Flüchtlinge:EU plant Soforthilfe für Athen

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Nur eine Plastikplane schützt diese Syrerin und ihr Kind, die wie viele andere an der Grenze der Türkei zu Griechenland bei Edirne ausharren. (Foto: Bulent Kilic/AFP)
  • Die EU hat Hilfen für Griechenland angekündigt. Das Land soll 700 Millionen Euro für Grenzmanagement sowie Unterstützung durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex erhalten.
  • Um illegale Grenzübertritte zu verhindern, würden die EU und die Mitgliedstaaten alle nötigen Maßnahmen ergreifen, heißt es in einer Erklärung.
  • Die Frage der Verteilung von Migranten von den griechischen Inseln auf die Länder der EU war bei dem Ministertreffen nur am Rande Thema.

Von Karoline Meta Beisel und Matthias Kolb, Brüssel, Brüssel/Zagreb

Vor Griechenlands Grenzen hoffen Tausende Migranten auf Einlass - am Mittwoch hat die EU-Kommission angekündigt, Athen mit einem Paket aus Sofortmaßnahmen helfen zu wollen. Griechenlands Grenze sei auch die Grenze Europas, darum dürfe man das Land in dieser schwierigen Situation nicht alleinlassen, sagte Vizepräsident Margaritis Schinas, der selbst Grieche ist.

Der neue Plan umfasst sechs Elemente: etwa weitere Unterstützung durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit Schiffen und Helikoptern an der Land- und Seegrenze - bisher waren deren Mitarbeiter nur an der Seegrenze im Einsatz - und die Entsendung von 160 Experten der EU-Asylagentur Easo. Die sollen dabei helfen, Asylanträge schneller zu bearbeiten. Frontex soll zudem ein Programm koordinieren, um Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, schneller in ihre Herkunftsländer zurückzubringen. Wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits am Dienstag bei ihrem Besuch an der Grenze angekündigt hatte, will die EU auch finanziell helfen: 350 Millionen Euro zusätzlich will die Kommission dafür zur Verfügung stellen, die oft katastrophalen Lebensbedingungen auf den griechischen Inseln zu verbessern, später könnten weitere 350 Millionen Euro angefordert werden.

Die Innenminister der Europäischen Union begrüßten die Maßnahmen bei einer Sondersitzung am Mittwoch in Brüssel und betonten ihre Solidarität mit Athen. "Griechenland erledigt für ganz Europa eine ganz wichtige Aufgabe", sagte etwa Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor Beginn des Treffens.

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Berichte, nach denen die griechische Armee bei der Grenzsicherung auf größte Härte und auch auf Gewalt setze, wollten die Innenminister nicht allzu deutlich kommentieren: Um illegale Grenzübertritte zu verhindern, würden die EU und die Mitgliedstaaten alle nötigen Maßnahmen ergreifen, "im Einklang mit europäischem und internationalen Recht", heißt es in der bei dem Treffen verabschiedeten Erklärung. Auch die zuständige EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich vor dem Ministertreffen zurückhaltend: "Es ist leicht, mit dem Finger auf die Fehler anderer zu zeigen." Viel schwieriger sei es, in solch einer Krisensituation Lösungen zu finden, und eine Eskalation zu vermeiden.

Deutlichere Worte fanden die Mitgliedstaaten dagegen für die Türkei: Der Rat wende sich entschieden gegen "den Einsatz von Migrationsdruck als politisches Werkzeug" heißt es in der verabschiedeten Erklärung. Man erwarte, dass die Türkei das Abkommen aus dem Jahr 2016 vollständig befolge. Im Gegenzug gegen Hilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro hatte Ankara damals versichert, die Grenze zur Europäischen Union geschlossen zu halten.

Die Frage der Verteilung von Migranten von den griechischen Inseln auf die Länder der EU war bei dem Ministertreffen nur am Rande Thema. "Jetzt kommt erst die Schaffung der Ordnung, und dann wenden wir uns diesem Thema der Humanität zu, und zwar zeitnah", kündigte Seehofer an.

Bereits am Mittag hatte EU-Ratspräsident Charles Michel in Ankara den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen. Vor dem Gespräch, das von Michels Seite später als "offen und nötig" beschrieben wurde, hatte Erdoğan gesagt, dass der "Migrationsstrom" so lange fließen werde, bis in Syrien eine neue Verfassung eingeführt sei und freie Wahlen stattfänden. Außer auf zusätzliches Geld für das EU-Türkei-Abkommen hofft Erdoğan auf Unterstützung im Militärkonflikt in der syrischen Grenzprovinz Idlib: Dort kämpfen seine Truppen gegen die Armee des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, doch sie werden von Russlands Luftwaffe bombardiert. Moskau ist der wichtigste Unterstützer Assads, während die Türkei Gegner des Regimes in Damaskus ist und die Rebellen offen unterstützt. Die Nato und die USA zeigen Erdoğan bisher die kalte Schulter.

Die EU wird Syrien zusätzliche 170 Millionen Euro an Hilfsgeldern zahlen. Davon seien 60 Millionen Euro für die humanitäre Krise in Nordwesten des Landes vorgesehen, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Für die Menschenrechte in Syrien sei die Lage "so dramatisch wie seit dem Weltkrieg nicht mehr", sagte er am Mittwoch vor einem EU-Ministertreffen in Zagreb.

Seit Erdoğans Ankündigung, die Grenzen zu öffnen, kommen weiter syrische, afghanische und afrikanische Migranten an die griechisch-türkische Grenze oder versuchen, die griechischen Inseln zu erreichen. Athen hat die Bearbeitung neuer Asylanträge für einen Monat ausgesetzt. Angesichts der Lage sei das "in Ordnung", so Seehofer.

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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