Nach dem Abraham-Abkommen:Neue Normalität in Nahost

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Der israelische Präsident Isaac Herzog (l.) bei seinem Treffen mit Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan am Sonntag in Abu Dhabi. (Foto: Amos Ben Gershom/dpa)

Israels Präsident Herzog besucht erstmals die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Beziehungen florieren inzwischen auch ohne den Antreiber Trump.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Zwei Tage hat Israels Präsident Isaac Herzog in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verbracht, und über einen Mangel an Aufmerksamkeit und Wohlwollen kann er sich gewiss nicht beklagen. Am Flughafen in Abu Dhabi wurde er am Sonntag mit 21 Salutschüssen empfangen, eine arabische Militärkapelle spielte "Hatikva", die Nationalhymne des jüdischen Staats. Anschließend gab es kaum ein Treffen, bei dem seine Reise nicht als "historisch" bezeichnet wurde. Schließlich ist Herzog der erste israelische Präsident auf Staatsbesuch am Golf. Doch spektakuläre Entwicklungen gibt es nicht zu vermelden. Denn das wirklich Besondere ist die Normalität eines solchen Besuchs.

Als im Sommer 2020 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten verkündet wurde, war das ein Paukenschlag ganz nach dem Geschmack von Donald Trump. Der damalige US-Präsident hatte mit dem Abraham-Abkommen einen schwer durchschaubaren "Deal" vermittelt, bei dem die diplomatischen Fortschritte verwoben waren mit Waffenlieferungen und sonstigen Gegengeschäften. Die Motivlage war also mindestens diffus, die Perspektiven waren ungewiss.

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Nun aber ist Trump ebenso weg wie sein israelisches Alter Ego Benjamin Netanjahu - und die Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten florieren weiterhin auf allen Ebenen: politisch, wirtschaftlich, zwischenmenschlich. Vor Herzog waren bereits mehrere israelische Minister in den VAE, zuletzt kam im Dezember Premier Naftali Bennett. Der Handel boomt, die technologische Zusammenarbeit wird stetig ausgebaut. Zudem haben bereits mehr als 250 000 Israelis die Chance genutzt, mit Direktflügen nach Dubai und Abu Dhabi vormals verbotenes Terrain zu erkunden.

Die neue Nähe zelebrierten nun auch Herzog und der de-facto Herrscher der Emirate, Kronprinz Mohammed bin Zayed Al-Nahyan. Auf ein offizielles Treffen folgte eine als spontan inszenierte Einladung des Kronprinzen an Herzog zu einem weiteren Gespräch unter vier Augen in seinem Privatpalast. "Unsere Beziehungen entwickeln sich unter Volldampf vorwärts", verkündete Mohammed bin Zayed. "Ich bringe eine Botschaft des Friedens für die Völker der ganzen Region mit", erklärte Herzog.

Israel sieht die Annäherung als Abwehrbündnis gegen Iran

Nach der Annäherung an die Emirate und dazu noch an Bahrain, Sudan und Marokko hofft Israel auf die Öffnung weiterer Türen in der arabischen Welt. Wie zentral dabei Saudi-Arabien ist, demonstrierte Herzog, als er auf dem Weg nach Abu Dhabi beim Flug über saudisches Territorium eigens ins Cockpit ging und die Botschaft verbreiten ließ, dies sei ein "sehr bewegender Moment". Die Führung in Riad allerdings bleibt noch in der Defensive.

Aus israelischer Sicht ist die Annäherung an die Golfstaaten zugleich ein Abwehrbündnis gegen Iran. Einige Sorgen, dass die Emirate ein doppeltes Spiel spielen könnten, hatte deshalb im Dezember der Besuch einer VAE-Delegation in Teheran ausgelöst. Nun aber versicherte der Kronprinz seinem israelischen Gast, man habe einen "gemeinsamen Blick auf die Bedrohungen der regionalen Stabilität".

Geschärft wurde dieser Blick gewiss auch durch die jüngsten Angriffe der von Iran unterstützen Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf emiratisches Gebiet. Mitte Januar waren bei mutmaßlichen Drohnenattacken auf den Flughafen von Abu Dhabi und eine Ölanlage drei Menschen getötet worden. Eine Woche später wurden zwei Raketen abgefangen, eine weitere Rakete zerstörte die Luftabwehr in der Nacht zum Montag.

Offenbar war sie gezielt zum Besuch Herzogs abgefeuert worden. Ein Huthi-Sprecher beschimpfte hinterher die Führung der Emirate als "israelische Werkzeuge". Herzog nutzte die Gelegenheit, seine Gastgeber auf die Quelle der gemeinsamen Bedrohung hinzuweisen. "Wir verurteilen jeden Angriff durch terroristische Gruppen", sagte er, "und wir unterstützen vollständig ihre Sicherheitsbedürfnisse."

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