Flüchtlingspolitik:Seehofer hält Verständigung mit Merkel für möglich

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Der bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer auf Kloster Banz bei der traditionellen Herbstklausur der CSU. (Foto: dpa)

Wie die CSU im Kloster Banz versucht, der CDU entgegen zu kommen. Und warum der CSU-Vorsitzende sich über Landesgruppenchefin Hasselfeldt ärgert.

Von Robert Roßmann und Wolfgang Wittl

Es ist ein schönes Motiv, das sich die CSU-Landtagsfraktion zu ihrer Herbstklausur in Kloster Banz hat einfallen lassen: Zwei Bergsteiger halten auf einem Gipfel einander fest, im Hintergrund blitzt die Sonne, beide sind Hand in Hand aufeinander angewiesen. "Freiheit braucht Sicherheit", lautet das Motto der Klausur. Und tatsächlich fühlt sich die CSU seit Montag ein Stück sicherer, dass der Friedensschluss mit der Schwesterpartei doch noch klappen könnte. Auch CDU und CSU bilden ja eine Zweckgemeinschaft, die nur gemeinsam zum Erfolg kommen kann. Tief im Herzen ist das jedem klar, auch wenn die vergangenen Monate einen etwas anderen Eindruck vermittelten.

Die Kanzlerin also hat am Montag zugegeben, dass in der Flüchtlingspolitik manches besser hätte laufen können. Es waren dies die Worte von Angela Merkel, auf die man in der CSU lange gewartet hat. Triumphgeheul allerdings ist von der bayerischen Schwester am Dienstag nicht zu vernehmen, auch wenn der Ort wie gemacht dafür wäre. Kloster Banz ist ein imposantes Bauwerk und somit ein ideales Symbol für das Selbstverständnis der kraftstrotzenden Landtags-CSU.

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Die Fraktion hat einst Edmund Stoiber gestürzt, im vergangenen Jahr hat sie hier Gerda Hasselfeldt durch die Mangel gedreht, die Landesgruppenchefin im Bundestag. Hasselfeldt hatte es gewagt, Merkel gegenüber loyal zu bleiben. Stoisch ertrug sie den Zorn ihrer bayerischen Kollegen.

Bei der CSU verlangen sie die Rückkehr zu geltendem Recht. Das dürfte nicht so einfach sein

Diesmal hätte die CSU in Banz allen Grund, ihren vermeintlichen Sieg auszukosten. Doch die Stimmung ist konzentriert. Ein Abgeordneter spricht von Hoffnung, ein anderer mahnt zu Vorsicht, es sei ja noch nichts erreicht. Es sind vor allem die Jungen in der Partei, die Merkel in die Pflicht nehmen wollen. Dem kommunikativen Aufschlag der Kanzlerin müsse nun "deutlich mehr an Worten und Taten folgen", fordert Hans Reichhart, der Chef der JU in Bayern. Markus Blume, Chef der CSU-Grundsatzkommission, verlangt, der Staat müsse die Kontrolle zurückgewinnen, und zwar in allen Bereichen.

Und Finanzminister Markus Söder lobt Merkels Rede zwar als "sehr beachtlich", doch die "Glaubwürdigkeit liegt darin, jetzt Taten folgen zu lassen". Taten statt Triumph, danach dürstet es die CSU im Bierland Oberfranken.

CSU-Chef Horst Seehofer sagt hinter verschlossenen Türen, eine Verständigung mit Merkel sei möglich, aber noch nicht garantiert. Einstimmig lässt er sich nach Angaben von Teilnehmern seine Strategie für die weiteren Gespräche billigen. Aber wie könnte der Kompromiss lauten?

Merkel hat auf die Frage am Montag lediglich gesagt: "Der Schwerpunkt - so kann ich es vielleicht zusammenfassen - der CDU-Meinung liegt darin, dass eine statische Obergrenze das Thema nicht löst." Man müsse aber weiter daran arbeiten, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren und "Menschen in der Nähe ihrer Heimat eine Chance zu geben".

Wie eine nicht-statische Obergrenze - also keine explizite Festlegung auf die von der CSU geforderte Zahl 200 000 - aussehen könnte, hat die CDU-Chefin nicht verraten. Sie gab lediglich Fingerzeige. Sie verwies auf das Dublin-Abkommen, das nicht mehr richtig funktioniere und dringend einer "Überarbeitung" bedürfe. Ihm zufolge könnte Deutschland fast alle Flüchtlinge an der Grenze abweisen. Denn Flüchtlinge müssen ihr Asylverfahren in dem EU-Land durchlaufen, in das sie zuerst eingereist sind. Das sind in Deutschland, das fast vollständig von EU-Staaten umgeben ist, nur Flüchtlinge, die mit dem Flugzeug kommen.

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Die Kanzlerin machte jedoch deutlich, dass eine vollständige Rückkehr zu diesem Dublin-System nicht möglich sei. Wenn Deutschland alle Flüchtlinge, die etwa über Italien oder Griechenland in die EU eingereist sind, in diese beiden Länder zurückschickte, wären diese "überfordert". Nach Ansicht der CDU müsste die EU diesen Ländern dann mit einem wirklich funktionierenden Verteilsystem auf alle EU-Staaten helfen.

Merkel verwies auch darauf, dass mit Migranten etwa aus Syrien anders umgegangen werden müsse als mit jenen aus den meisten afrikanischen Staaten: Die Syrer seien "wirklich Flüchtlinge, die vor dem Krieg fliehen". Aus Afrika kämen aber vor allem Menschen, die "aus wirtschaftlichen Gründen kommen und die nicht vor Bürgerkrieg fliehen". Es sei deshalb nicht "humanitär geboten", alle, die es von dort aus illegal nach Europa schafften, aufzunehmen. Hier müsse die Rückführung deutlich besser werden.

Die CSU indes fordert, das geltende Recht sofort wieder anzuwenden. Das Dublin-Abkommen müsse wieder eingehalten, Europas Grenzen müssten ausreichend geschützt werden - erst dann wäre eine Einigung mit der CDU möglich.

Landesgruppenchefin Hasselfeldt beharrte am Dienstag zwar schon nicht mehr auf dem Begriff Obergrenze. Sie sagte, von ihr aus könne man auch von einer "Richtgröße" oder "Orientierungsgröße" sprechen. Seehofer aber zeigte sich erbost über Hasselfeldts Beitrag, berichten CSU-Leute. An diesem Mittwoch kommt Hasselfeldt nach Banz. Es könnte für sie wieder ungemütlich werden.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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