EU-Lateinamerika-Gipfel:Lula, ein Freund Europas - aber nicht unbedingt ein Verbündeter

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Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (links) mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Spaniens Premier Pedro Sanchez. (Foto: Yves Herman/Reuters)

Die EU versucht, in der Auseinandersetzung mit Russland und China die Staaten Lateinamerikas auf ihre Seite zu ziehen. Beim Gipfel in Brüssel zeigt sich, wie schwer das ist.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die Europäische Union braucht dringend Verbündete in der Welt, schließlich ist sie verstrickt in eine kriegerische Auseinandersetzung mit Russland und eine eskalierende Rivalität mit China. Deshalb gab Ursula von der Leyen an diesem Montagvormittag in Brüssel ihr Bestes, um den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu umgarnen.

Von der Leyen ließ bei einem gemeinsamen Auftritt keinen Zweifel daran, dass sie den Brasilianer zu den engen Freunden Europas zählt - und wie froh sie ist, dass seit Januar dieses Jahres wieder Lula das Sagen in Brasilien hat, nicht mehr der Rechtspopulist Jair Bolsonaro. Weil die Kommissionspräsidentin große Worte gern mit großen Summen untermauert, brachte sie auch noch 45 Milliarden Euro ins Spiel. So viel Geld will die EU bis 2027 in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik investieren. Es stammt aus einem Programm namens "Global Gateway", mit dem die EU Infrastrukturprojekte in aller Welt fördern und so ihren Einfluss ausbauen will.

Lula bedankte sich und lächelte freundlich. Aber ob er wirklich beeindruckt war?

Der Brasilianer gilt als Wortführer der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) beim zweitägigen Gipfel mit der EU in Brüssel. Mehr als 50 Staats- und Regierungschefs aus den beiden Kontinenten wurden am Montag dazu erwartet, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Erstmals nach acht Jahren gibt es dieses Gesprächsformat wieder, doch schon zu Beginn der Veranstaltung zeichnete sich ab, dass am Ende nicht das von den Europäern erhoffte Ergebnis stehen wird.

Den Krieg in der Ukraine erwähnte Lula lediglich als Hemmnis für die Weltwirtschaft

Lula und seine Partner werden sich nicht darauf einlassen, in der gemeinsamen Abschlusserklärung Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine eindeutig zu verurteilen. Und es ist auch kein Durchbruch bei den Gesprächen über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zu erwarten, das von der Leyen nach Jahren des Stillstands nun unter Dach und Fach bringen will. Lula mag dem Westen und dessen demokratischen Werten prinzipiell in Freundschaft verbunden sein - aber ein Verbündeter ist er deshalb nicht unbedingt.

Am Dienstag erwähnte Lula den Krieg in der Ukraine lediglich als Hemmnis für die Weltwirtschaft, als Treiber für die Preise von Energie und Nahrungsmitteln. Anfang des Jahres hatte er dem Westen sogar vorgeworfen, den Krieg zu schüren, das tut er mittlerweile nicht mehr. Aber er sieht sich als Vermittler zwischen Putin und dem Westen, nicht als Partei in diesem Konflikt.

Auch viele andere Staats- und Regierungschefs in Lateinamerika fordern sofortige Friedensgespräche. Keine Regierung hat Sanktionen gegen Russland verhängt, Staaten wie Kuba und Venezuela gelten sogar als Putins Verbündete. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sollte, anders als bei sonstigen EU-Gipfeln mittlerweile üblich, am Montag und Dienstag nicht zu den Gesprächen mit der Delegation Lateinamerikas zugeschaltet werden. Angeblich haben die Gäste ihr Veto eingelegt.

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In einem Wirtschaftsforum zu Beginn des Gipfels beschwor Ursula von der Leyen die gemeinsamen Interessen von Europa und Lateinamerika, bei der Gewinnung kritischer Rohstoffe zum Beispiel und auch beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Lula zeigte sich aufgeschlossen, gab aber zu erkennen, dass sein Land sich längst auf den Weg gemacht habe. In Brasilien kämen bereits 87 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Sein Land werde seine Klimaschutzverpflichtungen erfüllen und habe auch zugesagt, vom Jahr 2030 an keinen Amazonas-Regenwald mehr zu zerstören. Das konnte man auch als Botschaft im Streit um das Freihandelsabkommen werten: Wir brauchen keine Nachhilfe aus Europa, wir sind Partner auf Augenhöhe.

Das EU-Mercosur-Abkommen wurde im Jahr 2019 ausverhandelt. Es soll die größte Freihandelszone der Welt mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen, ist aber bislang nicht in Kraft getreten, weil aus einigen europäischen Staaten, darunter Deutschland, Nachforderungen kamen. Es geht um die Einhaltung von Menschenrechten im Umgang mit Indigenen und vor allem den Schutz des Regenwaldes. Eine entsprechende Zusatzerklärung sollte die Kritiker in Europa besänftigen, aber Lula und seine Partner weigern sich bis heute, diese zu unterzeichnen. In der Zwischenzeit haben die Mercosur-Staaten ihre Handelsbeziehungen mit China deutlich ausgebaut. Europa ist zurückgefallen.

Eine Partnerschaft setze gegenseitiges Vertrauen voraus, darauf beharrte Lula, als Ursula von der Leyen ihn im Juni in Brasília besuchte, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Mittlerweile hat er, wie in Brasilien berichtet wird, einen Kompromissvorschlag an die anderen Mercosur-Staaten geschickt. Über den Inhalt wurde nichts bekannt. Noch in diesem Jahr könne es eine Einigung über das Handelsabkommen geben, sagte Lula am Montag in Brüssel, aber Zweifel sind angebracht. Als Bundeskanzler Olaf Scholz ihn im Januar besuchte, kündigte er eine Einigung bis Mitte 2023 an.

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