Gescheiterte Pkw-Maut:Gutachter soll "das Maß der Fahrlässigkeit" bei Scheuer ermitteln

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Das Amt als Bundesverkehrsminister hat Andreas Scheuer (CSU) zwar schon seit 2021 nicht mehr inne - es begleitet ihn aber noch sehr regelmäßig und nicht nur in Sachen Pkw-Maut. Auf dem Bild ist Scheuer als Zeuge beim Untersuchungsausschuss zur zweiten Münchner-S-Bahn-Stammstrecke zu sehen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

243 Millionen Euro - so viel muss der Bund als Folge der geplatzten Pkw-Maut zahlen. Verkehrsminister Wissing lässt nun gründlich prüfen, ob sich etwas von seinem Amtsvorgänger holen lässt.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing will mögliche Schadenersatzforderungen gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) wegen der geplatzten Pkw-Maut gründlich klären lassen. "Wir können die Akte bei 243 Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf fällige Zahlungen des Bundes an die einst vorgesehenen Mautbetreiber. Daher sollte man sich eine Forderung an Scheuer sorgfältig anschauen. "Wir lassen ein externes Gutachten erstellen, um Rechtsfragen zu klären. Das ist letztlich keine politische Frage, sondern es ist eine rechtliche Frage. Dazu muss das Maß der Fahrlässigkeit untersucht werden." Es werde etwas dauern, bis das Gutachten fertig sei.

"Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren", sagte Wissing. "Und wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden. Deswegen gibt es nun dieses Gutachten und diese Prüfung."

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Der Bund muss als Folge der geplatzten Pkw-Maut 243 Millionen Euro Schadenersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben. Die Pkw-Maut - ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung - war 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Die Betreiberseite forderte ursprünglich 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge kurz nach dem Urteil gekündigt hatte.

Warum eine Regressforderung schwierig ist

Das Ministerium hatte bereits grundsätzlich angekündigt, mögliche Regressforderungen gegen Scheuer zu prüfen. "Das Gutachten wird es uns ermöglichen, mit gutem Gewissen zu sagen, aus welchem Grund in diesem konkreten Fall ein Regress möglich oder nicht möglich ist", sagte Wissing. "Dass ein Schaden entstanden ist, steht außer Frage. Den kann man ja präzise beziffern. Für eine rechtliche Verantwortung und damit einen Regress müssen aber noch weitere Voraussetzungen vorliegen." Wissing sagte, natürlich brauche man für eine Regressforderung eine Rechtsgrundlage. "Das muss man sich anschauen. Aber ich möchte mich nicht dem Vorwurf aussetzen, das nicht mit aller Sorgfalt getan zu haben."

Eine Regressforderung gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags schrieben 2019 in einer Analyse, Artikel 34 des Grundgesetzes sehe die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim "handelnden Amtswalter" zu nehmen. Diese Möglichkeit bedürfe eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage. Im Verhältnis zu Bundesbeamten habe der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen. Das für Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz sehe eine solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor.

Scheuer war Minister, als die Maut 2019 platzte. Zentraler Knackpunkt war, dass dem Modell zufolge nur inländische Fahrer für Mautzahlungen voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. In der Kritik stand dann auch, dass Scheuer die Betreiberverträge bereits Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim Europäischen Gerichtshof bestand. Mit dem Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen befasste sich in der vergangenen Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die damalige Opposition warf Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vor und warnte vor Millionenkosten. Scheuer wies alle Vorwürfe zurück.

Wissing erteilte einem möglichen neuen Anlauf zu einer Pkw-Maut eine klare Absage: "Wir führen jetzt im europäischen Kontext eine höhere Lkw-Maut ein und wollen auch eine CO₂-bezogene Lkw-Maut haben. Ich halte nichts von nationalen Alleingängen bei diesen Mautfragen. Wohin das führen kann, haben wir in Deutschland ja unter meinem Vorgänger erlebt. Im Augenblick beschäftige ich mich vielmehr mit der Frage, wie kann der Individualverkehr für jede und jeden auch künftig bezahlbar, attraktiv und möglichst klimaneutral gestaltet werden."

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