Internet:Ist das schon "digitale Gewalt"?

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Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, will die Menschen im Netz nicht nur vor Hass und Beleidigungen schützen. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Der Bundesjustizminister veröffentlicht Eckpunkte für ein Gesetz, mit dem er vor Gewalt im Netz schützen will. Was dort aufgeführt wird, geht manchen zu weit - genau wie die geplante Auskunftspflicht für Messengerdienste wie Whatsapp.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Der Fisch ungenießbar, die Toilette schmuddelig, der Wirt ein gewalttätiger Rassist - wer im Internet immer wieder über ein Restaurant herzieht oder Geschäfte mit wahrheitswidrigen Behauptungen schädigt, soll in Zukunft wirkungsvoller verfolgt werden können. So steht es in den Eckpunkten für das "Gesetz gegen digitale Gewalt", die Bundesjustizminister Marco Buschmann jetzt veröffentlicht hat.

Der FDP-Politiker will dafür sorgen, dass Betroffene von Drohungen und Beleidigungen im Netz sich effektiver zur Wehr setzen können. Auch die Sperrung von Internet-Accounts soll leichter werden.

In der Netzgemeinde stößt der Plan allerdings auf Widerstand. Das "Gesetz gegen digitale Gewalt" ziele "nicht nur auf digitale Gewalttäter", sondern auch auf allerlei andere, zivilrechtliche Delikte wie die Verletzung des Urheberrechts, kritisierte Netzpolitik.org. Die Website, die sich für digitale Freiheitsrechte einsetzt, wirft Buschmann auch nie gekannte Eingriffe in die private Kommunikation vor.

Auch wahrheitswidrige Nutzerkommentare sollen verfolgt werden können

Im Bundestag sehen manche das ähnlich. Anke Domscheit-Berg, Abgeordnete der Linken und Digitalexpertin der ersten Stunde, hält Buschmanns Vorhaben für problematisch. "Ich finde es richtig, gegen die Betreiber anonymer Accounts vorzugehen, die notorisch andere Menschen beleidigen oder bedrohen", sagte sie. "Aber ich halte es für falsch, das Gesetz auf Bereiche auszuweiten, die mit digitaler Gewalt nicht zu tun haben."

Buschmanns Eckpunkte sehen vor, dass Drohungen und Beleidigungen im Netz von den Opfern effektiver verfolgt werden können. Bisher kommen die Täter meist ungestraft davon, weil sie unter Pseudonym schreiben oder von Fantasie-Accounts. Anzeigen laufen meist ins Leere.

Buschmann will es Betroffenen künftig erleichtern, die reale Identität der Verfasser solcher Hassbotschaften zu erfahren. Sie sollen soziale Netzwerke und Messengerdienste wie Whatsapp zwingen können, IP-Adressen herauszugeben, um die Verfasser zu identifizieren - mit richterlicher Anordnung.

Voraussetzung ist, dass es sich um schwerwiegende Verletzungen der Persönlichkeitsrechte handelt, und um Wiederholungstäter. Internetanbieter sollen auch verpflichtet werden können, Accounts zeitweilig zu sperren.

Nur - um Persönlichkeitsrechte allein geht es Buschmann eben nicht. Die neue Auskunftspflicht soll "in allen Fällen einer rechtswidrigen Verletzung absoluter Rechte" gelten. Gemeint sind da allerlei Rechte: das Urheberrecht etwa oder das sogenannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Eine Rechtsverletzung, die unter das neue Gesetz falle, sei beispielsweise eine "Restaurantkritik" und "Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare", heißt es in Buschmanns Eckpunktepapier. Was folgte, war Protest. "Mit digitaler Gewalt hat das nichts zu tun", kritisierte die Plattform Netzpolitik.org.

"Wer gefühlt ständig überwacht wird, ist nicht mehr frei."

Im Justizministerium ist man inzwischen ziemlich unglücklich über das Beispiel mit dem Restaurant. "Der Begriff Restaurantkritik führt, isoliert betrachtet, vielleicht in die Irre und löst falsche Assoziationen aus", räumte ein Sprecher ein. Dass der liberale Justizminister, ausgerechnet, kritische Bewertungen von Gaststätten verhindern will, mag Buschmann nicht auf sich sitzen lassen.

Wahrheitswidrige Restaurantkommentare könnten "potenziell existenzvernichtend sein", so der Sprecher. Aber eine Entgrenzung des Begriffes digitaler Gewalt sei nicht geplant. Es könne aber auch nicht sein, dass jemand, der beleidigt oder bedroht werde, schlechtergestellt sei als das Opfer einer Urheberrechtsverletzung. Bei Meinungsfreiheit bleibe es. "Das Gesetz ändert nichts an den Spielregeln des demokratischen Diskurses."

Im Bundestag sehen manche das anders. Digital-Expertin Domscheit-Berg etwa lehnt es ab, dass die geplante Auskunftspflicht auch für Messengerdienste wie Whatsapp gelten soll. Damit werde Zugriff auf höchstpersönliche Kommunikation genommen. Domscheit-Berg, geboren in der DDR, findet so viel staatliche Beobachtung unerträglich. "In einer Demokratie darf man nicht das Gefühl haben, dass man sich nirgendwo mehr privat unterhalten kann", sagt sie. "Denn wer gefühlt ständig überwacht wird, ist nicht mehr frei."

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Das "Gesetz gegen digitale Gewalt" sollte auch nicht auf das Urheberrecht ausgeweitet werden, findet die Linken-Abgeordnete. Es gehe nur um Straftaten: Bedrohung, Beleidigung, Verleumdung. Hier allerdings erntet sie Widerspruch von den Grünen. "Das Netz bietet weit vor dem strafrechtlichen Bereich Möglichkeiten, jemandem Gewalt anzutun und das Lebensumfeld zu zerstören", sagt Renate Künast. Die ehemalige Verbraucherschutzministerin war über Jahre Zielscheibe digitaler Gehässigkeiten. Sie hat sich mühselig, aber letztlich erfolgreich bis nach Karlsruhe gegen ihre Peiniger durchgeklagt. Jetzt unterstützt sie Buschmanns Vorhaben, das neue Gesetz auf auch Betroffene von Urheberrechtsverletzungen zuzuschneiden.

Denn in ihrem Fall, sagt Künast, sei es eben nicht nur um Beschimpfungen gegangen, sondern auch um falsche Zitate, die in Umlauf gebracht wurden, mal über Migration, mal über Pädophilie. Auch das sei Gewalt, wenn auch von psychischer Natur. "Wer einem Menschen falsche Zitate unterstellt oder die Glaubwürdigkeit einer öffentlichen Person gezielt beschädigt, kann ihr berufliches Umfeld und ihre Einkommensmöglichkeiten zunichtemachen", sagt Künast. Die Kontroverse dürfte fortgesetzt werden.

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