Er selbst sieht das zwar anders, "ich liege in allen Umfragen in der Partei und in der Öffentlichkeit vorne". Aber Moritz Döbler, Chefredakteur der Rheinischen Post, hält sich als Moderator des Gesprächs gar nicht erst mit Wohlfühlfragen auf und erinnert stattdessen an eine Erhebung, die jüngst einen deutlichen Popularitätsverlust für Merz seit Beginn der Corona-Krise auswies. Der entgegnet, er tauche da in einer Umfrage auf, in die er nicht reingehöre, weil er nämlich im Moment gar kein Politiker sei. Was denn dann, fragt Döbler. "Ich bin zurzeit freiberuflich tätig", sagt Merz.
Wenn ihm der Satz im weiteren Verlauf der innerparteilichen Kampagne mal nicht noch auf die Füße fällt. Im Fußball würde man sagen: Ihm fehlt nach der langen Pause wohl noch ein wenig die Spielpraxis.
Das letzte Heimspiel der Fortuna vor vollen Rängen fand Ende Februar statt. Damals spielte Düsseldorf noch in der Ersten Liga und die Gäste von Hertha BSC versuchten gerade, die filmreife Flucht ihres Trainers Jürgen Klinsmann zu verstehen. Friedrich Merz reiste in jenen Tagen wie ein Popstar auf Comeback-Tournee durch die Lande, an seiner Krönung zum Parteichef, der den angestaubten Laden demnächst mal ordentlich umkrempeln würde, schien kaum noch ein Weg vorbeizuführen. Lange her.
"Söder hat eine ziemlich hohe Flughöhe eingenommen"
Als ewiges Gegenmodell zu Angela Merkel wirkt er inzwischen ein bisschen aus der Zeit gefallen. Die Kanzlerin ist jetzt wieder so beliebt wie selten zuvor. Merz behält seine gesammelten Merkel-Kritiken deshalb lieber für sich. Er sagt stattdessen: "Wir hatten schwierige Zeiten. Und ich glaube, wir haben jetzt wieder gute Zeiten."
Das öffentliche Genörgel am Krisenmanagement von Armin Laschet findet er "teilweise überzogen". Auf Röttgen wird er erst gar nicht angesprochen. Und zu den Ambitionen von CSU-Chef Markus Söder auf die Kanzlerkandidatur, die es ja erstens gar nie gegeben hat und zweitens gerade eine Testpanne überstehen musste, sagt Merz den erstaunlichen Satz: "Söder hat eine ziemlich hohe Flughöhe eingenommen und da stürzt man halt ein bisschen weiter ab."
Alles in allem sieht er sich also bestens positioniert für die kommenden Wochen und Monate. Das Corona-bedingte Schneckenrennen um die Macht in der Union darf nach seinem Geschmack jetzt ruhig wieder ein wenig Fahrt aufnehmen.
Fragt sich nur, ob der Parteitag im Dezember in Stuttgart überhaupt stattfinden kann, wenn sich die zweite Welle noch weiter hochschaukelt. Der Parteitag sei "unverzichtbar", sagt Merz. Und er hätte auch schon eine Idee, wie es zur Not gehen könnte: Wie hier in Düsseldorf, im Fußballstadion. Tatsächlich wirkt die Arena an diesem Abend trotz ihrer 500 Dinner-Gäste angenehm (um nicht zu sagen gespenstisch) leer. Aber von der Größenordnung wäre das schon fast ein halber CDU-Parteitag.