf dem Friedhof liegt kein einziger US-Soldat, aber 49 Angehörige der Waffen-SS. Dies führt zur sogenannten Bitburg-Kontroverse und zieht weltweite Kritik nach sich.

6 / 12
(Foto: dpa)

Nur drei Tage später, am 8. Mai 1985, hält der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker seine wohl bekannteste Rede im Bundestag. Zum 40. Jahrestag des Kriegsendes gesteht er erstmals öffentlich die Schuld des deutschen Volkes an den Verbrechen des Nationalsozialismus ein. "Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft", sagt Weizsäcker in seiner Rede. Er spricht über das Leid der Betroffenen, die Verantwortung nachfolgender Generationen und die Rolle der Bundesrepublik. Viele sehen heute darin die Voraussetzung für die internationale Zustimmung zur Einheit Deutschlands.

Kniefall Brandts und andere Gesten

120104_pob_grüne1

7 / 12
(Foto: dpa)

Ein Eid in Turnschuhen - das gab es bisher nur bei den Grünen, als Joschka Fischer am 12. Dezember 1985 in weißen Turnschuhen zu seiner Vereidigung als Landesumweltminister im hessischen Landtag schritt. Hessens Ministerpräsident Holger Börner (links) nahm ihm trotzdem den Schwur ab - erstmals in der Geschichte Deutschlands bekleidete ein Grüner ein Ministeramt. Mit seinem Turnschuh-Auftritt wollte Fischer demonstrieren: "Seht her, ich bin keiner aus dem Establishment".

8 / 12
(Foto: Dieter Klar/dpa)

1987: Die Spannungen zwischen der Sowjetunion und den USA erreichen einen neuen Höhepunkt, nachdem die USA angekündigt haben, in Europa Kurzstreckenraketen stationieren zu wollen. US-Präsident Ronald Reagan hat gleichwohl mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow gute Beziehungen aufgebaut. Die setzt er bei einer Rede vor der Berliner Mauer am Brandenburger Tor am 12. Juni aufs Spiel: "Mister Gorbachev, tear down this wall!" - "Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!", fordert Reagan von Gorbatschow - der Jubel von 25.000 Zuhörern ist ihm sicher. (Rechts im Bild Bundeskanzler Helmut Kohl, links Bundestagspräsident Philipp Jenninger)

9 / 12
(Foto: AP)

Spätsommer 1989: Auf dem Gelände der Prager Botschaft drängen sich Tausende Flüchtlinge aus der DDR, die auf eine Ausreisegenehmigung in die BRD hoffen. Am Abend des 30. September tritt Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher auf den Balkon der Botschaft. "Liebe Landsleute", setzt er an, "wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise" - weiter kommt er nicht, seine Worte gehen im Jubel der Menge unter. Zuvor hatte sich Genscher mit dem damaligen Außenminister der Sowjetunion, Eduard Schewardnadse, getroffen und mit ihm verhandelt. Um 18:58 Uhr gab er die frohe Botschaft bekannt. Für die Flüchtlinge in der Botschaft ging damit der Traum von der Freiheit in Erfüllung. Schon kurze Zeit später fiel die Mauer.

10 / 12
(Foto: dpa)

"Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt." Günter Schabowski (Foto), Mitglied des Politbüros der SED, liest die Genehmigung von einem Zettel ab, den er aus seiner Tasche gekramt hat. Es ist der 9. November 1989, 18:57 Uhr. Schabowski hält in Ostberlin eine Pressekonferenz vor Journalisten aus aller Welt. Den Zettel hat er vorher von Egon Krenz, dem Nachfolger Erich Honeckers in der Position des DDR-Staatsratsvorsitzenden, zugesteckt bekommen. Die Reporter horchen auf: "Gilt das auch für Westberlin?", fragen sie. Schabowski, selbst irritiert, zuckt mit den Schultern und bejaht. "Wann tritt das in Kraft?", wollen die Journalisten wissen. "Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich", stammelt Schabowski. Die Mauer sollte wenige Stunden später geöffnet werden.

11 / 12
(Foto: AP)

Große Politik von großen Männern: Während eines Treffens von Bundeskanzler Helmut Kohl in Strickjacke und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow im Pullover im Kaukasus geht es leger zu (im Bild links Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher). Bei einem Sonntagsspaziergang am 16. Juli 1990 besprechen die beiden Staatsmänner dafür umso wichtigere Themen. Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des wiedervereinigten Deutschlands. Einen Tag später verkünden sie das Ergebnis ihrer Unterredung: Deutschland soll nach dem Willen der beiden Politiker nach Abschluss der Wiedervereinigung seine "volle und uneingeschränkte Souveränität" erhalten.

12 / 12
(Foto: dpa)

Als erste ausländische Regierungschefin hält Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. März 2008 eine Rede vor der Knesset in Israel. Zuvor war es den Staatsoberhäuptern vorbehalten, vor dem israelischen Parlament zu sprechen. Merkel betont die historische Verantwortung Deutschlands für Israel; die Sicherheit des jüdischen Staates sei Teil der deutschen Staatsräson und nicht verhandelbar. Zwar spricht Merkel zu Beginn einige Sätze auf Hebräisch, ihre Rede aber hält sie auf Deutsch. Darüber hatten sich im Vorfeld einige Knesset-Abgeordnete empört. Sie würden es nicht ertragen, dass im Parlament Deutsch gesprochen werde. Vor Merkels Rede verlassen denn auch einige Parlamentarier den Saal, der Großteil bleibt jedoch sitzen. Die Mehrheit applaudiert spontan, als Merkel hebräisch spricht. (Im Bild: Merkel mit der Präsidentin der Knesset, Dalia Itzik.)

© sueddeutsche.de/jul/hild/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: