Nach Putsch in Niger:EU überdenkt Afrika-Politik

Lesezeit: 3 Min.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock begrüßt in Toledo Hassoumi Massoudou, den Außenminister der gestürzten Regierung Nigers. (Foto: Kira Hofmann/Imago)

Die Außenminister bereiten Sanktionen gegen die Militärjunta in Niger vor, suchen aber auch nach einer neuen Strategie in der Sahelzone.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Es war an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, beim EU-Außenministertreffen im spanischen Toledo quasi auch im Namen ihrer französischen Kollegin eine Erklärung abzugeben. Catherine Colonna war wortlos an den Journalisten vorbeigerauscht Richtung Konferenzsaal, in dem die Minister über die Lage in Niger nach dem Militärputsch beraten wollten, aber auch über Ideen für eine neue Strategie im Umgang mit den Ländern der Sahelzone. Die bisherige Politik nämlich gilt als gescheitert. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn konstatierte wenig diplomatisch: "Es ist schiefgelaufen und es läuft weiter schief." Und das hat auch etwas mit Frankreich, der früheren Kolonialmacht zu tun, was in Toledo aber niemand so offen sagt.

In Reaktion auf den Umsturz in Niamey haben Berlin und Paris jedenfalls gemeinsam Sanktionen gegen führende Mitglieder der Junta vorgeschlagen, was der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell aufgegriffen hat. Baerbock betonte, dass man sich dabei eng abgestimmt habe mit der Regionalorganisation Ecowas, der 15 westafrikanische Staaten angehören. Ihr Kommissionspräsident Omar Touray war in Toledo ebenso zu Gast wie der Außenminister der gestürzten demokratischen Regierung in Niger, Hassoumi Massoudou. Die afrikanischen Staaten sollen die Richtung angeben, wenn es um Probleme in Afrika geht - eine der Lehren aus den wachsenden Problemen.

Niger war der letzte Partner in der Region

Borrell hatte schon am Mittwoch angekündigt, man werde versuchen, die gleiche Art von Strafmaßnahmen zu verhängen, die Ecowas beschlossen habe. Sie könnten sich vor allem gegen führende Putschisten richten und Organisationen, die sie unterstützen. Neben Einreiseverboten in die EU könnten Finanzsanktionen verhängt und Vermögen eingefroren werden. Bereits kurz nach dem Putsch hatte die EU alle bisherigen Unterstützungszahlungen ausgesetzt.

Baerbock sagte, man könne nicht wegschauen, wenn eine Demokratie weggeputscht werde. Die EU müsse klarmachen, dass sie die gewaltsame Absetzung eines demokratisch gewählten Präsidenten nicht tatenlos hinnehme. Formale Beschlüsse wurden in Toledo noch nicht erwartet, eine politische Einigung auf Sanktionen zeichnete sich nach Angaben von Diplomaten aber ab.

In Niger hatten im Juli Offiziere der Präsidialgarde Staatschef Mohamed Bazoum festgesetzt und entmachtet. Der Kommandeur der Garde, General Abdourahamane Tiani, rief sich zum neuen Machthaber aus, setzte die Verfassung außer Kraft und erklärte alle verfassungsmäßigen Institutionen für aufgelöst.

Putschisten drohen Frankreichs Botschafter

Die EU und auch die Bundesregierung waren davon ein Stück weit überrascht worden. Nachdem die Militärmachthaber im benachbarten Mali zunächst den Abzug der französischen Truppen und dann auch der UN-Stabilisierungsmission Minusma erzwungen hatten, wollten Berlin und auch die EU die Kooperation auf Niger fokussieren. Die Bundeswehr hatte geplant, ihren Abzug aus Mali zu guten Teilen über Niamey abzuwickeln, wo weiter etwa mehr als 100 deutsche Soldatinnen und Soldaten stationiert sind.

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Tiani kündigte zuletzt an, eine Übergangsregierung einzusetzen, die bis zu drei Jahre im Amt bleiben soll. Die EU und Ecowas fordern hingegen, zur demokratischen Ordnung zurückzukehren und Bazoum wieder im Amt einzusetzen. Algerien hatte am Dienstag eine Initiative für eine Lösung des Konflikts angekündigt, die sechs Monate Übergangszeit vorsieht und eine UN-Konferenz zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung.

Wie angespannt die Lage weiter ist, zeigte die Ankündigung der Putschisten, sie hätten Frankreichs Botschafter Sylvain Itté die diplomatische Immunität entzogen. Die Polizei sei angewiesen worden, ihn außer Landes zu bringen. Die Junta hatte ihn zuvor zur Ausreise aufgefordert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lehnte dies ab, weil Paris wie die anderen EU-Staaten nur die demokratisch gewählte Regierung als legitim erachtet. Die Junta hält zudem ihre Truppen in höchster Alarmbereitschaft. Ecowas hatte mit einer Intervention gedroht, will aber vorrangig eine diplomatische Lösung erreichen.

Paris ist stark engagiert, aber verhasst

Die EU-Außenminister sprachen dann vertraulich über Ideen für eine neue Strategie im Umgang mit den Staaten der Sahelzone. Niger war das letzte der fünf Länder, mit dem die EU-Staaten noch eine verstärkte Sicherheitszusammenarbeit gepflegt hatten. In der Region gibt es verschiedene islamistische Extremistengruppen, unter ihnen Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat und solche mit Verbindungen zu al-Qaida. Zudem führen wichtige Migrationsrouten durch die dünn besiedelten Wüstengebiete. In einigen Staaten sind russische Söldner präsent. Sie waren hier für die in Auflösung befindliche Gruppe Wagner im Einsatz, deren Anführer Jewgenij Prigoschin jüngst bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Ein Problem für die Europäer ist, dass sich in der Region inzwischen großer Widerstand gegen Frankreich richtet. Deswegen gilt in der EU eine Führungsrolle Frankreichs als problematisch. Zugleich war Paris bislang in der Region militärisch, politisch und wirtschaftlich am stärksten engagiert. Eine europäische Sahel-Strategie ohne Paris gilt Diplomaten daher als ebenfalls nicht realistisch. Dem Vernehmen nach wollten die Minister im engsten Kreis beraten, ob sie der Bitte von Ecowas nachkommen, die Aufstellung einer sogenannten Bereitschafstruppe finanziell zu unterstützen. Sie könnte bei einer möglichen Intervention gegen die Militärjunta in Niger zum Einsatz kommen.

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