Klimaziele:Regierung streitet über Klimaschutz für Gebäude

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Ein Gesetz zwingt Ministerien, die ihre CO₂-Ziele verfehlen, zu Sofortprogrammen für mehr Klimaschutz. Doch was, wenn die nicht sofort wirken? Schon im ersten Fall droht das Instrument zu scheitern.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Groß waren die Hoffnungen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. "Das Klimaschutzgesetz wird die Art, wie die Bundesregierung beim Klimaschutz zusammenarbeitet, fundamental verbessern", sagte die SPD-Politikerin im Oktober 2019 bei der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag. "Es macht die zuständigen Ministerinnen und Minister dafür verantwortlich, die für ihren Bereich geltenden Ziele auch zu erreichen." Den Mechanismus dafür hatte ihr Haus ausgeklügelt: Verfehlt ein Bereich sein Klimaziel, muss das entsprechende Ressort binnen drei Monaten ein "Sofortprogramm" vorlegen. Die Klimaziele für die einzelnen Sektoren legte ein Anhang zum Gesetz fest, in Millionen Tonnen für jedes Jahr. Nun jedoch zeigen Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen: Schon der erste Anwendungsfall könnte scheitern.

Betroffen sind die Ministerien für Wirtschaft und Bau, gemeinsam verantworten sie die Emissionen im Gebäudesektor. Im Corona-Jahr 2020 war er der einzige Bereich, der sein Klimaziel verfehlte: Beim Beheizen von Gebäuden setzten die Deutschen zwei Millionen Tonnen mehr frei, als es der Anhang zum Klimaschutzgesetz erlaubt. Ein Expertenrat der Bundesregierung bestätigte dies im April: Es sei "unwahrscheinlich, dass der Gebäudesektor im Jahr 2020 sein Sektorziel erreicht hat", urteilten die Wissenschaftler. Damit begann für die Ministerien die dreimonatige Frist.

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Und sie lieferten, fristgerecht. Am 13. Juli verschickten sie den Entwurf für ein "Sofortprogramm". Für die "sehr erfolgreich angelaufene Bundesförderung für effiziente Gebäude", so heißt es darin, wolle man "noch in 2021 ein zusätzliches Neuzusagevolumen für Förderanträge in Höhe von rd. 5,8 Mrd. Euro" sicherstellen. Aus dem Programm wird etwa die Sanierung von Häusern und Wohnungen gefördert, aber auch der Austausch von Ölheizungen. Zuständig ist das für Energiefragen verantwortliche Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU).

Die Milliarden, so heißt es aus seinem Ministerium, habe der Haushaltsausschuss "im Rahmen eines Antrags auf überplanmäßige Ausgaben" genehmigt. Allerdings ist es nicht ganz leicht, das zusätzliche Geld auch unter die Leute zu bringen. Das Ministerium verweist auf die große Nachfrage nach Fördermitteln, allein 2,7 Milliarden Euro habe die zuständige Behörde im ersten Halbjahr bewilligt. Weitere 3,4 Milliarden Euro habe die staatliche Förderbank KfW zugesagt. Aber zusätzlich zu den ohnehin geplanten Mitteln noch einmal 5,8 Milliarden Euro, und das noch in diesem Jahr? "Die bisherigen Antragszahlen zeigen eine weiter steigende Nachfrage", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Vorsichtshalber hatte das Ministerium auch ein Gutachten anfertigen lassen, das die CO₂-reduzierenden Effekte des Sofortprogramms belegen soll. Doch diese entstehen der 26-seitigen Expertise zufolge erst mit Verzug und auch recht langsam: Erst 2025 würden jährlich jene zwei Millionen Tonnen gemindert, die 2020 zu viel waren. Doch das Klimaschutzgesetz verlangt ein Sofortprogramm, das sofort wirkt und die Ziele "für die folgenden Jahre" einhält.

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Nun könnte das Gesetz, das doch die Zusammenarbeit der Ministerien fundamental verbessern sollte, ins Leere laufen. Denn das Umweltministerium lehnt den Vorschlag ab. Er verstoße gegen die Regeln, schreibt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth an seine Kollegen im Wirtschafts- und im Bauministerium. "Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie darum, ein Sofortprogramm vorzulegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Gebäudesektors für die folgenden Jahre sicherstellt."

Wie das gelingen soll, sieben Wochen vor der Wahl, weiß keiner. Und was geschieht, wenn ein Sofortprogramm den Namen nicht verdient, das ist im Gesetz nicht geregelt.

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