Landtagswahl in NRW:Attacken auf die Ampel aus Düsseldorf

Lesezeit: 3 min

Später Wahlkampfauftakt: Am Samstag versucht Team Wüst mit dem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (Mitte) Aufbruchstimmung zu verbreiten. (Foto: Roberto Pfeil/dpa)

Hendrik Wüst soll der Regierung in Berlin den ersten Knacks verpassen, umso deutlicher teilt der CDU-Ministerpräsident beim Wahlkampfauftakt gegen die SPD aus.

Von Jana Stegemann , Düsseldorf

In der Mehrzweckhalle im Düsseldorfer Gewerbegebiet ist alles auf Hendrik Wüst zugeschnitten: Sein Wahlkampfbus parkt vor dem Eingang, sein Konterfei findet sich auf T-Shirts, meterhohe Plakate mit seinem Porträt hängen von der Hallendecke. Trotzdem ist der Mann des Tages ein anderer: Herbert Reul.

So spät wie keine der anderen Parteien hat die CDU ihren Wahlkampf am Samstag offiziell eröffnet - es sind nur noch drei Wochen bis zur Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands am 15. Mai. E nde März hatte die SPD im Saarland die absolute Mehrheit geholt, am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt. Doch viel wichtiger ist den Christdemokraten Nordrhein-Westfalen, hier soll Hendrik Wüst der Ampel-Regierung auf Bundesebene den ersten empfindlichen Knacks verpassen.

SZ PlusNordrhein-Westfalen
:Schwelbrand im Hause Wüst

Ist nach dem Rücktritt von Umweltministerin Heinen-Esser wieder alles gut in der Landesregierung? Der Ministerpräsident sagt Ja. Doch seine Umfragewerte fallen, und die der CDU ebenso.

Von Christian Wernicke

In NRW liegen die beiden Spitzenkandidaten von CDU und SPD Umfragen zufolge fast gleich auf, jetzt kommt es auf Nuancen an. Hendrik Wüst gibt sich in der Mehrzweckhalle vor etwa 1200 Parteianhängern so, wie er bisher Wahlkampf macht: zurückhaltend, wenig greifbar, ohne eigene Schwerpunkte.

Erst seit knapp 200 Tagen ist der 46-jährige Münsterländer im Amt, zuvor hatte Wüst das Verkehrsministerium geführt. Anders als sein Vorgänger Armin Laschet achtet Wüst penibel auf seine Wirkung in der Öffentlichkeit, weiß um die Macht der Bilder, wägt Worte sorgfältig ab. Das führt dazu, dass er bei öffentlichen Auftritten häufig steif wirkt, irritierende Sprechpausen macht. Sobald Fernsehkameras und Scheinwerferlicht ausgeschaltet sind, gibt Wüst sich deutlich lockerer.

Schwarz-gelbe Projekte im Schnelldurchlauf

Seine etwa 30-minütige Rede in Düsseldorf ist daher eher engagiertes Referat als ein wirklicher Wahlkampfaufruf. Die Projekte seiner schwarz-gelben Landesregierung, die bis Oktober 2021 von Laschet geführt worden war, reiht er im Schnelldurchlauf aneinander. Die Schlüsselposition kommt im CDU-Wahlkampf neben Wüst Innenminister Herbert Reul zu. Wüst lobt ihn überschwänglich: Durch Reul sei NRW viel sicherer geworden. Der 69-jährige Rheinländer ist das Aushängeschild des aktuellen Landeskabinetts, deutschlandweit wurde Reul durch seinen Kampf gegen Kindesmissbrauch und Clankriminalität bekannt.

Neu ist, dass Wüst nun heftig gegen die SPD austeilt, bisher hat er sich mit direkten Attacken auf den politischen Gegner zurückgehalten. Die Ampel-Regierung in Berlin habe bei Waffenlieferungen an die Ukraine, der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland, den Sanktionen gegen Moskau und der militärischen Unterstützung der Ukraine immer lange gezögert. "Noch nie war Deutschland so teilnahmslos und isoliert in Europa wie heute", sagte Wüst und in Richtung Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Der Zauderkurs des Kanzlers der SPD ist ein schlimmer Irrweg." Die SPD generell habe ein "Putin-Problem", findet Wüst und nannte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie steht wegen des Baus der Ostsee-Gasleitung in der Kritik. Das "Russland-Problem" der Sozialdemokraten ziehe sich bis nach NRW, wo SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty Schwesig verteidigt habe, so Wüst weiter.

CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte zuvor in seiner etwa 45-minütigen Rede leidenschaftlich das getan, was er am besten kann: Oppositionsarbeit. Den lautesten Applaus bekam der gebürtige Sauerländer für seine Aussage in Richtung Manuela Schwesig: "Dieser rote Sumpf da oben an der Küste, der muss ausgetrocknet werden." Merz forderte von Kanzler Scholz eine Regierungserklärung, andernfalls habe die Unionsfraktion ihren Antrag zu Waffenlieferungen vorbereitet. "Wir haben eine überforderte Regierung", sagte Merz. Es gebe im Bundestag bereits mit CDU, FDP und Grünen eine Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen. Heftige Kritik übte Merz auch an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): "Ich erwarte von einem Finanzminister mehr, als dass er nur die Schatulle aufmacht, immer neue Schulden macht und jedes Problem mit Geld bezahlt."

Nach "Mallorca-Gate" nun "Ausspäh-Affäre"

Für Parteichef Friedrich Merz ist es schwierig in Düsseldorf, seine Partei stellt schließlich seit knapp fünf Jahren gemeinsam mit der FDP die NRW-Regierung. Merz kritisierte daher vor allem die neue Ampel-Regierung auf Bundesebene, lobte Wüst - und Herbert Reul.

Sehr gelegen kam Merz und Wüst offenbar die neuste Wendung in der "Mallorca-Affäre" in Nordrhein-Westfalen. Am vergangenen Mittwochabend war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter einer SPD-Landtagsabgeordneten der 16-jährigen Tochter von Wüsts geschasster Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zwei Freundschaftsanfragen auf Instagram geschickt hatte. Das Profil der Politiker-Tochter ist privat, nur bestätigte Kontakte können die Fotos und Storys sehen. Tränenreich hatte Heinen-Esser selbst am vergangenen Donnerstag im Untersuchungsausschuss zur Flut im NRW-Landtag die Anfragen an ihre Tochter angesprochen.

Die CDU gibt sich seitdem empört und versucht nun eine nationale "Ausspäh-Affäre" aus dem Vorgang zu machen - vor allem wohl, um damit Wüst und feierfreudige CDU-Minister aus der Schusslinie zu bekommen. Wüst, der in nahezu jeder Rede seine kleine Tochter erwähnt, Fotos des Mädchens auf Instagram postet und zur Vereidigung den Kinderwagen in den Landtag schob, sagte am Samstag: "Kinder ausspionieren geht gar nicht. Der Schutz unserer Kinder im Netz ist nicht verhandelbar." Daher erwarte er von NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty "die sofortige und lückenlose Aufklärung dieses skandalösen Vorgangs".

Heinen-Esser war am 7. April zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass sich die CDU-Politikerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit 49 Toten in NRW mit drei weiteren CDU-Regierungsmitgliedern auf Mallorca getroffen hatte, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Mallorca-Gate
:Hat Hendrik Wüst zwei Wochen lang geschwiegen?

In Nordrhein-Westfalen stehen Landtagswahlen an. Auch deswegen will die Opposition jetzt ganz genau wissen, wann der Ministerpräsident vom Urlaub der damaligen Umweltministerin Heinen-Esser trotz Flutkatastrophe wusste.

Von Christian Wernicke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: