Landtagswahl in Hessen:Die Buhlschaft um Rhein

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Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein kommt am Morgen nach seinem Wahlerfolg zur Sitzung des CDU-Bundesvorstands in Berlin. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Nach der hessischen Landtagswahl kann sich Ministerpräsident Boris Rhein aussuchen, ob er mit den Grünen weiterregiert - oder doch mit der SPD, der er inhaltlich nähersteht.

Von Gianna Niewel, Wiesbaden

Im Wiesbadener Landtag sieht es am Montag fast wieder so aus, als wäre nichts gewesen. Noch vor wenigen Stunden hatten sie bei der CDU einen Mann beklatscht, der erst im vergangenen Jahr Ministerpräsident geworden war, und dessen Namen sie nun riefen, "Boris, Boris". Noch vor wenigen Stunden hatten sie bei der FDP die besten Weine in den Kühlern, aber keinen Grund, sie zu entkorken. Erst am späten Abend war klar, dass die Liberalen es über die fünf Prozent schaffen.

Und so ist der Landtag vielleicht ein ganz guter Ort für einen nüchternen Blick auf die Ergebnisse - und die Fragen, die sich daraus ergeben.

Die CDU und Ministerpräsident Boris Rhein kommen auf 34,6 Prozent. Sie haben im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl deutlich dazugewonnen und liegen über dem Bundestrend ihrer Partei. Die AfD kommt auf 18,4 Prozent und wird zweitstärkste Kraft in Hessen. Es ist ihr bisher bestes Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Die SPD holt mit 15,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Hessen, und das mit der Bundesinnenministerin als Spitzenkandidatin. Die Grünen holen 14,8 Prozent und bleiben hinter den eigenen Erwartungen zurück.

"Einige Fehler haben wir selbst gemacht", räumt SPD-Generalsekretär Degen ein

Was heißt das für die nächste Regierung? Im Landtag kommen am Montag die Generalsekretäre der Parteien zusammen, um die Zahlen zu interpretieren. Man tut Christoph Degen sicher nicht unrecht, wenn man sagt, dass er dabei einen der schwereren Jobs hat. Degen ist Generalsekretär der SPD. Nach 25 Jahren in der Opposition wollten die Sozialdemokraten zurück in die Staatskanzlei, und mit wem könnte das besser klappen als mit Spitzenkandidatin Nancy Faeser? Selbst wenn die im Wahlkampf Bundesinnenministerin bleibt?

Generalsekretär Degen sagt, er habe sich Nancy Faeser als Kandidatin gewünscht, "dahinter stehen wir auch". Im Wahlkampf sei dann aber zu viel über Bundespolitik gesprochen worden und zu wenig über den Lehrermangel im Land, "einige Fehler haben wir selbst gemacht". Dann richtet er den Blick nach vorn: Es gehe nun darum, "Kontinuität darzustellen", auch um mögliche Koalitionsgespräche mit der CDU zu führen. Der Wert der SPD jedenfalls sei höher, als das Wahlergebnis vermuten lasse, schließlich regieren sie in vielen Rathäusern, stellen viele Landräte, das alles liege mit in der Waagschale.

Versucht da einer, sein Gewicht zu erhöhen?

Die CDU und Boris Rhein sind in der komfortablen Situation, sich den Koalitionspartner aussuchen zu können. Bei 133 Sitzen im neuen Landtag hätten sie eine Mehrheit sowohl mit der SPD (74 Sitze) als auch mit den Grünen (73 Sitze). Rhein kann die beiden Parteien also gegeneinander aufwiegen.

Die Grünen betonen auffällig oft, wie gut es mit der CDU geklappt hat

Für ein Bündnis mit den Sozialdemokraten spricht, dass er ihnen in vielen Punkten näher steht als den Grünen, etwa in Verkehrsfragen. Außerdem wäre eine Regierungsbeteiligung für die SPD die einzige Möglichkeit, das Ergebnis irgendwie in einen Erfolg umzudeuten: Immerhin regieren wir wieder mit. Werden sie deshalb vielleicht nicht allzu hart verhandeln? Aber da sind eben auch die Grünen, mit denen die CDU seit zehn Jahren zusammen regiert. Zuletzt schien das Bündnis an seine Grenze geraten zu sein - etwa bei dem Versuch, sich im Untersuchungsausschuss zu den rassistischen Morden von Hanau 2020 auf einen Abschlussbericht zu einigen. Aber in den vergangenen Wochen betonten die Grünen auffällig oft, wie gut sie doch mit der CDU zusammengearbeitet hätten.

Die Grünen waren angetreten mit dem Wunsch, nach der Wahl den Ministerpräsidenten zu stellen. Am Sonntagabend blieben die Balken dann aber bei 14,8 Prozent stehen, das sind fünf Prozentpunkte weniger als bei der vergangenen Landtagswahl. Viele Mitglieder erklärten das vor allem mit Auswirkungen der Bundespolitik. "Wir mussten bergauf kämpfen", sagte Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir.

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Am Montagmorgen schickten die Grünen ihre Parteivorsitzende Sigrid Erfurth in den Landtag, und die klang schon wieder etwas selbstbewusster. In den verschiedenen Gremien über das Ergebnis zu sprechen, werde "nicht immer nur Freude" sein. Einerseits. Andererseits sei es nach wie vor das zweitbeste Ergebnis der Partei in Hessen, weswegen man "im Moment" keine Personaldebatten führe. Und auch sie kam nicht aus ohne den Verweis, wie "stabil und verlässlich" sie doch mit der CDU regiert hätten.

Deren Generalsekretär wiederum hielt sich am Montagmorgen bedeckt. Die CDU werde schauen, "in welchem Zustand" sich die Sozialdemokraten befänden, ansonsten gingen sie "mit Selbstbewusstsein" in die Gespräche. Das allerdings erst, nachdem sie Boris Rhein und das Ergebnis angemessen gefeiert haben.

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