Diäten im Bundestag:Das lästige Privileg der Abgeordneten

Bundestag

Werden mit Diäten bezahlt: die Abgeordneten des Bundestags.

(Foto: dpa)
  • Dass die Diäten für Parlamentarier im Bundestag thematisiert werden, bevor eine neue Regierung im Amt ist, regt viele auf.
  • AfD und Linke nutzen die Aufregung für sich: Die einen sprechen von einem "verheerenden Signal", die anderen regen eine Gesetzesreform an.
  • Dabei ging es in der Sitzung vom Mittwoch noch gar nicht um eine Erhöhung der Diäten.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es gibt kaum ein Thema, das emotionaler diskutiert wird als die Höhe der Diäten. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann wurde er an diesem Mittwoch erbracht. Die Bild-Zeitung eröffnete den Tag mit der Schlagzeile: "Dreiste Politiker im Bundestag: Keine Regierung, aber sie erhöhen sich schon die Diäten." AfD und Linke legten in der Boulevardzeitung nach. Statt sich "die eigenen Taschen zu füllen", sollten sich die Abgeordneten lieber um die Bürger kümmern, forderte die Chefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht. Und die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von einem "verheerenden Signal". Damit war die Grundlage für eine turbulente Debatte im Bundestag gelegt. Aber um was ging es überhaupt?

Die Abgeordneten müssen über die Höhe ihrer Diäten selbst entscheiden. Viele Arbeitnehmer würden sich über ein derartiges Privileg freuen, doch den Parlamentariern ist es zur Last geworden. Trotz so mancher Nullrunde mussten sie sich nach jeder Erhöhung als Raffkes beschimpfen lassen. Die Abgeordneten folgten deshalb dem Rat einer Expertenkommission, die Diäten an den Nominallohnindex, also an die Entwicklung der Löhne und Gehälter der Beschäftigten, zu koppeln. Seit 2016 wird nach dieser Regel verfahren.

Grüne werfen AfD Scheinheiligkeit vor

Jetzt gibt es allerdings ein Problem. Das Abgeordnetengesetz schreibt vor, dass jeder neu gewählte Bundestag diesen Automatismus in den ersten drei Monaten nach seiner Konstituierung bestätigen muss, damit er in Kraft bleibt. Deshalb hatten Union, SPD und FDP für die Sitzung am Mittwoch einen entsprechenden Antrag auf die Tagesordnung setzen lassen.

Die AfD habe diesen Antrag voller Scham zur Kenntnis genommen, sagte deren Abgeordneter Stefan Keuter in der Debatte. Es gehe um "hart erarbeitetes Steuergeld", der Automatismus bei den Diäten sei deshalb "schlicht eine Frechheit".

Jan Korte von den Linken sprach sich zwar für eine angemessene Entschädigung der Abgeordneten aus. Derzeit erhalten sie 9542 Euro monatlich. Der Bundestag müsse sich aber schon fragen, wie Diätenerhöhungen "da draußen, bei den Leuten, die hart arbeiten, ankommen", sagte Korte. Er regte deshalb eine Reform des Abgeordnetenrechts an mit dem Ziel, dass Parlamentarier wie normale Beschäftigte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Außerdem könnten Abgeordnete einen Teil ihrer Diäten für gemeinnützige Zwecke spenden, sagte Korte. In der Linksfraktion seien auf diesem Weg in der vergangenen Legislaturperiode knapp 700 000 Euro zusammengekommen.

FDP findet jetziges System "plausibel, transparent und sinnvoll"

Die parlamentarischen Geschäftsführer der Unions- und der SPD-Fraktion, Michael Grosse-Brömer und Carsten Schneider, wiesen die Kritik an dem geltenden Verfahren jedoch vehement zurück. Die jetzige Regelung sei "transparent und sehr nachvollziehbar", sagte Grosse-Brömer. Außerdem gehe es an diesem Mittwoch gar nicht um eine Erhöhung der Diäten, sondern lediglich darum, die Regelung zu verlängern. Die nächste Anpassung der Diäten nach dem Nominallohnindex steht tatsächlich erst am 1. Juli 2018 an.

Schneider sagte, das Grundgesetz verpflichte die Abgeordneten, selbst über die Höhe der Diäten zu entscheiden. Dabei könne man es offenbar niemandem recht machen. Die Parlamentarier sollten trotzdem selbstbewusst sagen, dass ihre verantwortungsvolle Tätigkeit "unabhängigkeitssichernd und angemessen" entschädigt werden müsse.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte, das jetzige System sei "plausibel, transparent und sinnvoll". Er warf der AfD deshalb "antiparlamentarische Propaganda" vor. Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, fragte, wo denn der Skandal liege, "den manche herbeischreiben" wollten. Auch die Vorwürfe der AfD, hier solle etwas heimlich durchgepeitscht werden, seien "scheinheilig". Über das Thema sei bereits Mitte Oktober im Vor-Ältestenrat gesprochen worden, dabei habe es noch keinen Widerspruch von der AfD gegeben. Und dass es im Bundestag entgegen der ursprünglichen Planung jetzt auch eine Debatte - und nicht nur eine Abstimmung - über die Diäten-Regelung gebe, liege nicht an der AfD, sondern an einem Antrag der Union.

Am Ende votierte der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen für die geltende Regelung - Linke und AfD waren dagegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: