Reaktion von Kanzler Scholz:Krisendiplomatie aus der Ferne

Lesezeit: 3 Min.

Bundeskanzler Scholz gibt nach einem Termin in Chongqing ein Statement zum Thema Iran. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Olaf Scholz erreicht die Meldung von Irans Angriff im Flieger nach China. Das hat Auswirkungen auf den Verlauf der Kanzlerreise.

Von Daniel Brössler, Chongqing

Was die Wissenschaftler da vorbereitet haben, ist fraglos interessant, allerdings fände der Bundeskanzler es an einem anderen Tag vermutlich noch ein bisschen interessanter. Auf einem Tischchen direkt am Jialing-Fluss haben sie einen kleinen Apparat aufgebaut, den sie dem Gast aus Deutschland nun hingebungsvoll erklären. Es geht darum, mithilfe von Magnetfeldern Schwermetalle im Wasser aufzuspüren. Olaf Scholz hört sich die Einzelheiten des Projekts der Umweltbehörde der Megametropole Chongqing mit der Technischen Universität Chemnitz und weiteren sächsischen Instituten an, wirkt dabei aber vergleichsweise mürrisch. Mit den Gedanken ist er vermutlich ein paar Tausend Kilometer weiter westlich.

Nach ein paar Minuten verabschiedet sich der Kanzler höflich und setzt sich in Bewegung zu den bereits wartenden Journalisten. Er wolle, sagt er, zunächst auf eine "ernste Angelegenheit" zu sprechen kommen. Olaf Scholz hatte die nicht unerwartete, aber gefürchtete Nachricht auf 11 900 Meter Flughöhe über Kasachstan erreicht - auf dem Weg zu einem dreitägigen Besuch in China. Im Regierungs-Airbus war schon alles vorbereitetet für die Nachtruhe, aber Olaf Scholz noch wach, als Jens Plötner ihn über die iranischen Angriffe auf Israel informierte. Sein außenpolitischer Berater versuchte, die Informationen zu sortieren - aus offenen Quellen wie auch die Meldungen der Nachrichtendienste. Schnell war klar, dass die Reise des Kanzlers durch China kaum den normalen Verlauf würde nehmen können.

"Mit aller Schärfe hat Bundeskanzler Olaf Scholz die schweren Luftangriffe auf israelisches Staatsgebiet verurteilt, die das Regime in Teheran heute Nacht begonnen hat. Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand", hieß es in einer ersten Erklärung. In diesen schweren Stunden stehe Deutschland eng an der Seite Israels. Über weitere Reaktionen werde man sich eng mit den G-7-Partnern und Verbündeten besprechen.

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Eine Bootsfahrt sagt der Kanzler ab

Scholz wird am Dienstag zu Gesprächen mit Präsident Xi Jinping in Peking erwartet. Zuvor aber absolviert Scholz am Sonntag ein abgespecktes Besuchsprogramm. In der Mega-Metropole Chongqing, mit 32 Millionen Einwohnern angeblich die größte Stadt der Welt, besichtigt er mittags eine Bosch-Produktionsstätte für Wasserstoffantriebe. Gezeigt wird dem Kanzler eine klimatisierte, fast voll automatisierte Fabrik, die erst im vergangenen Jahr eröffnet worden ist. Die Chancen, die sich deutschen Konzernen in China immer noch bieten. Das war eine der Botschaften, die sich Scholz von seinen Stationen Chongqing und danach Shanghai versprochen hatte.

Beim Besuch der Produktionsstätte von Wasserstoffantrieben in Chongqing greift der Kanzler in der Fertigung selbst zum Akkuschrauber. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ein Stadtrundgang mit Architekturstudenten fällt am Sonntag aus, obwohl auch der Scholz besonders interessiert hätte. Das an Berghängen liegende Chongqing ist eine kompliziert in Etagen errichtete Stadt, in der sich Hochhaus an Hochhaus reiht. Scholz schwärmt von einer "ganz beeindruckenden industriellen Stadtentwicklung". Auch die Teilnahme an einer Bootsfahrt seiner Delegation sagt er ab.

Zum einen will der Kanzler, während im Nahen Osten die größtmögliche Katastrophe droht, wohl keine touristisch anmutenden Bilder liefern. Zum anderen muss er sich vom fernen China aus in die Krisendiplomatie einschalten, während in Berlin der Krisenstab unter Leitung von Annalena Baerbock zusammentritt. Das Scholz-Team bereitet auch die Teilnahme an einer Schaltkonferenz von Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten vor. Von Berlin aus ist ein IT-Experte mitgereist, der für die nötige Sicherheit sorgen soll. Allen Mitgliedern der Reisegruppe ist eingebläut worden, dass der chinesische Geheimdienst mithört, wo immer er kann.

Scholz wird mit Xi wohl auch über die Lage in Nahost sprechen

Ein Abbruch der Reise steht nicht zur Debatte. Vor allem, weil das ein Affront gegenüber den Gastgebern wäre und Scholz sich einiges vorgenommen hat, um in China gute Stimmung zu machen. Mit an Bord sind zwölf Wirtschaftsvertreter, Bayer-Chef William Anderson etwa, Mercedes-Boss Ola Källenius und Tobias Meyer, Vorstandschef von DHL.

Sicher aber auch, weil nach den iranischen Angriffen auf Israel eher noch ein dringendes Thema für die Gespräche mit Xi hinzugekommen ist. Den Einfluss Chinas auf das Mullah-Regime in Teheran will man zwar im Scholz-Umfeld nicht überschätzen, aber bei null liegt er sicher nicht.

"Das ist ein durch nichts zu vertretender Angriff. Das ist eine schlimme Eskalation der Lage, und das ist in keiner Weise akzeptabel, nachvollziehbar und hinnehmbar", sagt Scholz nach der Wasserproben-Präsentation vor der imposanten Skyline von Chongqing. "Wir verurteilen den iranischen Angriff scharf und warnen vor jeder weiteren Eskalation. Der Iran darf auf diesem Weg nicht weitermachen", fordert er. Deutschland werde alles dafür tun, "dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt". Er könne "nur alle warnen, insbesondere den Iran, so weiterzumachen".

Am Dienstag will Scholz dann auch an Xi appellieren, Verantwortung für den Frieden zu übernehmen. Im Ukraine-Krieg behauptet China offiziell, neutral zu sein, versorgt Russland aber unterhalb von Waffenlieferungen verlässlich mit allem, was es für den Krieg braucht. Auch zu Iran unterhält die Volksrepublik gute Beziehungen, Israel hatte es wegen des Gaza-Krieges scharf kritisiert. China sei "zutiefst besorgt" über die jüngste Eskalation im Nahen Osten, teilt am Sonntag das chinesische Außenministerium mit. Man rufe alle betroffenen Seiten auf, Ruhe zu bewahren, um eine weitere Zunahme der Spannungen zu vermeiden. Scharfe Kritik an Teheran, wie sie Scholz geäußert hat, ist aus Peking allerdings nicht zu hören.

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