Lohngerechtigkeit:Tausende Pflegekräfte und Verkäufer müssen aufstocken

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Mehr als 1600 Beschäftigte in der Krankenpflege oder in Rettungsdiensten verdienten mit ihrer Vollzeitstelle nicht genug, um Wohnung und Lebensunterhalt für ihre Familie zu bestreiten. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Viele Beschäftige, auf die es in der Corona-Krise besonders ankommt, müssen Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Das geht aus der Antwort auf eine Schriftliche Frage der Linksfraktion hervor.
  • Im Jahr 2018 mussten beispielsweise mehr als 50 000 Verkäuferinnen und Verkäufer Leistungen der Grundsicherung beantragen, obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.
  • Zumindest können aber einige der Beschäftigten nun auf Prämien hoffen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Altenpfleger, Verkäuferinnen und Verkäufer, Krankenhauspersonal: Sie alle werden in diesen Tagen viel für ihren Einsatz gelobt. Gut bezahlt hingegen werden sie selten - und mitunter so schlecht, dass sie ihren Lohn noch mit staatlichen Leistungen aufstocken müssen. Das geht aus der Antwort auf eine Frage der Linksfraktion hervor, die der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

Danach mussten im Jahr 2018 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - mehr als 50 000 Verkäuferinnen und Verkäufer Sozialleistungen in Anspruch nehmen, obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Knapp 5000 davon hatten eine Vollzeitstelle. In der Altenpflege stockten mehr als 17 000 Beschäftigte auf, ein Zehntel davon in Vollzeitbeschäftigung. Auch mehr als 1600 Beschäftigte in der Krankenpflege oder in Rettungsdiensten verdienten mit ihrer Vollzeitstelle nicht genug, um Wohnung und Lebensunterhalt für ihre Familie zu bestreiten. Bundesweit waren 2018 rund 200 000 Vollzeitbeschäftigte auf solche Hilfen angewiesen, ein Drittel davon Auszubildende.

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"Die Corona-Krise zeigt, ohne welche Berufe unser Land nicht funktionieren würde", sagt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. "Es ist eine Schande, dass wir Zigtausende dieser Menschen nach ihrer unverzichtbaren Arbeit weiterhin zum Sozialamt schicken."

Zumindest die Beschäftigten einiger Supermarktketten dürfen nun auf einen Bonus hoffen

Die Bruttoarbeitslöhne in diesen Berufen liegen der Antwort aus dem Arbeitsministerium zufolge bei Beschäftigten in der Altenpflege im Mittel bei 2645 Euro und für das Personal in Supermärkten bei 2344 Euro. Erst vorige Woche war ein Kurzgutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zum Ergebnis gekommen, dass diese nun so systemrelevanten Tätigkeiten in der Gesellschaft nicht nur ein unterdurchschnittliches Ansehen genießen, sondern auch schlechter bezahlt werden als der Durchschnitt. Der mittlere Stundenlohn liege hier um sieben Prozent unter jenen 19 Euro brutto, die im Durchschnitt aller Berufe gezahlt werden. "Klatschen auf Balkonen und warme Worte von politischen Akteuren" seien zwar eine wichtige Form der Würdigung, schloss die Studie. Allerdings sei all das "weder ausreichend noch nachhaltig".

Zumindest können aber einige der Beschäftigten nun auf Prämien hoffen. Zuletzt hatten mehrere große Ketten, darunter Rewe, Lidl, Kaufland, Aldi und Real, für ihre Beschäftigten einen Bonus ausgelobt, als Dank für die Arbeit in den Lagern, an den Regalen und Kassen. Wie es aussieht, soll dieser Bonus auch steuerfrei sein, ähnlich wie in Frankreich. Angesichts der erschwerten Bedingungen erhielten die Beschäftigten diesen Bonus zu Recht, twitterte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Sonntag. "Ich werde am Montag die Anweisung erlassen, dass ein solcher Bonus bis 1500 Euro komplett steuerfrei sein wird."

Der Linkspartei geht das nicht weit genug. Scholz' Vorschlag sei zwar richtig, sagt Bartsch. "Er löst aber nicht das Grundproblem viel zu niedriger Löhne." Stattdessen solle die Bundesregierung den Mindestlohn und entsprechende Branchenmindestlöhne anheben. "Die Stützen unseres Landes haben mehr Wertschätzung, vor allem auch mehr Geld verdient."

© SZ vom 30.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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