Italien:Ukraine oder Russland

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Hätte Vizekanzler Matteo Salvini das Sagen, würde das G-7-Gipfeltreffen am Samstag wohl ganz anders aussehen. Doch Premierministerin Giorgia Meloni wird die virtuelle Runde leiten. (Foto: FILIPPO MONTEFORTE/AFP)

Zwischen Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrem Stellvertreter Matteo Salvini wachsen die Spannungen. Noch lächelt sie die Störmanöver des Vizepremiers einfach weg. Wie lange geht das noch gut?

Von Marc Beise, Rom

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni ist in diesem Jahr besonders gefordert als Staatsfrau. Obwohl sie erst im Oktober 2022 als Newcomerin ohne jede Regierungserfahrung an die Spitze eines wichtigen Staates gewählt worden ist, hat der Zufall ihr bereits im zweiten Amtsjahr eine besondere Herausforderung beschert. Italien hält turnusmäßig den Vorsitz der G-7-Staaten, des informellen Zusammenschlusses der bedeutendsten Industriestaaten der westlichen Welt. Damit laufen 2024 alle Fäden in Rom zusammen.

Über das Jahr verteilt gibt es zahlreiche Ministertreffen der G7 in Italien und Mitte Juni das große Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden und den anderen Staats- und Regierungschefs. Als Tagungsort suchte Meloni das Luxusressort Borgo Egnazia in ihrer bevorzugten Urlaubsregion Apulien aus. Bereits für den kommenden Samstag hat sie ein virtuelles G-7-Spitzentreffen angesetzt, bei dem es vor allem um den Krieg in der Ukraine gehen wird. Auch Staatspräsident Wolodimir Selenskij wird zugeschaltet sein.

Meloni hat sich eindeutig aufseiten der Ukraine positioniert

Die bedingungslose Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine und zu massiven Waffenlieferungen bröckelt, insbesondere in den USA. Dort blockieren die Republikaner weitere Unterstützung. Die Lage ist also heikel. Die westlichen Regierungschefs müssen sich aber über die Moderation von Meloni am Samstag keine Sorgen machen. Die Italienerin hat sich eindeutig aufseiten der Ukraine positioniert - auch wenn die konkreten Hilfsleistungen aus Italien weit hinter denen anderer Länder zurückbleiben, vor allem den USA und Deutschland.

Die Sache würde freilich ganz anders aussehen, wenn in der virtuellen Runde Vizekanzler Matteo Salvini das Sagen hätte, der zweitwichtigste Politiker der sehr rechten Regierungskoalition in Rom. Salvini gilt nicht nur aus früheren Jahren als Putin-Freund und -Versteher, er besetzt diese Rolle auch jetzt wieder aktiv. Während es im Westen zuletzt eine tiefe Bestürzung über den möglicherweise gewaltsamen Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gab und die Verantwortung dafür eindeutig Putin zugeschrieben wird, mimte Salvini den Unwissenden. Man könne ja nicht wissen, was im Straflager im fernen Sibirien wirklich passiert sei, sagte er: "Erst die russischen Ärzte und Juristen werden uns Klarheit über die Todesumstände geben."

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Vizepremier Salvini steht im Europawahlkampf unter Druck

Politische Beobachter benennen als Grund den in Italien bereits voll entbrannten Europawahlkampf, bei dem es nicht nur um den Einfluss in Brüssel geht, sondern der auch ein Barometer für die Lage der italienischen Parteien zu Hause ist. Obwohl die drei Koalitionspartner der Regierung Meloni demonstrative Einigkeit zeigen, steht der einst erfolgsverwöhnte Salvini unter Druck. Seine rechtspopulistische Lega liegt in Umfragen derzeit sogar noch unter den mageren 8,8 Prozent der letzten nationalen Wahlen. Melonis Fratelli d'Italia dagegen bringen es auf deutlich über 26 Prozent, mit denen sie 2022 zur größten Partei Italiens geworden sind. Indem sich Salvini bei vielen Themen gegen den offiziellen Kurs der von ihm doch mitgetragenen Regierung positioniert, hofft er erkennbar auf Protestwähler.

Traditionell haben viele Italiener ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland, und namentlich die Lega blickt auf eine lange prorussische Tradition zurück. Die Zeitung La Repubblica erinnerte gerade daran, dass der derzeitige Vizepremier im Oktober 2018 mit einer großen Gruppe von Mitarbeitern nach Moskau flog - auch damals schon im Vorfeld zu Europawahlen. Ein Jahr zuvor hatte die Lega mit Putins Partei Einiges Russland enge Kontakte auf allen Politikfeldern beschlossen. Die Vereinbarung wurde am 6. März 2017 unterzeichnet und hatte eine Laufzeit von fünf Jahren. Sie verlängerte sich automatisch am 6. März 2022, wenige Tage nach dem Einmarsch in der Ukraine. Putin wiederum adressierte bei einer Veranstaltung diese Woche in Moskau gezielt Italien als "ein Land, das uns immer sehr nah war" und an das er beste Erinnerungen habe.

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Auch der dritte Koalitionspartner, Forza Italia, war früher im Lager der Putin-Freunde zu finden. Parteigründer und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi pflegte eine Männerfreundschaft mit Putin und hielt nicht viel vom Ukrainer Selenskij. Doch Berlusconi ist mittlerweile gestorben und sein Nachfolger, Außenminister Antonio Tajani, achtet sehr darauf, Meloni nicht in den Rücken zu fallen. Diese wiederum bleibt in der Außenpolitik bisher unbeirrt auf ihrem westlichen Kurs, Störkampagnen von Salvini lächelt sie einfach weg. Ob sie damit ihre Koalition dauerhaft stabil halten kann, ist eine offene Frage. Für den G7-Sondergipfel am Samstag, nicht zufällig auf den zweiten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine gelegt, wird es reichen.

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