Vereinigte Arabische Emirate:Im Visier der Huthi

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Suche in den Trümmern: Die von Saudi-Arabien geführte Koalition verübte als Antwort auf die Angriffe in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen schweren Luftangriff auf Sanaa, die Hauptstadt Jemens. (Foto: Mohammed Huwais/AFP)

Raketenangriffe in Abu Dhabi und ein Luftschlag auf Sanaa: Der Konflikt in Jemen droht, die Annäherungsversuche in der Region zu unterlaufen.

Von Dunja Ramadan

Wenn es etwas ist, für das die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) neben Prunk und Glamour stehen wollen, dann ist es wohl das: die Bevölkerung soll sich in dem ölreichen Kleinstaat, in dem mehr als 80 Prozent der Einwohner Ausländer sind, sicher fühlen. Doch das viel beschworene Sicherheitsgefühl geriet vergangenen Montag ins Wanken, als es auf dem Industriegelände Mussafah in Abu Dhabi in der Nähe von Lagern des Ölkonzerns ADNOC zu Explosionen an drei Erdöltanks kam. Drei Menschen kamen ums Leben, zwei Inder und ein Pakistaner. Auch auf einer Baustelle des internationalen Flughafens der Metropole brach ein Feuer aus, es kam zu zahlreichen Verspätungen. Die von Iran unterstützte Huthi-Miliz aus Jemen reklamierte die Angriffe für sich. Anfangs gingen Experten von Drohnenangriffen aus, mittlerweile häufen sich Meldungen, dass Marschflugkörper und ballistische Raketen im Einsatz gewesen sein sollen.

Bilder einer riesigen schwarzen Rauchwolke kursierten im Netz, ausgerechnet in Abu Dhabi, dem Sitz der Regierung der VAE. Das konnten die Herrscher am Golf nicht lange auf sich sitzen lassen. Am Dienstag reagierte das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis mit schweren Bombardements auf die jemenitische Hauptstadt Sanaa. Dabei sollen mindestens zwölf Menschen getötet und elf weitere verletzt worden sein, wie es aus Huthi-Kreisen heißt. Auch Zivilisten sollen unter den Opfern sein. Die Bevölkerung im Süden der Arabischen Halbinsel leidet seit Jahren an den Folgen des Krieges, die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Krise der Welt.

2015 begann der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den Krieg im Nachbarland, er wollte einen schnellen Sieg für den verbündeten Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi - doch die schiitische Huthi-Miliz leistet bis heute Widerstand. Auch die Golfmonarchie wurde zur Zielscheibe: So wurden mehrmals Ölanlagen des staatlichen Konzerns Aramco sowie der Flughafen in Abha bombardiert.

Auch Riad strebt eigentlich eine Deeskalation mit dem Regime in Teheran an

Die neue Eskalationsspirale im Jemenkonflikt, der als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran gilt, kommt auch für Riad zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Anfang der Woche reisten erstmals nach sechs Jahren wieder iranische Diplomaten ins Golfkönigreich. Sie nehmen ihre Arbeit in der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in der Hafenstadt Dschidda wieder auf. Riad strebt eigentlich eine Deeskalation mit dem Regime in Teheran an. Der Jemenkonflikt könnte dieser nun im Wege stehen.

Dass die Vereinigten Arabischen Emirate, die ihre Truppen bereits 2019 aus dem Militärbündnis in Jemen weitgehend zurückzogen hatten, nun zur Zielscheibe der Huthi wurden, hat seine Gründe. Zwar scheute Abu Dhabi inzwischen die direkte Konfrontation mit der schiitischen Miliz, auch nachdem diese immer wieder die Verwundbarkeit des kleinen Emirats betonte. So kündigten die Huthi etwa 2018 an, den Flughafen von Dubai zu bombardieren, was für den Kleinstaat ein immenser Imageschaden wäre. Andererseits lenkte das Golfemirat auch nicht wirklich ein, sondern finanzierte weiterhin Milizen in Südjemen. Laut einem Bericht von Amnesty versorgen die VAE dort Gruppierungen mit Waffen, unter anderem aus europäischen Staaten und den USA. In dem Bericht von 2019 ist die Rede von Panzerfahrzeugen, Mörsersystemen, Gewehren, Pistolen und Maschinengewehren "in großem Umfang". Eine der Brigaden trägt den bescheidenen Namen "Die Giganten".

Das Hilfsangebot eines vergleichsweise neuen Verbündeten liegt schon auf dem Tisch

Als dann vor einigen Tagen die von Abu Dhabi unterstützten Milizen die ölreiche Provinz Schabwa einnahmen, war das ein herber Schlag für die Huthi, für den sie dem Emirat wohl einen Denkzettel verpassen wollten. Auch dass VAE-Milizen den Koalitionstruppen zu Hilfe eilten, um die Stadt Marib vor dem Vormarsch der Huthi zu bewahren, dürfte ein Grund für den Angriff auf Abu Dhabi sein. Marib, die letzte Hochburg der Regierung im Norden Jemens, ist ein strategisch wichtiger Ort, in der Nähe liegen große Öl- und Gasfelder.

Eigentlich versuchte sich Abu Dhabi in den vergangenen Jahren an einer weniger interventionistischen und pragmatischeren Außenpolitik, was sich unter anderem an der Annäherung an Iran zeigte. Doch nun wird die Unterstützung jemenitischer Milizen für das kleine Golfemirat zunehmend zum Sicherheitsproblem. Das Hilfsangebot eines vergleichsweise neuen Verbündeten liegt immerhin schon auf dem Tisch: So bot der israelische Premierminister Naftali Bennett in einem Brief an den Kronprinzen von Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin Zayed, Sicherheits- und Geheimdienstunterstützung an. Vor mehr als einem Jahr nahmen die beiden Länder erstmals diplomatische Beziehungen zueinander auf. Je nachdem, wie die Emirate sich entscheiden, ob Konfrontation oder Einlenken, könnte das kein schlechtes Angebot sein.

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