Bundesregierung:Zwei Minister, von den Bäumen heruntergeholt

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Interessantes Verhältnis: Habeck und Linder auf den Bildschirmen, dazwischen der französische Finanzminister Bruno Le Maire. (Foto: Eric Piermont/AFP)

Nach dem großen Atomkrach haben Christian Lindner und Robert Habeck ihren ersten Termin: gemeinsam, doch nicht ganz zusammen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der erste gemeinsame Post-Machtwort-Auftritt von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner beginnt mit einer Frage. "Paris, can you hear us?", fragt Habecks Sprecherin und meint damit Bruno Le Maire, den französischen Finanzminister, der in diesem Moment auf einer Bildschirmkachel zu sehen, aber noch nicht zu hören ist.

Nicht ganz 48 Stunden ist es her, dass Bundeskanzler Olaf Scholz Lindner und Habeck qua Richtlinienkompetenz von ihrem jeweiligen Baum heruntergeholt hat, wo sie sich im Atomstreit tagelang verschanzt hatten. Per Brief teilte der Kanzler ihnen mit, dass jetzt halt er allein den Weiterbetrieb der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis Mitte April beschlossen habe. Gemessen daran, dass sich das durchaus übersetzen lässt mit "Los, runter da! Aber zack, zack!", wirkte FDP-Chef Lindner danach beinahe begeistert und der Grüne Habeck nur minimal verknautscht.

"Es ist ein Vorschlag, der uns rausführt aus dieser verfahrenen Situation", sagte der Wirtschaftsminister am Montagabend in der ARD, "ein Vorschlag, mit dem ich arbeiten kann, mit dem ich leben kann". Er werde dafür werben, ihm zu folgen. Und der Finanzminister schüttelte einen Tag später betont energisch den Kopf, als ihm im ZDF die Frage gestellt wurde, ob der Atomstreit im kommenden Jahr auf Wiedervorlage komme. Die Regierung werde alles in ihrer Macht Stehende tun, so Lindner, "dass wir im nächsten Winter eine solche Debatte nicht noch einmal führen müssen".

Jetzt heißt es: einen Handelskrieg vermeiden

Und jetzt stehen sie also am Mittwochnachmittag vor den Kameras und reden über die virtuelle Sitzung des Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrates, an der sie gerade teilgenommen haben. Weil es aber drei verschiedene Kameras sind, in die der französische und die beiden deutschen Minister sprechen, weil also auch die Pressekonferenz virtuell ist, treten Lindner und Habeck zwar gemeinsam auf, sind aber trotzdem nicht so richtig zusammen. Das ist in gewisser Weise natürlich enttäuschend, auf der anderen Seite aber auch ein passendes Bild für die Phase, in der die Ampel-Regierung und ihre beiden führenden Minister sich nach dem großen Krach befinden.

Die inhaltliche Nähe jedenfalls ist an diesem Nachmittag deutlich größer als die physische. Kürzlich musste Lindner seinen irritierten europäischen Kollegen noch wortreich erklären, warum der deutsche 200-Milliarden-Doppelwumms zwar viel Geld, aber trotzdem keine Abkehr von fiskalpolitischer Solidität sei, die er sonst immer vehement vertritt und einfordert. Am Mittwoch jedoch kreisen die Sorgen der drei Minister eher um die USA und das große amerikanische Klima- und Sozialprogramm, mit dem US-Präsident Joe Biden die Inflation bekämpfen will - und zu dem viele Subventionen gehören.

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Le Maire mahnt ein Level-Playing-Field an, also Fairness und gleiche Spielregeln für Unternehmen in Amerika und Europa. Einen Handelskrieg müsse man unbedingt vermeiden, warnt er. Auch Habeck warnt vor einem Wegzug europäischer Unternehmen in die USA, nur weil dort höhere Subventionen lockten. Das brauche definitiv "eine starke europäische Antwort", so der Minister. Lindner wiederum sagte, man müsse den "Inflation Reduction Act" der Amerikaner dann nicht fürchten, wenn Europa selbst seine Wettbewerbsfähigkeit stärke, zum Beispiel durch größere Anstrengungen für eine europäische Kapitalmarktunion.

Zwischendrin sagt Lindner noch, dass es doch immer ein gutes Signal sei, wenn "Robert, Bruno" und er sich einig seien und Gemeinsamkeiten entdeckten. Dann, nach gut zwanzig Minuten, winken alle drei noch kurz in ihre Kameras, und schon ist wieder alles vorbei. Die Minister sind zurück im Alltag. Als wäre nichts gewesen.

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