USA:Deshalb ist die Kongresswahl so wichtig

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Das Duell zwischen Trump und Clinton dominiert alles - doch auch der Kongress wird zum Teil neu gewählt. (Foto: Bloomberg)
  • Die Amerikaner wählen am 8. November nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern auch ein neues Parlament.
  • Senat und Repräsentantenhaus haben im politischen Gefüge der USA eine fast so mächtige Stellung wie der Präsident.
  • Dass die Demokraten in diesem Jahr das Repräsentantenhaus zurückerobern könnten, gilt als unwahrscheinlich.

Von Hubert Wetzel, Washington

In all dem Getöse um Hillary Clinton und Donald Trump geht fast unter, dass die Amerikaner am 8. November nicht nur einen neuen Präsidenten wählen, sondern auch ein neues Parlament - zumindest ein teilweise neues: Im Repräsentantenhaus stehen (wie alle zwei Jahre) sämtliche 435 Abgeordneten zur Wahl; im Senat werden 34 der 100 Senatoren neu bestimmt. 24 der zur Wahl stehenden Sitze waren bisher in republikanischer Hand, entsprechend hoch ist das Risiko für die konservative Partei, die Kongresskammer zu verlieren.

Das "Haus" und der Senat haben im politischen Gefüge der USA eine fast so mächtige Stellung wie der Präsident. Gesetze können nur in Kraft treten, wenn beide Kammern zugestimmt haben. Der Senat muss zudem der Ernennung von Ministern, Bundesrichtern, Generälen, Botschaftern und Hunderten ranghohen Regierungsmitarbeitern zustimmen. Zudem gebietet der Kongress über den Haushalt. Was immer der Präsident tun will, er muss sich dafür das Geld vom Parlament bewilligen lassen. All das gibt dem Kongress die Möglichkeit, die politische Agenda eines Präsidenten zu befördern - oder aber völlig zu blockieren.

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Genau das haben die Republikaner in den vergangenen Jahren bei Barack Obama gemacht. Der Präsident hatte in seinen ersten beiden Amtsjahren noch demokratische Mehrheiten in Haus und Senat und konnte deswegen seine Gesundheitsreform durchsetzen. 2010 verloren die Demokraten ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus, 2014 auch die im Senat. Und Mehrheitsverlust bedeutet im Kongress absoluten Machtverlust: Die Mehrheitspartei kontrolliert alle Ausschüsse und bestimmt, ob und wann über welche Gesetze abgestimmt wird. Deshalb ist Washington seither politisch weitgehend gelähmt.

Das Repräsentantenhaus werden die Demokraten kaum erobern

Dass die Demokraten in diesem Jahr das Repräsentantenhaus zurückerobern könnten, gilt als sehr unwahrscheinlich. Die Republikaner haben dort eine solide Mehrheit von 247 zu 188 Sitzen. Die allermeisten Abgeordneten stammen aus sicheren Wahlbezirken. Einen Nettozugewinn von 30 Sitzen, den sie für eine Mehrheit bräuchten, wird den Demokraten kaum gelingen. Das wäre nur möglich, wenn Hillary Clinton mit überwältigender Mehrheit gewänne, sodass ihre Strahlkraft eigentlich chancenlose demokratische Kongresskandidaten mit über die Ziellinie bringt.

Anders sieht es im Senat aus, wo die Republikaner derzeit noch eine Mehrheit von 54 zu 46 Sitzen halten. Hier müssten die Demokraten nur fünf Sitze für eine Mehrheit hinzugewinnen. Das scheint machbar zu sein, vor allem, weil dieses Jahr so viele republikanische Sitze zur Wahl stehen. Die Experten des Umfragenblogs FiveThirtyEight geben den Demokraten daher im Moment eine Chance von knapp 70 Prozent, den Senat zu erobern. Sollte Hillary Clinton Präsidentin werden, würde den Demokraten im Senat sogar ein Nettogewinn von vier Sitzen reichen. Dann herrschte Gleichstand in der Kammer - die entscheidende Stimme könnte bei Abstimmungen, die 50 zu 50 ausgehen, dann Clintons Vizepräsident Tim Kaine abgeben.

Ein Albtraum für die Demokraten wäre es freilich, wenn der Republikaner Donald Trump ins Weiße Haus einzieht und dessen Partei die Macht in beiden Kongresskammern behält. Das wäre eine Konstellation, die es den Republikanern tatsächlich ermöglichen würde, viele Dinge rückgängig zu machen, die Obama als Teil seines politischen Erbes ansieht - allen voran die umstrittene Gesundheitsreform. Bisher sind alle Versuche der Republikaner gescheitert, diese wieder zu kippen. Im Zweifelsfall konnte Präsident Obama immer sein Veto einlegen.

Von den neun Richterposten ist derzeit einer unbesetzt

Säße aber ein Republikaner im Weißen Haus, wäre dieses letzte Verteidigungsbollwerk weggeräumt. Die Demokraten müssten dann versuchen, Attacken auf "Obamacare" durch Verfahrenstricks im Senat abzuwenden. Ob das auf die Dauer gelänge, ist offen. Das ist einer der Gründe, warum Obama und dessen Frau Michelle in diesen Tagen so vehement Wahlkampf für Clinton machen.

Die Mehrheitsverhältnisse im Senat sind auch für die Ernennung neuer Verfassungsrichter wichtig. Von den neun Richterposten ist derzeit einer unbesetzt, in den nächsten Jahren werden vermutlich noch ein bis drei weitere Stellen neu zu besetzen sein. Da der Oberste Gerichtshof inzwischen in vielen brennenden politischen Streitfragen die letzte Instanz ist, die der zerstrittene Kongress nicht lösen kann, ist die politische Ausrichtung der auf Lebenszeit ernannten Richter extrem wichtig.

Eine Präsidentin Clinton, der ein demokratisch dominierter Senat zur Seite steht, könnte daher das Verfassungsgericht durch ihre Personalauswahl für Jahrzehnte nach links rücken. Unter einem republikanischen Präsidenten Trump, der eine republikanische Mehrheit im Senat hat, ginge es nach rechts.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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