Wohnen:Menschen, die um ihr Zuhause bangen

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"Mieterinnen und Mieter sollen in ihren Kiezen und Vierteln bleiben können", sagt Klara Geywitz (SPD). Wohnblöcke in Berlin-Marzahn. (Foto: Regina Schmeken)

Wie lässt sich die Verdrängung von Mietern durch Investoren bremsen? Über ein wichtiges Instrument, das Vorkaufsrecht der Kommunen, bahnt sich Streit in der Ampelkoalition an.

Von Roland Preuß, Berlin

Es hagelt derzeit Briefe mit starken Worten bei der Bundesregierung. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schreibt an Kanzler Olaf Scholz (SPD) von einem "dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf", eine Reaktion sei "eminent wichtig und dringlich", wie es in dem Schreiben von letzter Woche heißt. Die Chefs der Mietervereine in Berlin, Hamburg und München fordern gemeinsam von der neuen Bauministerin Klara Geywitz (SPD), das Vorkaufsrecht von Städten und Gemeinden müsse "sofort wieder rechtssicher gemacht werden". Viele Mieterinnen und Mieter , "bangen derzeit um ihr Zuhause". Zuvor hatten schon die versammelten Bauministerinnen und Bauminister der Länder mit großer Mehrheit rasches Handeln angemahnt.

Dennoch ist zweifelhaft, dass schnell etwas passieren wird. Denn die FDP im Bundestag zeigt sich skeptisch. "Es ist schwieriger geworden für die Kommunen, ins Eigentum einzugreifen - und das ist auch legitim", sagt deren wohnungspolitischer Sprecher Daniel Föst. Damit bahnt sich ein Konflikt in der Ampelkoalition an. Denn die Äußerungen von Bauministerin Geywitz weisen in eine andere Richtung. "Mieterinnen und Mieter sollen in ihren Kiezen und Vierteln bleiben können. Ich setze mich dafür ein, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht in diesem Sinne rechtssicher angewendet werden kann", sagte sie am Dienstag der Süddeutschen Zeitung.

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Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November. Dieses hatte die bisherige Praxis vieler Kommunen, Mietshäuser zu kaufen, wenn eine Verdrängung der Bewohner durch private Investoren zu befürchten ist, gekippt. Dieses Vorkaufsrecht ist nur noch möglich, wenn ein Gebäude weitgehend leer steht oder verkommt, aber nicht mehr, wenn die Stadt starke Mietsteigerungen erwartet. Investoren konnten den Zugriff der Kommunen bisher nur abwenden durch eine Verpflichtung, die Wohnungen etwa nicht teuer zu sanieren und deshalb die Mieten zu erhöhen.

Damit, so die weit verbreitete Einschätzung von Politikern und Fachleuten, werde den Städten ein schlagkräftiges Instrument gegen Spekulanten und die Verdrängung der angestammten Bewohner vieler Viertel aus der Hand geschlagen. Von Mitte 2018 bis heute konnten laut Oberbürgermeister Reiter allein in München durch Verpflichtungserklärungen von Käufern und durch Ausübung des Vorkaufsrechts 1345 Wohnungen geschützt werden. Diese Praxis ließe sich durch eine Gesetzesänderung wieder ermöglichen, darauf hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich hingewiesen. Die Frage ist, ob der politische Wille dafür da ist.

Die FDP wiegelt ab, die Bauministerin drängt

Der FDP-Fachpolitiker Föst hält die Aufregung indes für übertrieben. Das Vorkaufsrecht sei lediglich eines von vielen Werkzeugen zum Wohle von Mietern. "Sie können in Milieuschutzgebieten nichts machen ohne Genehmigung, wenn es zu Mieterhöhungen führen könnte", sagt Föst. In Milieuschutzgebieten gelten strengere Regeln zum Schutz von Mietern, viele Viertel in deutschen Großstädten fallen darunter.

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Partner vereinbart, zu prüfen, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts "gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt". Das lässt vieles offen. Daniel Föst sagt, man müsse das nun "sauber abarbeiten". "Ich will mir das in Ruhe ansehen, wir werden das aber recht schnell prüfen." Mit seiner Skepsis weiß der FDP-Politiker die Immobilienwirtschaft hinter sich. "Hauptziel muss die Ausweitung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum durch mehr und günstigeren Wohnungsbau sein", sagt der Präsident des Branchenverbandes GdW, Axel Gedaschko. Allein mit Vorkaufsrechten oder Verschärfungen beim Mietrecht werde man das Problem nicht lösen. "Gesetzgeberischer Änderungsbedarf besteht nicht."

Will sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen: Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Bauministerin Geywitz betont hingegen, das gemeindliche Vorkaufsrecht sei ein wichtiges Instrument für Kommunen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und vor allem auch zu erhalten. "Dafür werde ich zügig in den fachlichen Austausch mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und Verbänden gehen und konkrete Vorschläge machen."

Der sogenannte Milieuschutz gilt als zu löchrig

Die Ministerin weiß wiederum die Mieterverbände hinter sich. Dort stuft man das Vorkaufsrecht als zentral ein. "Es wird jetzt natürlich versucht, dies herunterzustufen, aber für uns ist das Urteil ein riesiges Problem", sagt die Sprecherin des Deutschen Mieterbundes, Jutta Hartmann. Der Milieuschutz allein sei ein löchriger Schutz. Auch dort gebe es die Praxis durch private Investoren, Häuser zu erwerben, Mieter rauszukaufen oder das Wohnen dort ungemütlich zu machen - und dann das Gebäude mit Gewinn weiterzuverkaufen oder teurer zu vermieten. Manche Sanierungen, die zu Mietsteigerungen führten, müsse die Kommune sogar genehmigen, etwa zur Energieeinsparung, sagt Hartmann.

Während sich die Reaktion des Gesetzgebers also noch hinziehen dürfte, spüren die ersten Mieter das Urteil bereits. Die Stadt München hat den geplanten Kauf von fünf Mietshäusern kürzlich abgesagt, in Berlin sind laut Senatsverwaltung für Wohnen 14 Fälle betroffen, in denen Widerspruch oder Klage gegen den Kauf der Kommune eingelegt worden war.

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