Jennifer Morgan hat noch keine Weltklimakonferenz verpasst, doch so etwas hat die Klimabeauftragte des Außenministeriums und Chefverhandlerin der Bundesregierung auch noch nicht erlebt. An Tag eins der 28. Auflage in den Vereinigten Arabischen Emiraten war das erste große Thema schon erledigt, die fast 200 Mitgliedsstaaten der UN-Klimakonvention einigten sich auf einen neuen Fonds für "Schäden und Verluste", aus dem ärmere Länder Geld erhalten sollen, wenn sie von schlimmen Naturkatastrophen getroffen werden. Morgan sprach von einem "Geist des Anpackens und des Zusammenkommens", der in Dubai zu spüren sei und nun in die Verhandlungen getragen werden müsse.
Denn das strittigste Thema blieb davon unberührt: Steigt die Welt ein in den Ausstieg fossiler Energieträger? Davon hängt letztlich ab, ob die Konferenz als Erfolg für das Klima gewertet wird. Denn die Klimawissenschaft ist sich einig, dass ohne ein relativ schnelles Ende von Kohle, Öl und Gas keine Chance mehr besteht, das im Pariser Abkommen von 2015 gesetzte Ziel zu halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius oder zumindest weit unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Für viele Beobachter kommt die Konferenz damit endlich beim Kern des Problems an. Noch 2021 in Glasgow tasteten sich die Teilnehmer erstmals an eine Formulierung heran, die Kohleverbrennung zurückzufahren. Jetzt geht es auch um Öl und Gas.
Doch die Widerstände sind groß, und einer Abschlusserklärung müssen alle zustimmen. Die Konferenz soll am 12. Dezember enden, bis dahin hetzen die Verhandler über die Gänge des riesigen Messegeländes Expo City am Rande von Dubai. Die Willigen, um möglichst viele auf ihre Seite zu bringen, die Unwilligen, um ambitionierte Ergebnisse zu verhindern und sich selbst dabei nicht zu sehr ins Abseits zu manövrieren. Anfang September, beim Treffen der G 20, der stärksten Industriestaaten, die für mehr als 80 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, hatte eine von Russland und Saudi-Arabien angeführte Gruppe versucht, die Klimaziele eher abzuschwächen. Auch in Dubai deutet sich eine Allianz aus diesen Ländern an, schärfere Vereinbarungen zu verhindern.
Die USA und China haben bereits gemeinsame Positionen vorgelegt
Vieles wird ankommen auf die beiden Schwergewichte und Großemittenten USA und China. So weit sie geopolitisch bisweilen auseinanderliegen, kurz vor der Konferenz in Dubai hatten sie eine Erklärung vorgelegt mit gemeinsamen Positionen in der Klimapolitik. Darin sprechen sie sich für die Forderung aus, die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen, um Kohle, Öl und Gas schneller ersetzen zu können. Der US-Klimabeauftragte John Kerry erklärte, er würde einer Formulierung zustimmen, die fossile Brennstoffe mittelfristig nur erlaubt, wenn das CO₂ abgeschieden wird. Eine Technologie, die sich bislang allerdings nicht durchsetzen konnte, weil sie teuer und energieintensiv ist.
Mehr als 160 Staats- und Regierungschefs kommen in die Emirate, was erneut die Bedeutung der Klimakonferenz unterstreicht. Der Papst lässt sich krankheitsbedingt vertreten. UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte zu Beginn die Öl- und Gasindustrie scharf, denn nach Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) leistete sie zuletzt nur ein Prozent der weltweiten Investitionen in saubere Energien. Und das trotz Milliardengewinnen. Er warnte die Unternehmen vor einem veralteten Geschäftsmodell. Und forderte die Regierungen auf, die Industrie zum Umstieg zu bewegen, etwa durch CO₂-Steuern oder den Abbau von Subventionen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) landete am Freitagnachmittag in Dubai und gab den Startschuss für den von ihm initiierten Klimaklub. Die Idee entstand in der deutschen G-7-Präsidentschaft 2022, er soll die Mitglieder dazu bewegen, in der Transformation zu einem klimaneutralen Wirtschaften mit gleichen Regeln zu spielen. Als sich aber nicht einmal alle G-7-Länder auf einen gemeinsamen CO₂-Preis einigen konnten, schien die Idee gescheitert zu sein.
Unter einem veränderten Ansatz starten nun 36 Länder vor allem aus Europa, aber auch aus Südamerika, Asien und Afrika in den Klimaklub. Chile übernimmt zunächst mit Deutschland den Vorsitz. Der Klub soll nun gemeinsame Lösungen finden, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren - die Stahl-, Aluminium- und Zementbranchen sind für einen großen Teil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. "Wir werden dies Schritt für Schritt durch den Austausch von Gütern, Know-how und Technologien tun", kündigte Scholz an, "wir wollen grünes Wachstum fördern. Und zwar schnell." Der Kanzler glaubt an sein Modell der freiwilligen internationalen Kooperation. Er sei sich sicher, "dass wir bis zur nächsten Klimakonferenz noch zahlreicher sein werden".