CDU-Vorsitz:Konkurrenz bedroht das Geschäft

2019 in Leipzig erlebten Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak noch einen normalen Parteitag. Das wird dieses Jahr anders sein.

2019 in Leipzig erlebten Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak noch einen normalen Parteitag. Das wird dieses Jahr anders sein.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

In der CDU wächst der Wunsch nach einem vorzeitigen Ende des Wettrennens zwischen Laschet, Merz und Röttgen um Parteispitze und Kanzlerkandidatur. Doch eine einvernehmliche Lösung ist nicht in Sicht.

Von Robert Roßmann, Berlin

Paul Ziemiak tat die Frage am Montag zwar ab. Nein, die Union stehe wegen der Ausrufung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten nicht unter Zugzwang, beteuerte der CDU-Generalsekretär. "Es geht ja nicht darum, als erster den Kandidaten zu haben, sondern es geht darum, den richtigen Kandidaten zu haben."

Doch richtig überzeugend klang das nicht. Denn in der CDU hat sich längst die Sorge breit gemacht, dass das Wettrennen von Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur die Partei dauerhaft lähmen könnte.

Am Wochenende hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther die Kandidaten deshalb öffentlich aufgefordert, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Intern werben CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schon länger darum. Das liegt auch daran, dass sich wegen der Pandemie niemand sicher sein kann, dass der für Anfang Dezember geplante Wahlparteitag tatsächlich stattfinden wird.

Am Montag beschloss der CDU-Vorstand zwar, an dem Termin festzuhalten. Aber das Programm soll deutlich abgespeckt und der Parteitag verkürzt werden. Lange Debatten über das geplante neue Grundsatzprogramm wird es nicht geben - es soll vor allem versucht werden, die Wahlen über die Bühne zu bringen.

Es gebe "natürlich einen großen Wunsch nach Einigkeit und Einheit in der CDU", gestand Ziemiak ein. Die Partei sollte deshalb auch in Personalfragen möglichst schnell möglichst geschlossen sein. Aber ist eine einvernehmliche Lösung realistisch?

Am ehesten könnte Norbert Röttgen zurückziehen. Seine Kandidatur gilt ohnehin als aussichtslos. Und Röttgen hat nicht viel zu verlieren - er könnte sich einen Ausstieg sogar mit einer Zusage für ein wichtigeres Amt versüßen lassen. Derzeit ist Röttgen Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Das ist ein ehrenwertes Amt - aber für einen, der Bundesminister war und Ministerpräsident des wichtigsten Bundeslandes werden wollte, nicht unbedingt ausfüllend. Doch Röttgen hatte seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz ja auch damit begründet, dass der Vorsitz nicht ausgekungelt werden dürfe und die Delegierten eine Auswahl haben müssten. Kann so jemand zugunsten einer einvernehmlichen Lösung zurückziehen, ohne sich unglaubwürdig zu machen?

Und Friedrich Merz? Der hat beim letzten Mal mehr als 48 Prozent der Stimmen geholt - ohne richtiges Team, ohne intensiv um die Gunst der Landesverbände und Parteivereinigungen geworben zu haben - und das trotz einer schlechten Bewerbungsrede. Merz hat daraus gelernt. Er weiß jetzt um die Bedeutung einer guten Mannschaft. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Patricia Lips hat er zur Stabschefin ernannt. Sein Medienteam um Pressesprecher Armin Peter baut er gerade deutlich aus. Und die Gliederungen der CDU beackert Merz diesmal intensiv.

Freiwillig aufgeben? Merz liegt in den Umfragen vorne

Der Ex-Unionsfraktionschef ist inzwischen 64 Jahre alt. Diese Wahl ist seine letzte Chance, Parteichef zu werden. Warum sollte er auf die verzichten? Dass es in jüngster Zeit etwas ruhiger um ihn war, lag auch daran, dass er im Urlaub war. Aber jetzt geht es auch bei Merz wieder los. Sein erster Termin führt ihn an diesem Dienstag nach Mittelsachsen.

Dort veranstaltet die CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann eine Reihe mit dem eigenwilligen Titel: "KLARTEXT. reden. JETZT. erst. RECHT." Diesmal ist Merz zu Gast. Und was für Erwartungen Veronika Bellmann an ihn hat, macht sie schon in ihrer Einladung klar: Die Union brauche "endlich wieder eine Führung", die "sich nicht beliebig im links-grünen oder sozial-demokratischen Themenlager verirrt".

In der kommenden Woche will Merz dann in der Düsseldorfer Arena auftreten. Wegen der Pandemie hat die Rheinische Post ihren "Ständehaus Treff" in das Stadion verlegt, 500 Gäste dürfen kommen. In Corona-Zeiten ist das eine Großveranstaltung. So einen Stadion-Termin vereinbart nur jemand, der es wirklich wissen will. Außerdem weist Merz ja gerne darauf hin, dass er in den Umfragen vor seinen beiden Konkurrenten liegt. Dass Merz freiwillig aufgibt, ist kaum vorstellbar. Und Armin Laschet?

Der hat am meisten zu verlieren. Wenn Laschet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz zurückzieht, muss er auch um sein Amt als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident bangen. Jemand, der das bevölkerungsreichste Bundesland führt, es aber nicht an die Parteispitze schafft, ist politisch angeschlagen. Deshalb bleibt Laschet kaum etwas anderes übrig, als auf seiner Kandidatur zu beharren - und auf bessere Zeiten zu hoffen. Dabei wird ihn das Schicksal Kramp-Karrenbauers bestärken. Denn die CDU-Chefin dürfte es inzwischen bereuen, im Februar ihren Rückzug von der Parteispitze angekündigt zu haben.

Kurz danach begann die Corona-Krise - und die CDU kletterte in den Umfragen in nicht mehr für möglich gehaltene Höhen. Hätte Kramp-Karrenbauer nicht aufgegeben, wäre sie jetzt wahrscheinlich eine aussichtsreiche Bewerberin für die Kanzlerkandidatur. Laschet wird auch wegen dieser Erfahrung nicht ohne Not zurückziehen.

Und so war Ziemiaks Antwort auf die Frage, ob es vor dem Parteitag noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen könne, nicht sonderlich erstaunlich. Der Generalsekretär sagte, da verlange man von ihm jetzt "ein Orakel". Er "sehe diese Einigung zum jetzigen Stand" aber nicht - und ihm sei "nichts bekannt, was darauf hinweisen würde".

Zur SZ-Startseite
Außerplanmäßige Videokonferenz des Kabinetts

Coronavirus in Bayern
:"Söders Inszenierung bekommt zunehmend Risse"

Ausgerechnet im Corona-Musterland Bayern wird eine riesige Panne bei den Testverfahren bekannt. Die Opposition stellt nun die Krisentauglichkeit des Ministerpräsidenten infrage.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: